Alle im Wunderland : Verteidigung des gewöhnlichen Lebens / Matthias C. Müller

„Wie auf einmal die Straße – in einem Coup der frühen Tage – wieder zu einem begehrenswerten Ort, zu einem Platz im Sinne der Lichtung wurde! Lichtung in der Zeit. Kinder spielten wieder Murmeln, hüpften Seil und gingen auf Stelzen“.
(Botho Strauß, Vom Aufenthalt, a.a.O., S. 44)

Eine Streitschrift für das „gewöhnliche Leben“? Eine Buch, in dem der negativ besetzte Begriff „Spiesser“ einmal positiv gewendet und dem allgemein als langweilig empfundenen Alltag Glückspotentiale zugeschrieben werden? In Zeiten der Selbstoptimierung, des allgemeinen Starkultes, des Arbeitens von einem Projekt zum nächsten und der gesamtgesellschaftlich verankerten Haltung, immer das Maximum aus allem und vor allem aus sich selbst herausholen zu wollen, in einer Zeit, in der so lange gesucht wird, bis endlich der Weiterlesen

Irrtum Unser! oder Wie Glaube verstockt macht / Peter Henkel

Wenn es um Zeus, Apollo, Ra, Wotan, das Goldene Kalb oder das Fliegende Spaghettimonster geht, sind Sie doch auch ein Atheist. Ich setze eben nur einen weiteren Gott auf die Liste. (Richard Dawkins. Zitiert nach: Irrtum unser!, S. 174)

Peter Henkel fiel bereits mit dem scharfsinnigen Ach, der Himmel ist leer – Lauter gute Gründe gegen Gott und Glauben ausgeprochen positiv auf, in dem er fundiert die Gottesfrage diskutiert und schlüssig nachweist, dass auch ohne Gott und Religion moralisches, sinnhaftes Leben in eben diesem einen, endlichen Leben möglich und lebenswert ist, ohne auf eine jenseitige Erlösung hoffen zu müssen.

Ohne Gottesglauben ist die Welt bitter. Mit Gottesglauben ist die Welt bitter und absurd. (Johannes Kahl, a.a.O. S 7)

„Irrtum unser!: Wie Glaube verstockt macht“ diskutiert auf hohem Niveau die Verweigerungshaltung von vielen Gläubigen, über Glauben und Glaubensbegründungen jedweder Art ernsthaft Weiterlesen

Überlebenskünstler in der Tierwelt : das Skizzenbuch von Martin Knowelden

Ein Mauersegler, der auf dem Boden liegt und auch noch winzige Parasiten auf dem Leib hat? Dem muss man doch bestimmt helfen, die Parasiten entfernen und ihm dann den Start erleichtern?

Weit gefehlt. Zwar kann man einem Mauersegler, der gegen ein für ihn nicht sichtbares Hindernis geflogen und abgestürzt ist, tatsächlich den Weiterlesen

Meine Bar in Sansibar : durch Ostafrika zu den Quellen des Nil / Richard Grant

„Ich verstand die Studien, denen zufolge die Afrikaner südlich der Sahara stets als die optimistischsten Menschen mit der geringsten Selbstmordrate eingestuft wurden. Für das Krankheitsbild der Depression gibt es in den meisten afrikanischen Sprachen kein Wort. Die Alternative zum Optimismus war hier nicht Pessimismus, sondern Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, und damit konnte man sich und seine Kinder nicht ernähren.“

Nach der Teilnahme an einer Expedition den Sambesi entlang den Spuren Livingstones entlang wendet sich der britische, in Amerika lebende Journalist erneut Ostafrika zu, fasziniert von der Landschaft und den Menschen. Er will den Fluss Malagarasi, wenig erforscht und unzugänglich, von der Quielle bis zum Tanganjikasees entlangpaddeln und damit geografisches Neuland beschreiben. Landeskundige warnen ihn vor der Weiterlesen

Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln : was wir von Tieren über Physik lernen können / Martin Puntigam, Werner Gruber, Heinz Oberhummer

Wir sehen mehr, als es zu sehen gibt. […] Also Obacht! Es geht hier um Zusammenhänge, die wir unbewußt herstellen. Weil unser Gehirn so funktioniert, wie es funktioniert, und wir deshalb glauben wollen, was wir glauben wollen. Und bei Betrügereien und Scharlatanerien wie Astrologie, Homöopathie, Religion und Ähnlichem wird genau aus diesem menschlichen Bauartfehler vorsätzlich und bewußt Gewinn gezogen. (S. 49-50)

