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Vom Glück auf zwei Rädern : ein Buch für alle, die Fahrrad fahren / Robert Penn

Der 1967 geborene britische Autor, Fotograf und Sprecher Robert Penn begeisterte mich unlängst mit seinem Buch „Der Mann, der einen Baum fällte und alles über Holz lernte„. Bei der Recherche zur Rezension stiess ich auch auf sein 2010 erschienenes Buch „Vom Glück auf zwei Rädern“ (passenderer Originaltitel: „It’s All About the Bike: The Pursuit of Happiness On Two Wheels“), das 2017 endlich wieder als Hardcover in der deutschen Übersetzung vorliegt.

Penn, der nicht nur eine starke Affinität zu Holz besitzt, sondern ist unter anderem bereits um die Welt geradelt und besitzt eine ganze Reihe von Fahrrädern für die unterschiedlichsten Zwecke. Doch für den, den die Fahrradleidenschaft gepackt hat, reicht die Zahl der Fahrräder bekanntlich nie: Penn beschliesst, sich aus besten Komponenten ein ganz spezielles Fahrrad bauen zu lassen, ein Traumrad gewissermassen, bestehend aus dem besten, was es gibt.

Das ist durchaus wörtlich zu nehmen und macht den eigentlichen Reiz des Buches aus: Penn verbringt Monate mit der Recherche, mit Anfragen und Telefonaten, um schliesslich im Lauf eines Jahres verschiedene Komponentenhersteller in aller Herren Länder zu besuchen, zu besichtigen und die gewünschten hochwertigen Teile mitzubekommen. Was sich wie eine obsessive Einkaufstour anhört, ist jedoch weitaus mehr:

Penn trifft Mechaniker und Schrauberlegenden, schaut ihnen bei der Arbeit zu, fährt mit ihnen Rad und taucht dabei Kapitel für Kapitel immer wieder tief in die Geschichte des Fahrrades ein. Nachdem er sich zunächst nach einer ausgedehnten Tour mit dem 70jährigen Seniorchef Brian Rourke von Rourke Cycles in Stoke On Trent seinen Rahmen auf den Leib schneidern lässt, geht es weiter um die Welt: fürs Getriebe nach Vicenza zu Campagnolo, für die Reifen nach Korbach zu Continental, für die Räder nach Fairfax und damit zu den Mountainbikelegenden der 1970er Jahre. Lenker, Nabe, Sattel, Steuersatz und mehr – Penn sieht, wo diese Teile herkommen, wie sie entstehen und wer sie gemacht hat.

Spürbar wird bei jeder der einzelnen Stationen, mit welcher grossen Leidenschaft, welchem Gespür für Qualität die Akteure ihre Produkte fertigen, und auf welch solidem Fundament an Technikgeschichte sie bauen. Penn, dem letztlich bewusst ist, dass auch seine Auswahl zuweilen subjektiv ist, auch wenn er die naheliegenden Vorteile eines Stahlrahmens und mancher klassischer Komponenten gut und nachvollziehbar zu begründen weiss, ist spürbar fasziniert von den Handwerkern, die ihm Einblick in ihre Arbeit gewähren. Deutlich wird das eigentlich bei jeder Komponente: so etwa bei den Laufrädern, wo wir viel über die verschiedensten Arten erfahren, wie die Speichen eines Rades verlaufen können und das keine Maschine eine Rad so gut einspeichen kann wie ein versierter Mechaniker von Hand.

Penn beschränkt sich aber nicht auf seine Reiseerfahrungen und seine Einblicke in Werkstätten: er taucht tief in die Kultur- und Technikgeschichte des Fahrrads ein, in seine besondere Physik, technische Sackgassen und mechanische Meilensteine. Der Rennsport und seine Entwicklung mit all seinen zuweilen früher und auc heute merkwürdigen Facetten (Sechstagerennen) ist ebenso Thema wie die stetig im Fluss befindlichen Bedeutung des Fahrrads in verschiedenen Gesellschaftsschichten.

