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Mischievous Moon / Jill Barber

Die 1982 geborene kanadische Sängerin Jill Barber war zunächst dem Folk-Rock-Genre zuzuordnen – bis sie eines Tages an einen Plattenspieler gelangt, damit dem Zauber alter Schallplatten verfällt und auch musikalisch neue Orientierung findet. Retro-Jazz-Pop nennt man das wohl – und könnte es auch als audiophile Zeitreise in die Welt des Crooning bezeichnen, jenen eigentümlich zurückhaltenden Gesangsstil, der bis in die späten 1950er Jahre vor allem jenseits des großen Teichs die populäre Musik domierte.

Barber, die bereits aus ihrer Folk-Rock-Zeit großkalibrige Bandsounds gewohnt war, bringt jetzt mit „Mischievous Moon“ ihr fünftes Retro-Jazz-Album auf den Markt und vor allem erstmals nach Europa, in den sie noch weitgehend unbekannt ist. Das dürfte sich hoffentlich ändern, denn mit dem vorliegenden Album schaft sie es, anachronistisch erscheinende nostalgische Klänge mit einer mädchenhaft klingenden Stimme so überzeugend vorzutragen, dass man sich als Zuhörer nur noch genießerisch zurücklehnt und die Musik ganz gegenwärtig wird, als würde sich der Sound der Fiftys über unsere unruhigen Zeitläufte legen.

Souverän der Gesang, der mit dem luftigen Big-Band-Sound eine perfekte Verbindung eingeht in diesen Songs von Liebe und Sehnsucht, die im besten Sinne des Wortes sentimental, doch niemals kitschig klingen. Man mag mir vorwerfen, hier überaus subjektiv zu urteilen, führen doch Klarinetten- und Saxofonklänge bei mir bekanntermaßen (ebenso wie Vanilleduft und der satte Schmelz 85%iger Schokolade) zum sofortigen Verlust sämtlicher cerebraler Kontrollinstanzen: aber da sind auch noch die wunderbaren Streicher, diese federleicht nachdrücklichen Klaviertastenanschläge, die Backgroundsänger, Bläser, Drumbesen und alles andere.

Ein sorgfältig aufbereitetes und klassisch arrangiertes Album, opulent und filigran zugleich, das den geneigten Hörer auf mit leiser Romantik und einem Hauch von Drama in die 1950er entführt und unerhört entspannend wirkt, als säße man in einem gerade von der California State Route 1 abgebogenen 1955er Studebaker Speedster, dessen abgestellter Motor noch knistert, irgendwo mit Meerblick auf einem einsamen Parkplatz an der Küste von Big Sur. Mit Auto-Radio, natürlich.

Ein

2 Kommentare zu “Mischievous Moon / Jill Barber

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