Wir Menschen bilden uns ja immer recht viel auf unsere Fähigkeiten ein. Und in der Tat ist es sicher kein Spaß, Tier zu sein in einer Welt, die von Menschen dominiert wird. Aber Puntigam, Gruber und Oberhummer geht es in ihrem Buch natürlich um mehr, denn sie möchten uns anhand zahlloser skuriller oder verblüffender Weiterlesen

Das Lächeln der Vergangenheit / Barbara Hodgson

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Lydia und ihr Freund Christopher reisen oft gemeinsam. Im Frühjahr verschlägt es sie fast wie zufällig nach Marokko. Während Christopher immer wieder die Gelegenheit nutzt, gezielt Antiquitäten für seine Kunden in der kanadischen Heimat zu suchen, fotografiert Lydia und sammelt alles, was sie findet – wie Eintrittskarten, Busfahrscheine, Zeitungs- und Buchausschnitte – und verbindet sie zusammen mit ihren subjektiven Eindrücken und halbdokumentarischen Notizen in ihrem Tagebuch zu einem Protokoll ihrer Reise.

Doch schon in Tanger geschieht Seltsames: scheinbar wird sie im Hotel von Flöhen gebissen. Doch auf ihrer linken Hand beginnen sich seltsame Linien und Zeichen zu bilden, die Weiterlesen

Sacks, Oliver: Onkel Wolfram : Erinnerungen

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Wer die Bücher von Oliver Sacks liest, merkt zweierlei: der Mann kann erzählen und er verfügt über ein leidenschaftliches Interesse daran, Zusammenhänge, Ursachen und Hintergründe zu verstehen. Wer wiederum „Onkel Wolfram“, Sacks Erinnerungen an seine Kindheit in London, liest, weiss am Ende, warum Weiterlesen

Das grosse Los : wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr / Meike Winnemuth

Was würden Sie tun, wenn Sie unverhofft zu einer Menge Geld auf dem Konto kommen? Vielen kommen dabei in unserer konsumgierigen Zeit durchaus immaterielle Wünsche in den Sinn wie etwa ein Jahr Auszeit zu nehmen von ihrem alltäglichen Leben, ihrem Beruf, und diese Zeit intensiv für sich selbst zu nutzen. Die Journalistin Meike Winnemuth, die 2010 bei „Wer wid Millionär“ eine halbe Million € gewann, hatte während des Spiels spontan den Gedanken geäußert, ein Jahr aus Deutschland rauszugehen und jeden Monat in einer anderen Stadt zu wohnen. Ungläubig stellt sie fest, dass die leicht dahingesagten Worte plötzlich etwas unerhört Reales bekommen haben.
Winnemuth vermietet daher ihre Wohnung unter, packt ihren für die Arbeit unterwegs benötigten Laptop ein und einen relativ kleinen Koffer mit dem Nötigsten. Dann geht es los: nach Weiterlesen

Doktor Oldales geographisches Lexikon / John Oldale

„Wie bitte? Einzelnen Kugeln ausweichen? Die könnten nicht mal einen Elefanten aus solcher Entfernung treffen“

(Letzte Worte von Generalmajor John Sedgwick, dem ranghöchsten Todesopfer der Union im amerikanischen Bürgerkrieg)

Geografische Lexika zeichnet meistens aus, hochverdichtet Informationen, Datenund Fakten zu Ländern und Regionen zu liefern, dabei je Land ein vorgebenes Raster abzuarbeiten von möglichen geschichtlichen Aspekten bis hin zu Geologie, Wirtschaft, Politik, Religion, ja womöglich bis zur Alphabetisierungsquote und dem Anteil von Datteln oder elektroporösen Kugellagern am Export. Das ist interessant – aber manchmal auch sehr ermüdend, vor allem, wenn man vielleicht aufgrund mangelnden Lesestoffes eigentlich das ganze Lexikon lesen möchte und nicht nur einzelne Artikel zur gezielten Information.
Doktor Oldales geographische Lexikon ist da anders. So erfahren wir unter dem Stichwort „Antarktika“, dass Pinguineier nach dem Kochen ein leuchtendes Orangerot beim Eigelb aufweisen und wenig appetitlichen Weiterlesen

