„[…] die Maxime, dass es allein darum geht, tatsächlich die Karotte zu schneiden und sonst gar nichts. Sonst wirklich gar nichts. In einer Welt, die ständig etwas anderes von uns will, als das wir mit unserem Körper in der Gegenwart anwesend sind, ist es eine große Erholung, wenn ich nur auf meine Hände und die Karotte achte. Ja, ja, natürlich ist das die alte Zen-Schmäh: Wenn du die Karotte schneidest, dann schneide nur die Karotte. Das wurde bereits in Themomix-Vorzeiten formuliert, anscheinend war es auch da schon schwierig, nicht abgelenkt zu sein. Heute wird es zu einer regelrechten Entscheidung, die Karotte selbst zu schneiden“ (Zitat S. 56).
Baumkuchen und Ramen, Tofu, Brotreste, Kohl und Pasta, Schokolade und Haferbrei, Maroni, Hühner und Tintenfisch: die Bandbreite der Lebensmittel ist groß, über die sich Dorris Dörrie in „Die Welt auf dem Teller“ auslässt. Für die Regisseurin und Autorin gehören Essen und Kochen zu einem erfüllten Leben unbedingt dazu. In ihren hier versammelten Kolumnen, die zuerst in der Zeitschrift „Essen & Trinken“ erschienen, beschäftigt sie sich aber nicht allein mit dem sinnlichen Genuss, sondern spürt auch Kindheitserinnerungen und Erlebnissen nach, die sie mit den jeweiligen lebensmitteln verbindet, ohne dabei Ess- und Kochkultur, aber auch einen verantwortungsvollen, bewussten Umgang mit Lebensmitteln aus dem Auge zu verlieren.
So verbindet sie die Kindheitserinnerung an den Gang mit der Milchkanne zum Milchladen mit den aktuellen, zum Teil aus gesundheitlichen, zum Teil aus ethischen Gründen gehandelten Milchalternativen und wirft einen kritischen Seitenblick auf die globale Milchindustrie und ihre schädlichen Folgen für Klima, Gesellschaft und Tierwohl. Sie plädiert vehement dafür, sich beim Karottenschneiden auf das Wesentliche zu konzentrieren, bekennt sich zu ihrer Sucht nach dunkler Schokolade und enthüllt die verblüffende Geschichte, wie der Baumkuchen nach Japan kam und dort nicht mehr wegzudenken ist. Überhaupt Japan: natürlich darf ein Kapitel über Ramen nicht fehlen, dass ich natürlich sofort meinem 15jährigen Sohn vorlesen musste, weil es Ramen an sich so wundervoll auf den Punkt bringt.
Doris Dörrie ist ein wunderbares Buch über Essen und Kochen gelungen, das zugleich ein Plädoyer für eine verantwortungsbewusstere Esskultur und einen wertschätzenden Umgang mit den Dingen ist, die uns nicht nur stärken und ernähren, sondern auch sinnlichen Genuss und Gemeinschaft stiften können.