Man sollte meine, Fake News haben erst seit kurzem Konjunktur, seien ein typisches Kennzeichen des noch nicht lange ausgerufenen sogenannten postfaktischen Zeitalters. Das Gegenteil ist der Fall: Fake News haben eine betrüblich lange Tradition, die bis in die Antike zurückreicht und folgten schon in früheren Zeiten dem gleichen Kalkül: Machtsicherung, Einschüchterung oder Ruhmvermehrung. Der Schriftsteller und Journalist Peter Köhler wagt einen Parforceritt durch Geschichte und Kultur und fördert dabei allerhand verblüffende Fakten zutage. Manche von ihnen sind altbekannt: Leonardo Da Vinci hat nie ein Fahrrad entwickelt, Galileo Galilei seine berühmten Worte „Und sie bewegt sich doch“ nie gesagt und die unsägliche Kinderprostitutions- und Mädchenhandelsgeschichte um die Clintons, die auch Trump immer wieder aufgriff, ist erstunken und erlogen.
Erstaunlich ist dagegen so mancher Gründungsmythos wie etwa bei Tschechien, der mit der Entdeckung sich später als gefälscht erweisenden mittelalterlichen Dichtung verbunden ist, im Nachhinein aber zur sprachlichen Erneuerung des Tschechischen beitrug. Auch aktuelle Themen wie der Dieselskandal (der niemanden – schon gar nicht bei VW – hätte überraschen dürfen) oder gerne kolportierte Mythen wie etwa die Päpstin Johanna, die angeblich magischen Kristallschädel, der indische Seiltrick oder die mit schrecklichen Folgen verbundenen und gänzlich fiktiven Mythen um Juden als Brunnenvergifter und Ritualmörder finden Niederschlag in Köhlers umfangreichem, gut belegten Ausführungen.
Ein verblüffendes Kompendium von Halbwahrheiten, Lügen, Falschaussagen und Geschichtsfälschungen, die zum Teil überaus komische, zum teil sehr ernste und erschreckende Folgen hatten, und zugleich ein Plädoyer für den wachen Blick auf Dinge, die zunächst wahrhaftig scheinen, in Wahrheit aber nur gut erfunden sind.