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Kein Wort mehr über Liebe : Roman / Hervé Le Tellier

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„Das Fremde in uns zu bewahren, das ist vielleicht das Geheimnis“ (S. 141)

Sie alle sind um die vierzig Jahre alt: der Psychoanalytiker Thomas, die Medizinierin Anna, der Schriftsteller Yves, die Anwältin Louise. Alle sind mitten im Leben angekommen, haben sich etwas aufgebaut und verfügen über angemessenen Wohlstand. Louise und Anna sind verheiratet und haben jeweils zwei Kinder, während Thomas in Scheidung lebt und Yves allein ist. Alles scheint in guten und geregelten Bahnen zu verlaufen.
Da verliebt Louise sich in Yves und Anna in Thomas – und plötzlich erscheint alles in neuem Licht. Große Emotionen brechen an die Oberfläche durch, lange verschüttet geglaubte Sehnsüchte, ungelebte Leidenschaften, verdrängte Kränkungen und alte Verletzungen treten zu Tage. Beide stehen vor der entscheidenden Frage, ob diese neue Liebe ein Wendeounkt sein kann und sein soll – und wie hoch der Preis dafür ist. Nur eine von ihnen entscheidet sich am Ende für die neue Liebe …
Hervé Le Tellier liefert natürlich als Mitglied der Autorengruppe OuLiPo hier keinen konventionellen Roman ab, sondern durchbricht ihn mit einer Geschichte in der Geschichte, mit Listen und Zeitungsanzeigen, mit parallel in Spalten auf einer Seite laufenden Erzählsträngen bzw. Textpassagen.
„Kein Wort mehr über Liebe“ ist ein virtuoser Roman über die Liebe und ihre Verwirrungen jenseits der ganz jungen Jahre, der mit großer Leichtigkeit und Humor eine erstaunliche Tiefe und Poesie erreicht. Le Tellier beobachtet und seziert die Gefühle seiner Protagonistinnen und Protagonisten genauestens und schafft bei aller Genauigkeit dieser Analyse eine wunderbare leichte, sommerliche Atmosphäre, vor der sich die Geschichten und Handlungsstränge des Romans entfalten. En passant enthält diese kunstvolle aufgebaute, sprachlich ansprechende, intelligente und trotzdem unterhaltsam zu lesende Geschichte Reflexionen über das Schreiben und die Kunst, über die Untiefen der menschlichen Psyche und über den gehobenen Pariser Mittelstand mit intellektuellem Einschlag in den 2000er Jahren.
Ein wunderbares, von Jürgen und Romy Ritte ins Deutsche übertragenes Buch, wie geschaffen für die Lektüre im Sommer: federleicht, witzig, geistreich und tief berührend zugleich und für Jarg ein Kandidat für die schönsten Leseerlebnisse 2012.

17 Kommentare zu “Kein Wort mehr über Liebe : Roman / Hervé Le Tellier

  1. Ich hab das Buch schon eine Zeitlang im Auge … ich würd’s gern lesen, aber ich hab die Befürchtung, dass es vielleicht aufgrund dieser typischen „Seitensprung-Konstellation“ zu klischeehaft ist?!

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  2. Von der OuLiPo habe ich bisher nur Georges Perec gelesen, Queneau steht schon seit Jahren ungelesen im Regal. Ich wusste gar nicht, dass es die Gruppe noch gibt bzw. dass sie heute noch aktiv ist. Das, was du über diesen Roman schreibst, klingt spannend – ich mag solche experimentellen Sachen, was Sprache, Erzähltechnik und Typographie/Layout betrifft. Danke für die Empfehlung!

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    • Doch doch, es gibt sie noch, die OuLiPo … man scheidet auch nicht aus nach dem Ableben, sondern ist wegen Tod entschuldigt.
      „Zazie in der Metro“ von Queneau ist natürlich ein echter Klassiker, den ich mir allerdings auch erst vor Kurzem zu Gemüte führte. Jetzt will ich natürlich auch die Verfilmung sehen ..
      Ich hoffe, Le Tellier gefällt Dir. Jedenfalls passt sein Buch zum Sommer, auch wenn der gerade Urlaub hat …
      Viele Grüsse von Jarg

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      • Ja, „Zazie in der Metro“ habe ich damals mit Vergnügen gelesen, den Film sah ich auch, aber ehrlich gesagt, kann ich mich nicht mehr recht erinnern, was immerhin heißt, dass er kein Ärgernis war. Von Le Tellier habe ich noch nie etwas gelesen, was aber daran liegt, dass ich in der französischen Literatur erschreckend unbelesen bin. Auf jeden Fall hast du mich angeregt, das zu ändern.

        Liebe Grüße von der Küste Norfolks
        Klausbernd und seine kecken Buchfeen Siri & Selma

        Ich habe übrigens meinen Blog mit deinem Blog verlinkt, ich hoffe es ist recht

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      • Hallo Klausbernd, Siri & Selma,
        Tellier ist bestimmt die Lektüre wert, auch wenn ich auch von mir nicht behaupten kann, mich in der französischen Literatur besonders gut auszukennen.
        „The world according to Siri & Selma“ habe ich natürlich schon auf meiner Blogroll – und freue mich selbstredend, jetzt auch auf diesem schönen, lesenswerten Blog aus Norfolk eine Verlinkung zu Jargsblog zu finden.
        Herzlich grüsst
        Jarg

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