Wenn man bedenkt, dass Grönlandhaie nach neuesten Forschungen mehrere hundert Jahre alt werden können, mutet die maximale weltweite durchschnittliche Lebenserwartung gegenwärtig lebender Menschen von 73,4 Jahren geradezu lächerlich an. Selbst wenn man die mehr als achtzig Jahre berücksichtigt, die in wohlhabenden Ländern mit guter medizinischer Versorgung erreicht werden, gehört der Mensch nicht unbedingt zu den langlebigsten Lebewesen. Manche Baumarten erreichen zehntausend Jahre und bei Bakterien wurden sogar Endosporen entdeckt, die einige Millionen Jahre im Ruhestadium verbrachten, bevor sie aufgeweckt wurden.
Nicklas Brendborg, Postdoc für Molekularbiologie an der Universität Kopenhagen, geht in seinem Buch der Frage nach, welche Bedingungen ein hohes Alter fördern, zieht dabei Beispiele aus der Natur heran und gibt eine Einschätzung, welche dieser Erkenntnisse sich auf den Menschen übertragen lassen. Vorab bemerkt: es gibt durchaus Hoffnung, dass ein langes und gesundes Leben gelingen kann. Aber Brendborg macht auch unmißverständlich klar, wo die Grenzen liegen. So räumt er beispielsweise mit dem Mythos um Antioxidantien auf und zeigt anhand der aktuellen Forschungslage, dass das vermeintliche Wundermittel bei medikamentöser Verabreichung womöglich das Gegenteil von dem bewirkt, was man sich erhofft. Im Gegensatz dazu scheint Stress unsere Zellen eher überlebensfähiger zu machen: sowohl Sport mit seinen Mikroverletzungen als auch reichliche Saunabesuche (Hitzestress) oder der Kontakt mit eigentlich giftigen Stoffen (zB Capsacain aus Chilli oder Polyphenole) in kleinen Mengen über die normale Nahrung setzt die Zellen positiven Stress aus, der gesundheitsförderlich wirken kann. Zuviel dieses „Hormesis“ genannten Phänomens ist allerdings auch nicht gut: mit dem Kopf gegen die wand rennen oder sich mit Tuberkulose infizieren setzt den Körper dann doch eher negativem Stress aus.
Ob Spermidin (keine Sorge: das kommt auch in Lebensmitteln wie etwa Weizenkeimen vor) oder die Gene, Körpergröße oder Blutspenden, Händewaschen oder Fasten, Stammzellen oder Körpergröße, Fasten, Kaffee oder Alkohol – Brendborg zeigt anhand neuster Forschungsergebnisse aus der Biologie auf, welche Bedeutung bestimmte Stoffe, Strukturen und Prozesse im Tier- und Pflanzenreich auf gesundheit und Lebensalter haben, ob etwas davon auf den den Menschen übertragbar ist und wo die Grenzen dieser Übertragbarkeit liegen. Das Ganze gelingt ihm mit großer Sachkunde und Humor. Das letzte Kapitel gibt ein paar gute Ratschläge, zu denen – wen wundert es – maßvoller Sport, eine bewusste, maßvolle Ernährung und guter Schlaf gehören.
Fazit: „Quallen altern rückwärts“ ist ein überaus faktenreiches und zugleich spannend geschriebenes populäres Sachbuch, dass sich seinem Thema mit großer Sachkenntnis widmet und zugleich auch die naturwissenschaftlich nicht einschlägig vorgebildete Leserschaft zu fesseln vermag.
Lieber Jarg,
als große Fans der Sauna fanden wir deinen Hinweis auf dieses Buch so anregend, dass wir uns das Buch kommen lassen werden. Wir sind gespannt.
Liebe Grüße vom sonnigen Meer
Happy weekend
The Fab Four of Cley
🙂 🙂 🙂 🙂
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Lieber Klausbernd, das freut mich. ichb hoffe, die lektüre ist für euch ebenso anregend wie für mich. Verzeiht die späte Antwort – ich bin gerade wenig auf Social-media unterwegs, was mir sehr gut tut – aber den Blog natürlich etwas verkümmern lässt. Liebe Grüße aus Hanbrug von Jarg
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