
„Tom gehört nicht zu den Männern, deren Beine nur noch von Sehnen am Körper gehalten wurden oder denen die Eingeweise wie glitschige Aale aus dem Leib quollen. Seine Lunge und sein Gehirn sind nicht vom Gas aufgeweicht worden. Doch er trägt dennoch Narben mit sich herum, denn er muss in der Haut des Mannes weiterleben, der das getan hat, was damals nötig war. Es ist ein Schatten, der nach innen fällt.
Er gibt sich Mühe, darüber nicht ins Grübeln zu kommen. Er hat nämlich viele Männer erlebt, die auf diese Weise sich selbst verloren haben. Also lebt er weiter am Rande dieses Gefühls, für das er keinen Namen hat. Wenn er von jenen Jahren träumt, ist der Tom, der sie durchlebt und Blut an seinen Händen hat, ein etwa achtjähriger Junge. Ein kleiner Junge, der sich gegen Männer mit Gewehren und Bajonetten zur Wehr setzen muss und dem es zu schaffen macht, dass die Kniestrümpfe seiner Schuluniform verrutscht sind und er sie nicht hochziehen kann, weil er dazu sein Gewehr fallen lassen müsste. Und dabei ist er ohnehin kaum groß genug, um es zu tragen. Außerdem kann er seine Mutter nirgendwo entdecken“. (S. 13)
„Männer haben ihr Leben gelassen, nur damit ein paar Meter Schlamm als „unser“ anstelle von „ihrs“ bezeichnet werden konnte – um sie am nächsten Tag wieder zu verlieren“. (S. 55)
Australien, 1920er Jahre. Nach traumatischen Erfahrungen im 1. Weltkrieg lässt sich der Kriegsheimkehrer Tom Sherbourne zum Leuchtturmwärter ausbilden und bekommt nach wenigen Jahren eine feste Stelle auf Janus Rock, einer abgelegenen (und fiktiven) Insel vor der Küste Australiens. Tom verfolgt seine Arbeit sehr akribisch und effizient: die Verantwortung und sein genau strukturierter Alltag scheinen ihm zu helfen, mit den ihn weiterhin verfolgenden schrecklichen Kriegserlebnissen fertigzuwerden.
„Er richtete sich zu voller Größe auf, suchte sich einen Fixpunkt an der Tür des Leuchtturms – ein gelockertes Scharnier – und beschloss, damit anzufangen. Mit etwas Greifbarem. Er musste sich mit etwas Greifbarem befassen, denn wer konnte wissen, wohin sein Verstand und seine Seele sonst geweht werden würden wie ein Ballon ohne Ballast. Nur so hatte er vier Jahre Blut und Wahnsinn überstanden: Wenn man im Schützengraben einnickte, musste man wissen, wo seine Waffe lag; immer die Gasmaske kontrollieren; sichergehen, dass die Untergebenen ihre Befehle bis auf den letzten Buchstaben verstanden hatten. Man dachte nicht in Kategorien von Jahren oder Monaten, sondern nur an diese Stunde und vielleicht die nächste. Alles andere war Spekulation.“ (S. 37. Alle Zitate beziehen sich auf die E-Book-Version)
Auf Landurlaub lernt er Weiterlesen →
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