Auch bei Penn wird deutlich, dass das Auto alles von der grundlegenden Technik bis zu den ersten befahrbaren Strassen dem Rad verdankt, das vorher da war und dem heute zu Recht in der Kritik stehenden, unsere Städte verunstaltenden Individualverkehrsmittel Auto den Weg geebnet hat: technisch, infrastrukturell, gesellschaftlich. Klar wird auch, dass ein Mindestmaß an Qualität, die nicht zwingend die von Penns 4000-€-Rad erreichen muss, entscheidend ist für die Freude, die man an einem Fahrrad haben kann. Der englische Originaltitel macht es dabei im Grunde deutlich, welche Bedeutung ein Fahrrad für Penn und viele, viele andere hat als Glücksmaschine, als mechanisches Freiheitsversprechen und faszinierende Technik, die der menschlichen Anatomie zur effizientesten Fortbewegungsart verhilft.

Bei manchen Firmen rennt Penn offene Türen ein, andere, wie etwa Campagnolo, machen ein grosses Geheimnis aus ihrer Fabrikation. Natürlich steht Penn im Laufe des Jahres, in dem er mit dem Zusammenstellen aller Teile beschäftigt ist, auch immer wieder vor Entscheidungen und Abwägungen, die nicht immer einfach sind. So wird die Lackierung des Rahmens eine besondere Herausforderung, weigert sich doch der Mechaniker mit augenscheinlich guten Gründen, manche von Penns Farbvorschlägen weiter zu verfolgen. Am Ende aber, als kundige Hände in Rourkes Werkstatt alle Teile aus der Kiste geholt und zusammengeführt haben, steht nicht ein wunderbares Rad vor Penn nd natürlich die erste Ausfahrt, die ihn nach einigen Feineinstellungen freudig davonschnurren lässt.

Robert Penn ist ein wunderbares Buch gelungen, das inhaltlich und stilistisch hervorragend aufgebaut ist, fundiertes Wissen spannend vermittelt, Einblick in technische und handwerkliches Künste bietet und zugleich die Leidenschaft für das Fahrrad spüren lässt. Für alle, denen das Fahrrad am Herzen liegt, eine fesselnde, anregende Lektüre, die auch träumen macht vom zweiten, dritten, vierten Fahrrad. Kann man je genug Fahrräder oder genug vom Fahrrad an sich haben? Die Antwort ist nicht erst nach diesem Buch, aber nochmal nachdrücklich bestärkt durch seine Lektüre, ein klares NEIN!

9 Kommentare zu “Vom Glück auf zwei Rädern : ein Buch für alle, die Fahrrad fahren / Robert Penn

      • So, nun habe ich das Buch endlich gelesen. Besonders die kulturhistorischen Aspekte des Buches finde ich gelungen eingearbeitet.
        Beim zwieten Thema des Buches: welche Teile bzw. Baugruppen er für sein Fahrrad ausgewählt hat und welchen Produzenten er dabei begegnet ist und was darüber erzählt, rechne ich seinem Journalismus zu. Was mir jedoch etwas unwahrscheinlich erscheint ist die Tatsache, dass er für sein für ihn speziell angefertigtes rad „nur“ 4000€ bezahlt haben soll. Aber das ist wieder ein anderes Thema.

        Ich habe mir nach der Lektüre jedenfalls einige Bücher zum Thema Geschichte des Fahrrades bestellt.

        Schöne Grüße
        Robert

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      • Moin Robert,
        ich fand am journalistischen Teil den eigentlichen Reisebericht und die Begegnungen spannend. Ob der Preis stimmt, weiß man natürlich nicht: die Originalausgabe des Buches erschien allerdings 2010 und wenn man die Recherche hinzurechnet, ist der Stand wohl eher 2008 oder 2009. Die Bücher von Penn sind übrigens generell zu empfehlen.
        Schöne Grüße von
        Jarg

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      • Hallo Jarg,
        vielen Dank für Deine Antwort.
        Ich habe nicht Deinen Hinweis nicht vergessen, dass Du in meinem Blog kaum etwas zu Fahrrädern findest. Diesen Blog betreibe ich erst seit einem Jahr.
        Wenn Du magst, lade ich Dich gerne in meinen alten Blog ein: https://fotografieundtext.wordpress.com/

        Gibt man in der Suche das Stichwort „Fahrrad“ ein, dann kann man etliche Trouvaillen entdecken.

        Schöne Grüße
        Robert

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