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Der Beerenmann: von überfälligen Urlauben, den Gefahren des Früchtesammelns, abendlichen Jäger- und Sammlervisionen und den erstaunlichen Fähigkeiten von Dihydrogeniumoxid

Nach einem sowohl beruflich als auch privat ausgesprochen angefüllten, durchaus aber auch erfüllten ersten Halbjahr arbeitete Jarg ab Anfang Juli nur noch auf den Urlaub hin. Dienstlich wurden sämtliche noch zu regelnden Dinge abgeschlossen oder zur Übergabe an die Stellvertretung aufbereitet, daheim alle Antennen auf Urlaub ausgerichtet mit dem Erwerb fehlender oder defekter Ferienausrüstungs-Gegenstände (Sturmfeuerzeug fürs küstennahe Grillen! Neue Outdoorjacke!! Ersatzsatteltaschenpackriemen!!!) und der sorgfältigen Auswahl urlaubsgeeigneter Bücher (Reise- und Expeditionsberichte und der wunderbare neue Roman von Jan Christophersen). Aus monatelanger Hochspannung auf Null fallend, schleppte Jarg mit letzter Kraft am Vorabend des Reisebeginns einen Berg scheinbar urlaubsnotwendiger Familienhabseligkeiten in den Wunderminivan, der seltsamerweise wieder in der Lage war, alles klaglos zu schlucken und trotzdem noch Platz für die Familie bot: ganz offensichtlich handelte es sich um ein Fahrzeug mit magischen Fähigkeiten, da es aussen kleiner war als innen, womit es im Gegensatz stand zu den zahlreichen die Strasse bevölkernden klobigen Oberförsterautos (erstaunlich, welche Verbreitung dieser Beruf gefunden hat), gemeinhin auch Suff-Autos genannt.

Dann ging es los: über Plön Richtung Hohwachter Bucht, dem diesjährigen Urlaubsziel nach drei Jahren im schönen Angeln. Eine Fahrt, wie m Traum bewältigt aufgrund des oben beschriebenen Hochspannungsabfalls und der beim männlichen Elternteil wie üblich beim Erreichen der Ferienwohnugn erstmal in einen einstündigen Monatsanfangserschöpfungsschlaf führte. Natürlich wird an dieser Stelle noch über die Vorzüge eines Urlaubs an der Hohwachter Bucht, unweit Lütjenburg und nicht fern von Oldenburg noch eingehend zu berichten sein: von Turmhügelburg und Eiszeitmuseum, von Wallringmuseum samt Slawenmarkt über den Obst-Erlebnisgarten bis hin zu Radtouren, Kettcarfahren und Seebaden reichte das Spektrum. Natürlich gehörten auch die letzten Tage der Fußball-WM zum vollständigen Bild des Urlaubs einer Familie, die sich nicht gerade durch Fußballfanatismus geschweige denn mit typischem Fachwissen in dieser Hinsicht auszeichnete, aber zu Meisterschaftszeiten durchaus von der Begeisterung anstecken liess und die Einführung von Schiri-Sahne im Straßen- und Nahverkehr unbedingt befürwortet. Das typische Urlaubsbild von Jarg bestand jedoch aus zwei Beinen, die aus einer Beerenhecke ragten, gehörte das abendliche Himbeerfuttern im Probierbereich des quasi mitgebuchten Beeren- und Früchtehofes doch geradezu zum Urlaubsprogramm. Hohwacht: ein wahres Beerenparadies.

Dem Beerenparadies folgte natürlich (wie könnte es für eine solide Hamburg-Schwaben-Connection anders sein?) die Fahrt Richtung Schwaben ins Brezelparadies: vulgo Hohenlohe. Über Schwäbisch-Hall und Umgebung wurden hier ja schon einige lobende Worte losgelassen. Fest damit verbunden ist für Jarg, den Beerenmann, in diesem Jahr aber ganz klar die Jagd, denn nach diesem wunderbaren Sommer war sicher, dass es etwas zu jagen geben würde im Brombeereldorado, in der Rubus-Bonanza hoch oben im Schwäbisch-Fränkischen Wald. So sattelte Jarg an seinem persönlichen letzten Urlaubstag den willigen Drahtesel, verlud Behältnisse, schnallte den eigens entwickelten, noch zu patentierenden Brombeerhaken auf, befestigte die Rosenschere am Gürtel und wand sich zum Schutz vor Bremsen und Sonne ein durchaus schratig anmutendes Kopftuch um den Kopf, was in Verbindung mit der leicht zerlumpt wirkenden, aber schützenden Bein- und Rumpfbekleidung in der rasenden Vorbeifahrt vermutlich zu heftigen Irritiationen nebst Vorahnungen des jüngsten Gerichts bei der Landbevökerung führte, die noch lange nachwirken und zu Sagen und Legenden führen werden.

