Als bekäme man exakt eine Chance – und wenn man die vermasselt, fällt die Tür zu und das Wunder wird sich nie wiederholen.
Der karrierebewußte Edward ist Anfang Vierzig, als Virologe international anerkannt, arbeitet hart und reist viel. Mit Frauen verbinden ihn mehr Affären als feste Liebesbeziehungen. Da trifft er die 15 Jahre jüngere Ruth, eine Soziologiestudentin, und verliebt sich in sie. Vier Jahre später heiratet das Paar. Doch der Altersunterschied macht sich mehr und mehr bemerkbar – viele von Edwards abgeklärten Ansichten kann die ethisch sensiblere Ruth nicht teilen. Als sie ein Kind bekommen, wird die Kluft zwischen ihnen rasend schnell größer. Plötzlich erkennt Edward, dass ein wesentlicher Teil von ihm mit dem Erwachsenwerden verloren gegangen ist. Doch es ist zu spät … und er gerät in eine tiefe Krise, aus der es keinen Ausweg mehr zu geben scheint.
Tommy Wieringa, der mich bereits mit „Joe Speedboat“ begeistern konnte, legt mit „Eine schöne junge Frau“ eine düstere Variante der alten Geschichte eines Mannes vor, der sich in eine deutlich jüngere Frau verliebt. Er, der sich in seiner Eitelkeit zunächst durch die Liebe seiner jungen Frau bestätigt sieht, sieht sich am Ende überfordert durch ihre Jugend.
Wieringa setzt den Fokus der Geschichte ausschliesslich auf Edward: der Leser sucht so unfreiwillig die Identifikation mit dem Protagonisten, dessen Person in der Mitte des Lebens plötzlich radikal in Frage gestellt wird, und ist hin- und hergerissen zwischen Ablehnung und Mitgefühl. So wird das schmale Büchlein zum Psychogramm eines ehrgeizigen, karrierebewußten, rational denkenden und handelnden mittelalten Mannes, dem im Laufe des Lebens die Sensibilität für seine Mitwelt abhanden gekommen ist. Gespiegelt wird dieser Charakter in seiner Frau Ruth, die ihn mit tierethischen und wirtschaftskritischen Fragen kritisiert, deren ungestüme Emotionalität den Contrapart bildet, ihn herausfordert, letztlich aber überfordert.
Eine spannende, zuweilen komische, häufiger jedoch traurige Variante der alten Geschichte des eine jüngere Frau liebenden Mannes, die sprachlich anspruchsvoll und überaus stringent erzählt ist und einen tief zu berühren vermag.
Lieber Jarg,
das klingt interessant, vor allem, weil es vielleicht für mich dieses Phänomen älterer Mann liebt jüngere Frau ein bisschen erhellen könnte. Mir als ‚älterem Mann‘ wäre es nämlich tatsächlich eine recht gruselige seltsame Vorstellung, mit eine, Menschen zusammen zu sein, dem man noch so viele für einen selbst längst ’normale‘ Erfahrungen klären müsste. Ok, auf der anderen Seite könnte es auch inspirierend sein, aber nach meiner Beobachtung dient die Konstellation doch allzu oft der männlichen Eitelkeit und dem Versuch, irgend etwas nachzuholen, was nicht nachholbar ist.
So scheint es ja auch dem Protagonisten zu gehen (der, by the way für mich persönlich mit Anfang vierzig ja selber noch ein relativ junger Mann ist, naja, alles eine Frage der Perspektive…) . Jedenfalls zitierst Du
„Plötzlich erkennt Edward, dass ein wesentlicher Teil von ihm mit dem Erwachsenwerden verloren gegangen ist. Doch es ist zu spät … und er gerät in eine tiefe Krise, aus der es keinen Ausweg mehr zu geben scheint.“
Das ist dann eine wirklich traurige Geschichte. Anyway, Du hast mit Deiner Besprechung das Buch bei mir auf die ‚Demnächst besorgen‘-Liste gesetzt. Schaun wir mal.
Liebe Grüße
Kai
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Lieber Kai,
Ja, das ist eine traurige Geschichte, die einen tief berührt … zumal man schnell spürt, wie sehr sich der Protagonist verrenkt in seiner eigenen Eitelkeit. Ich glaube persönlich zwar schon, dass Liebe eigentlich keinen Altersunterschied kennt (oder kennen sollte) und kenne auch durchaus Beispiele, wo es egal scheint, ob der Mann oder die Frau zwanzig Jahre älter sind oder nicht.
Aber es gibt halt auch diese Lebensphasen, die schwer vereinbar scheinen … so mutet es für mich seltsam an, wenn Männer um die Sechzig plötzlich Kinder mit Frauen bekommen, die zwanzig Jahre jünger sind. Ich bemühe mich zwar auch, meinen Körper fit und meine Muskeln stark zu halten für meine Zwillinge, weiß aber auch um die Grenzen körperlicher Ertüchtigung und die Tatsache, dass sie schon bald kräftemäßig rasend schnell an mir vorbeiziehen werden. Wie mag dass sein, wenn man
Ich hoffe, das Buch von Wieringa, der auch andere schöne Bücher geschrieben hat, gefällt dir trotz des traurigen Tenors ebenso wie mir.
Liebe Grüße aus dem diesigen Norden von
Jarg
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