Eine piefige Kleinstadt irgendwo in der Kölner Bucht in den 1970er Jahren. Hier lebt Raul, der wegen seinem Faible für die Band Roxy Music den Spitznamen Roxy trägt. Der 18jährige Analphabet hat die Schule geschmissen, weiß trotzdem aufgrund seiner Radioleidenschaft unheimlich viel, jobbt als Hilfsarbeiter und versucht alles, um der Einberufung zur Bundeswehr zu entkommen, bis er schliesslich als Zivildienstleistender in einem Krankenhaus landet. Seine Mutter verschleisst seit Jahren einen Liebhaber nach dem anderen. Roxy verliebt sich als Handlanger einer Baufirma ohne Chancen in Sonja, die Tochter des reichen Fabrikanten Kessler, der Roxy vor kurzem wegen Faulheit aus der Firma geworfen hat und mit ihm wenig später scheinbar sterbenskrank eine folgenreiche Wette eingeht.
Dann ist da noch die extrem linksorientierte Zippi, die Roxy mit Hilfe von Kafkas Texten an erste Schreibübungen heranführt und ihn bei sich wohnen lässt. Zu Roxys Umfeld gehört auch Schuppe, der seinen leeren Geldbeutel aufzufüllen versucht, indem er seinen Balkon an Spanner vermietet. Inmitten einer scheinbar heilen Welt spielt sich das Leben von Roxy ab, einem Außenseiter, der sich durchs Leben schlägt und auf einmal verdammtes Glück hat.
Dietmar Sous gelingt mit Roxy ein literarisches Roadmovie der Extraklasse: rasend und in einer starke Bilder erzeugenden Sprache erzählt, changiert es zwischen lakonischem Witz und leiser Melancholie, zwischen Rauhheit und der authentischen Atmosphäre der 1970er Jahre zwischen Anti-AKW-Bewegung und RAF-Fahndungsplakaten, David Bowie und Minirock, Ernte 23 und dem jungen Männern allgegenwärtig drohenden Dienst an der Waffe.
Rasch wächst einem der Antiheld Paul alias Roxy ans Herz, den Sous so überaus lebendig zu entwickeln weiss und in einen Kosmos schräger Vögel und kleinbürgerlicher Subjekte setzt, um ihm am Ende fast schon märchenhaftes Glück zukommen zu lassen. Dabei gelingt Sous ein zeitkritischer Blick zurück ohne jegliche Vorwurfshaltung, sondern aus der Sicht eines amüsiert sich erinnernden Zeitzeugen. Man darf vermuten, dass „Roxy“ stark autobiografisch gefärbt ist, was dem Lesevergnügen jedoch keinen Abbruch tut.
Wer „Pampas Blues“ von Rolf Lappert mochte oder „Ist schon in Ordnung“ von Per Petterson und ein Herz hat für Außenseiter und Unangepasste, wird schnell von Dietmar Sous Buch gefesselt sein und damit von einem Autor, dem man weitaus mehr Aufmerksamkeit wünschen würde. Verdient hätte er sie allemal.