In den Bergen der Kopfjäger : Indiens wilder Nordosten / Peter van Ham

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Der aufgrund seiner Forschungsarbeiten über Indien international anerkannte Peter van Ham bereist seit vielen Jahren die hierzulande kaum bekannte Region der „Sieben Schwestern Indiens“: im Nordosten des Subkontinents gelegen, zeichnen sich diese nahezu vergessenen Bundesstaaten zwischen Tibet und Burma, die lange Sperrgebiet war, nicht nur durch ihre urtümlichen, schwer Weiterlesen

Ziegen : freundliche Querköpfe / Lutz Schiering

Eine Ziegenbuchrezension auf Jargsblog? Wandelt sich Jargsblog zum Nututierblog, zum Blog der Freunde von Capra aegagrus hircus, einer Gattung der Hornträger (Bovidae). Dies ist nicht unbedingt zu erwarten, aber ich muss zugeben, dass dieses wunderbare Buch über Ziegen in mir schon den vagen gedanken aufkommen liess, zum Ziegenhalter zu mutieren. Ein Gedanke, der vielleicht gar nicht so abgwegig ist, seit auf Initiative der besten Ehefrau von allen ein Islandpferd zur Familie gehört.
Zum Buch: Schiering unternimmt mit seinem Buch einen Parforceritt – nein, nicht auf der Ziege, sondern durch die Weiterlesen

Kleines Lexikon der Reise-Irrtümer / Nele-Marie Brüdgam

Mythen, Mißverständnisse und Irrtümer über das Reisen gibt es ebenso viele wie es Bücher über das Reisen gibt: manche Irrtümer sind verzeihlich, gehören in den Bereich des Gerüchtes, des Klischees oder der Halbwahrheit, andere kann man nur noch als gefährlich, massiv irreführend und manchmal auch schlichtweg als dümmlich bezeichnen. Die lange Liste der Reise-Irrtümer im Buch der 1967 geborenen Reisejournalistin Nele-Marie Brüdgam reicht unter anderem vom Azorenhoch und der Bahn als Ärgernis und zugleich umweltfreundlichstes Verkehrsmittel über die stets und immer helfenden deustchen Botschaften, die sichersten Plätze im Flugzeug, das Internet als zuverlässige Quelle zur Gesundheitsinformation bis hin zum idealen, vom unfangreichen heimischen Koffer- und Taschenvorrat zu untertützenden Weiterlesen

Wie soll ich leben? oder Das Leben Montaignes in einer Frage und zwanzig Antworten / Sarah Bakewell. Aus dem Englischen von Rita Seuß

„Wir bestehen alle nur aus buntscheckigen Fetzen, die so locker und lose aneinanderhängen, dass jeder von ihnen jeden Augenblick flattert, wie er will“ (aus: Montaigne: Essais. Ziziert nach Bakewell, Sarah: Wie soll ich leben?, S. 312).

Bei der Lektüre der letzten Monate ist mir Montaigne immer wieder begegnet, etwa in Stephen Greenblatts fulminantem Buch „Die Wende : wie die Renaissance begann“. Doch noch immer habe ich die Essais von ihm noch nicht gelesen, obwohl ich das sichere Gefühl habe, dass sie eine unvergessliche Lektüre bereiten werden.
Sarah Bakewell hat sich Montaigne und damit den Essais auf ungewöhnliche Weise angenähert und macht damit einmal mehr Lust, diesen von jeder Generation neu und anders für sich entdeckten Autor und sein berühmtes Werk endlich zu lesen. Dabei gelingt es ihr auf bemerkenswerte Weise, den Leser intensiv und plastisch in das Leben Montaignes und in seine Zeit zu entführen und gleichzeitig in die Essais einzuführen, in ihre Entstehungsgeschichte, ihre verschiedenen, umfänglich wachsenden Ausgaben, die Verleger und Herausgeberkontroversen in den Jahrhunderten nach Montaignes Tod sowie ihre Rezeption bis in die heutige Zeit.
Gerade beim säkularen Skeptiker und Humanisten Montaigne ist das Werk von seinem Leben und seiner für seine Zeit besonderen Art, die Welt zu betrachten, kaum zu trennen. Die Essais, die zugleich einer neuen Literaturgattung ihren Namen gaben, sind geprägt von Weiterlesen

