
Jetzt ist Seasick Steve nach dem Sprung über den großen Teich und dem Erfolg seines zweiten Albums in Großbritannien endlich auch der Sprung mach Deutschland gelungen. Mit „Man from another time“ erlangte er erstmals größere Aufmerksamkeit in den deutschen Feuilletons (z.B. Dezember 2009 in der ZEIT ) und nach einem Auftritt in einer NDR-Talkshow war es auch bei mir soweit: diese CD musste ich hören. Der amerikanische Ex-Hobo, der mit 14 von zuhause ausriss und per Zug durch die Lande zog, von obskuren Jobs lebte und sich durch die USA und Europa treiben liess, war nach Jahren des Herumtreibens schliesslich in Norwegen gelandet. Seasick Steve, der seinen Namen der Eigenschaft verdankt, bei Schiffsfahrten stets den Fischen zu opfern, zeigt im Alter von über sechzig Jahren, dass auch ein später Erfolg möglich ist und man auch als gereifter Graubartträger den Blues im Blut haben und manchen Youngster an die Wand spielen kann. Seasick Steve, der bereits mit Modest House Aufnahmen gemacht und mit John Lee Hooker gespielt hat, bedient sich dabei zum Teil selbstgebauter Instrumente wie dem traditionellen Didley-Bo (Holzstab mit einer Saite), einer viersaitigen Gitarre, deren Resonnanzkörper eine Zigarrenkiste ist, seiner dreisaitigen Trance-Wonder-Gitarre und einer abgeschrammelten Akustikgitarre. Dazu gibt es neben seiner rauhen Stimme nur noch das Schlagzeug seines langjährigen Drummers Dan Magnusson, alles veredelt und aufgenommen mit Uralttechnik und -mikrophonen und fern jeglicher digitaler Verfeinerung. Was dabei rauskommt, ist ein unerhört lebendiges Album mit zahllosen Geschichten aus einem ausgeprochen bewegten Leben, melancholisch, altersweise und doch unerhört frisch, kraftvoll und erdig. Ob er von einem Traktor träumt, feststellt, sich an seine Hobo-Jugend erinnert oder den Seasick-Boogie spielt – Seasick Steve zeigt, dass handgemachte Musik auf schrottigen Instrumenten immer noch mitreissend sein kann. Eine wahre Ohrenfreude!
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