Hinauf ging es auf den Berg. Dort waren sie, dicht an dicht an stachelbewehrten Ranken stehend, riesig und dunkel und von schwerer Sommersüße: Brombeeren. Tausende. Jarg ging sofort zum Angriff über, der große Erfahrung benötigte, galt es doch, mit zartem Griff die reifen von den unreifen Beeren zu unterscheiden, gleichzeitig mit geschickten Bewegungen des Brombeerhakens Angriffe der Stacheln abzuwehren und die geeigneten Früchte rasch und zuverlässig in die Sammelbehältnisse zu überführen. Raum, Zeit und Bewegung verschmolzen und Jarg befand sich in einem tranceähnlichen Zustand, Gedanke, Griff und Beere waren gewissermaßen eins, bis endlich die Menge erreicht war, die zur Marmeladenherstellung benötigt wurde.

Zu schweigen sei an diese Stelle vom abrupten Ende der Beerenjagd nach einem Anruf aus Hamburg, der von einer Rohrverstopfung nebst Küchen- und Wohnzimmerüberschwemmung berichtete und einen Tag später bei der einsamen Rückkehr des Beerenmannes zur Entdeckung erstaunlicher Wege führte, die sich Wasser in einer Wohnung suchen kann, und zur bei näherem Abstand durchaus beeindruckenden Kraft, die aufgequollene Hölzer auf andere Einbauten ausüben können. Festzustellen ist, dass es wieder Brombeermarmelade gibt und Jarg am Abend vor der Rückfahrt in die nun schadhafte Wohnung endlich nach Jahren der Brombeerödnis vor dem Einschlafen wieder dieses Bilder vor dem inneren Auge hatte: unzählige dunklen Beeren vor hellem Grün. Sonst nichts. Gäbe es einen Markt für das Buch „Brombeerensammeln gegen Burnout : von der meditativen Kraft des Früchtesammelns“ – es müsste geschrieben werden und nebst Begleit-DVD, -CD, -Poster und -Sammeltasse auf den dürstenden Medienmarkt geworfen werden.

PS: Natürlich handelt es sich bei obigem Bild um Himbeeren.

17 Kommentare zu “Der Beerenmann: von überfälligen Urlauben, den Gefahren des Früchtesammelns, abendlichen Jäger- und Sammlervisionen und den erstaunlichen Fähigkeiten von Dihydrogeniumoxid

  1. Danke für den sehr unterhaltsam Text.
    Ich hoffe, Du gibst rechtzeitig bekannt, sobald Buch und Merchandising Artikel erhältlich sind. 🙂
    Und bitte Daumen halten, dass wir demnächst in Kärntens Wäldern ebenso Beeren-fündig werden

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  2. Lieber Beerenman,
    ein wunderbarer Text über einen offensichtlich ausgesprochen meditativen Beerenurlaub ist Dir da gelungen.
    Schade, dass es keine Bilder vom fahrradfahrenden Beerenmann mit Brombeerhaken (?) und Kopftuch gibt, aber ich stelle es mir mal vor… und nachdem die Sache mit dem Wasser ja anscheinend inzwischen doch einigermassen glimpflich abgelaufen ist, kannst Du die übriggebliebene rubble Kontemplation hoffentlich noch ein bisschen in den Alltag tragen.

    Ich für mein Teil werde mich bemühen, die herrlichen Wortschöpfungen Oberförsterauto und vor allem Ersatzsatteltaschenpackriemen in meinen täglichen Wortschatz aufzunehmen…

    Liebe Grüsse
    Kai

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    • Lieber Kai,
      ja, die Entspannung des Urlaubs ist durchaus noch da (trotz weiteren Unbills in Form eines kürzlich geschrotteten Laptops – aber schweigen wir lieber) und so stark, dass ich die Kolleginnen am Frühstückstisch bereits für mein Buchprojekt begeistern konnte: „Die Kraft der inneren Beere : vom Sammeln zum Selbst“ lautet jetzt der Arbeitstitel für das Buchprojekt samt entsprechendem Merchandising bis hin zum Buch-Maskottchen in Form eines Brombeerstofftieres.
      Bilder vom Brombeermann würden wahrscheinlich hier nur verschrecken (ausserdem ist da meine um das nicht-lächerliche Aussehen ihres Mannes durchaus besorgte Ehefrau davor) – und der Brombeerhaken (der zum Herunterziehen hochaufschiessender, fruchtvoller Brombeerranken dient) wird gerade patentiert 😉
      Alles wird gut, Brombeeren für alle und Strawberry Fields forever!!
      Liebe Grüsse vom
      Jarg

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