Gebrauchsanweisung für die Welt / Andreas Altmann

„Reisen verblödet. Das ist so wahr wie das Gegenteil. Weil so mancher darauf besteht, nur das zu sehen, was er bereits weiß. Zu wissen glaubt. er umrundet zehn Mal den Globus und landet immer wieder als derselbe Ignorant, als der er vor Urzeiten von Bord gegangen war. Das ist wie mit einem Kind, das zur Schule geht. Passt es nicht auf, wird es nichts lernen. Nie. Nicht anders der Erwachsene, der die Welt besucht. Er muss es achtsam tun, erpicht, er muss hungern und dürsten nach Wissen und Weisheit, nach allem, was herzugeben sie bereit ist. Hinschauen reicht nicht. Wie das (wache) Kind muss er fragen, fragen, fragen. Tut er das hartnäckig genug, wird er begreifen, dass wir – er und die vielen anderen – uns ziemlich ähneln. Und: dass wir uns gleichzeitig gewaltig voneinander unterscheiden. Das macht den Reichtum der Welt aus.“

Nicht selten findet man unter den „Gebrauchsanweisungen“ aus dem Piper-Verlag wahre reiseliterarische Preziosen: so eine ist die „Gebrauchsanweisung für die Welt“ von Andreas Altmann, die man jedem in die Hand drücken sollte, der sich aufmacht, unseren blauen Planeten zu bereisen und zu entdecken.
Altmann schreibt über den Weiterlesen

Tatsache Evolution / Ulrich Kutschera

„Nichts in der Biologie ergibt einen Sinn, außer im Lichte der Evolution“ (Theodosius Dobzhansky, zitiert nach a.a.O., E-Book-Ausgabe, S. 376)

Während meiner Testreihe zu E-Book-Readern entdeckte ich in der „Onleihe zwischen den Meeren“ das lesenswerte Buch „Tatsache Evolution“ von Ulrich Kutschera, dessen gehaltvoller Lektüre ich mich nicht mehr entziehen konnte:
Die Bedeutung von Charles Darwin für die Befreiung der Wissenschaft von theologischen Fesseln und für die Begründung der modernen synthetische Evolutionstheorie kann heute gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Evolution wird in der seriösen Wissenschaft aufrgund der evidenten Belege heute als Tatsache betrachtet und die synthetische Evolutionstheorie als Weiterentwicklung und Korrektur der Ansätze für Darwin und anderen zur Erklärung der Entstehung und laufenden Entwicklung des Lebens kontinuierlich verbessert, ausdifferenziert und ergänzt:

„Heute stehen folgende auf Darwins Thesen-System basierende Befunde fest. Alle Organismen entwickelten sich im Zuge realhistorischer Abstammungsprozesse (Evolution) aus bakteriellen Ur-Formen; der Artenwandel vollzog sich in der Regel graduell, obwohl es im Verlauf der Erdgeschichte Evolutions-Schübe gegeben hat. […] Die von Darwin (1859/1872) postulierte Vervielfachung der Arten im Verlauf der Erdgeschichte (Diversifikation) ist. z. B. bei den Trilobiten, Käfern, Säugetieren und Blütenpflanzen eindeutig belegt und die von Darwin und Wallace (1858) erstmals im Detail vorgestellte natürliche Selektion hat alle diese Evolutionsprozesse in entscheidendem Maße vorangebracht.“ (a.a.O., S. 373)

Kutschera weist aber auch auf die neuesten Erkenntnisse etwa der Makroevolution oder von Konstantin Mereschkowsky begründeten Symbiogenese hin. Am Beispiel u.a. des Elefantenzahns weist er nach, dass die Natur mitnichten perfekt entwickelte Organismen hervorbringt und stellt der irrationalen Lehre vom Intelligent Design (Kreationismus) zusätzlich die erdrückenden Belege für die realhistorischen Prozesse der Evolution entgegen. Ausführlich geht er auf die verschiedenen Erdzeitalter, auf Evolutionsschübe und der Einfluss einer dynamischen Erde auf die Ausformung und Entwicklung von Lebensformen ein.

»Zu Zeiten Darwins war die Evolution eine Hypothese. Heute kann sie als erwiesen betrachtet werden.« (Theodosius Dobzhansky, a.a.O., S.

