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The Third / Kitty, Daisy & Lewis

Mit Kitty, Daisy & Lewis aus London ist mal wieder für Jahre eine hörenswerte Band komplett an meinen Ohren vorbeigegangen. Seit ich nicht mehr alle paar Tage quasidienstlich mit dem Auto unterwegs bin, hat sich allerdings die faktisch zur Verfügung stehende Zeit für ungestörten Musikgenuß drastisch reduziert, herrschen doch zuhause die Zwillinge komplett über das akustische Reich – statt Rock ist dann mehr Ritter Rost angesagt, statt Neo-Soul eher Noggin der Nogg – beides ohne Frage wunderbare Geschichten. Oder es muss halt das durchaus geschätzte „Californication“ der Red Hot Chilli Peppers“ auf Dauerwiederholung sein.

Egal. Die rituellen Streiks der GDL (wann plant der Staat sie eigentlich in die offziellen Fest- und Feiertagskalender ein?) haben ja auch ihr Gutes – zumindest, wenn ich meiner Frau für längere Fahrten unser Wunderauto abschnacken kann. So war es auch vor kurzem wieder, was unmittelbare Auswirkungen auf den musikalischen Teil dieses Blogs haben wird, beginnend mit der frisch abgezapften Rezension, die Sie gerade begonnen haben zu lesen.

Die Geschwister und Multiinstrumentalisten Kitty, Daisy & Lewis kommen, wie erwähnt, aus London und sind schon seit Anfang der 2000er Jahre aktiv. Sie kommen aus einer ausgesprochen musikalischen Familie, was die Basis für ihre durchaus außergewöhnlich zu nennenden Talente gelegt haben mag. Ersten Auftritten mit den Eltern folgten 2005 und 2006 die ersten Singles auf einem Independent-Label, aufgenommen auf alten Aufnahmegeräten aus den 1940er und 1950er Jahren.

Damit ist schon etwas sehr wesentliches über die Durham-Geschwister gesagt: ihr Sound ist sehr besonders und orientiert sich stilistisch am Swing, Blues, Country, Rockabilly und Blues der 1940er und 1950er Jahre. Ihren ersten Platten folgten Auftritte auf dem Glastonbury Festival und mit Bands wie Coldplay, Mika, Razorlight und anderen. Zwei Studioalben und eine Kooperation mit der deutschen Band BossHoss folgten. All das ging an mir wie erwähnt vorbei. Dann kam „The Third“, das dritte Album der drei Geschwister.

Aufgenommen auf 16spurigem Analog-Equipment und umfangreicher Vintage-Studio-Ausrüstung, liefern sie mit diesem Album eine wunderbare Einstiegsdroge ab, der man sich vom ersten Ton an kaum entziehen kann. Die Einflüsse aus den genannten Musikstilen verbinden die drei zu einer wunderbaren Melange aus Soul und Disco in Verbindung mit Neo-Soul. Mit „Baby Bye By“ tragen sie den Ska der 960er in die Gegenwart, um uns mit dem Old-Schol-Blues „“It Ain’t Your Business“ zu verzaubern. Bei dem von Klavier und Streichern vorangetriebenen „No Action“ fühlt man sich an Amy Winehouse und Nile Rodgers erinnert, während einen das rauhe, leicht angerotzte „Bitchin‘ in the Kitchen“ unwillkürlich mitwippen lässt.

Produziert wurde das Ganze von Mich Jones (The Clash), dessen Erfahrung in diesem Album deutlich spürbar ist und sicher dazu beigetragen hat, dass die drei ein Album schaffen konnten, dass gegensätzliche musikalische Stile wunderbar miteinander vereint und so etwas komplett Neues schafft:

Seven years on from their full-length debut, Kitty, Daisy & Lewis appear less as a neo-retro rockabilly or country act (although they certainly touch upon those styles) and more like an astute, genre-bending post-punk band from the ’70s or early ’80s. […] Jones has forged multiple careers by fusing disparate yet compatible musical styles together to make wholly new yet comfortably recognizable pop music. Ultimately, that’s exactly what Kitty, Daisy & Lewis have done here. (Allmusic.com)

Es ist, als hätte man den Sound und das Lebensgefühl der 1940-1950er Jahre in die Gegenwart geholt – und damit zeitgemäß verändert. Ein wunderbares Album, nach dessen Genuß man Lust bekommt, die Band live zu sehen und zu hören: warum sie aber 2015 nur in Kassel (!), Jena (!!) und Gräfenhainichen auftreten (!!!) ist ein rechtes Rätsel. Management: bitte nach Hamburg schicken!

Dann kam

9 Kommentare zu “The Third / Kitty, Daisy & Lewis

    • Dann verfüge ich ja nicht allein über diese musikalische Bildungslücke … 😉
      Und Elliott Smith ist natürlich unvergleichlich & wunderbar & unvergessen. Auch einer jener viel zu früh (selbst)entleibten musikalischen Größen!

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  1. Ich kenne und mag sie, hatte sie aber auch irgendwíe ein bisschen vergessen – nun bin ich sehr froh, deinen Beitrag gelesen zu haben, denn ich wohne in Jena 🙂 (und meine Töchter sind dem Ritter-Rost-Alter mittlerweile schon entwachsen und gehen ggf sogar mit…)
    Liebe Grüße und DANKE!
    Marlis

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    • Oh, das freut mich aber: Glückliches Jena, wenn diese feine Band dort spielt. Dann wünsche ich allen viel Spaß und hoffe, dass sich die drei irgendwann doch nach Hamburg verirren. Oder Lüneburg oder Neumünster …. da fände ich auch noch hin 😉

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      • Wir haben hier seit vielen Jahren immer im Sommer die ‚Kulturarena ‚ mit wirklich guten Künstlern. Selbst wenn man keine Karten mehr bekommt – das ganze ist mitten in der Stadt und da kann man auch bequem sitzen und das eine oder andere so (fast) hautnah miterleben.
        Ich drücke dir die Daumen, dass es die drei auch bald in deine Nähe schaffen werden werden!
        Herzliche Wochenendgrüße aus Thüringen

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      • Das klingt schön – bei mir ist ja fast schon ein Überangebot (Hamburg), bei dem man schnell mal was verpasst.

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