Island. Im kleinen Dorf Raufarhöfn, in dem früher die Fischerei groß und jetzt fast alles nur noch unbedeutet scheint, lebt Kalmann Óðinsson. Kalmanns Vater war Amerikaner und hat ihm eine Mauser vererbt. Er wächst bei seinem Großvater auf, wandert durch die eisigen Ebenenen, fährt mit einem alten Boot raus zum Fischen, macht den besten Gammelhai weit und breit und hat Sehnsucht nach der Liebe. Und er passt auf im kleinen Dorf. Wie ein Sheriff eben. Doch der naiv erscheinende Kalmann ist auch besonders, denn in seinem Kopf läuft manches langsam und anders als bei anderen. Seit sein geliebter Großvater im Heim ist, ist sein Leben nicht einfacher geworden.
Eines Tages entdeckt Kalmann bei der Jagd auf einen Polarfuchs eine große Blutlache auf der Hochebene – und zeitgleich verschwindet Róbert Mackenzie, mächtigster Mann am Ort, Betreiber des einzigen Hotels am Ort und Eigner sämtlicher Fischfangquote. Kalmann beschliesst, den rasch Wellen schlagenden Fall, der Polizei, Journalisten und die litauische Mafia ins Dorf ruft, aufzuklären. War es ein Eisbär? War es Mord? Kalmann hat eine eigene Sicht auf die Dinge und ist der Lösung des Falles näher, als ihm lieb ist.
Joachim B. Schmidft ist ein wunderbarer Roman um einen naiven Außenseiter gelungen, der kognitiv in seinen Fähigkeiten eingeschränkt ist, aber einen ebenso naiven wie klaren Blick auf seine Nachbarn hat und in seiner skurrilen Logik ein großes Maß von Weisheit entwickeln kann. Gebannt folgt man Kalmanns Ausführungen, seinen „Ermittlungen“ und seinen Gedankengängen, möchte ihn macnhmal vor sich selbst bewahren, fragt sich, ob man ihm trauen kann und ist doch tief berührt von seiner Originalität und seinem Blick für seine Mitmenschen. Bei aller Komik gelingt es Schmidt, seinem liebenswert-naiven Protagonisten immer seine Würde zu lassen. So wird man langsam mit Kalmann, der zuweilen an Figuren wie Forrest Gump erinnert, vertrauer, während die Geschichte sich immer weiter zuspitzt.
Am Ende legt man das Buch, das wie ein Krimi daherkommt und doch weit über sein Genre hinausragt, aus der Hand und ist ein wenig traurig wie bei allen guten Büchern, deren ins Herz geschlossene Protagonisten man ihrem ungewissen weiteren Schicksal überlassen muss. „Kalmann“ ist ein bemerkesnwerter, absurd-komischer und zugleich fesselnder Roman mit einem sorgfältig aufgebauten Spannungsboden, einem unerwarteten Schluss und vielen liebevoll gezeichneten Figuren. Eine klare Empfehlung meinerseits für alle, die besondere Geschichten und sperrig-liebenswerte Charaktere mögen.