Trotz des immensen Fachwissens, das sich hinter Kutscheras Zeilen spüren lässt, gelingt es ihm, sein Thema anregend und mit wissenschaftshistorischen Reminiszenzen angereichert zu vermitteln. Dabei setzt er den Fokus auf Charles Darwin und seine Forschungen, zieht aber den Bogen über die Aktualisierungen bzw. Bestätigungen seiner Theorien, die Ansätze anderer Wissenschaftler bis hin zum heutzutage schier unüberschaubaren, weil stark ausdifferenzierten Forschungsgebiet der Evolutionsbiologie.
»Zu Zeiten Darwins war die Evolution eine Hypothese. Heute kann sie als erwiesen betrachtet werden.« Theodosius Dobzhansky
Ein Sachbuch für den interessierten Laien, das anregt, sich mit dem faszinierenden Thema Evolution und der Geschichte unseres Lebens und unserer individuellen biologischen Existenz zu beschäftigen, die mehrere Milliarden Jahre alt ist.

Das Sonnensystem : eine Entdeckungsreise … / Marcus Chown

Bereits 2010 veröffentlichte die Edition Fackelträger ein das aussergewöhnlich schöne Sachbuch „Die Elemente“ von Theodore Gray. Daher waren die Erwartungen an das vorliegende, etwas größere Dimensionen betrachtende Sachbuch entsprechend hoch – und sie wurden nicht enttäuscht.
Der britische Physiker Marcus Chown liefert mit dem vorliegenden Titel ein Weiterlesen

Das hier ist Wasser : Anstiftung zum Denken ; [This is water] / David Foster Wallace

„There are these two young fish swimming along and they happen to meet an older fish swimming the other way, who nods at them and says, ‚Morning, boys. How’s the water?‘. And the two young fish swin on for a bit, and the eventually one of them looks over at the other and goes, ‚What the hell is water?'“ (S. 39)

Wir alle leben in unseerem „winzigen, schädelgroßen Königreich“ und sind in unserer Grundeinstellung geneigt, uns für den Mittelpunkt des Universums zu halten. Unseres Universums. So können wir geneigt sein, jeden Tag zu leben in der Welt des „Siegens, Leistens und Blendens“ und nehmen für Freiheit, was eigentlich nur noch aus den immer gleichen Abläufen besteht, die wir täglich neu durchlaufen: äußerlich lebendig doch innerlich tot.
David Foster Wallace plädiert in dieser 2005 gehaltenen Abschlussrede vor Absolventen eines amerikanischen Colleges, aus diesen Weiterlesen

Jargsblogs Beste 2012: Sachbücher

Auch bei den Sachbüchern gab es in diesem Jahr einige bemerkenswerte, anregende und schöne Lektüren, die an dieser Stelle keinesfalls fehlen sollten. Die Auswahl ist auch hier nicht einfach: aus den auf Jargsblog rezensierten Büchern habe ich letztlich zehn ausgewählt, die mich in diesem Jahr besonders beschäftigt und begeistert haben:


Den Blick für die Natur um uns herum in Stadt und Land schärft das hervorragend illustrierte und schön edierte „Naturgenies : die verblüffenden Tricks der Tiere und Pflanzen“, das nicht nur eine kleine Einführung in die Entstehung und den Aufbau allen Lebens bietet, sondern mit einem Weiterlesen

Knast / Joe Bausch

Die meisten kennen ihn als Rechtsmediziner Dr. Roth aus dem Kölner Tatort. Aber Joe Bausch ist nicht nur Schaupieler mit einiger Theater- und Fernseherfahrung auch abseits des Fernsehkrimis, sondern auch studierter Mediziner und als solcher seit 1986 Gefägnisarzt in der Justizvollzugsanstalt Werl.
In „Knast“ berichtet er von seinem Alltag als Gefägnisarzt in Werl. Wer jetzt reisserische Geschichten aus der harten Welt des Strafvollzugs erwartet hat, wird sich enttäuscht sehen. Zwar nimmt Bausch kein Blatt vor den Mund und beschreibt Weiterlesen

1913 : Der Sommer des Jahrhunderts / Florian Illies

Zunächst erwartet man von einem Buch mit dem Titel „1913“ vielleicht ein klassisches Geschichtsbuch, dass sich historisch-analysierend mit dem einen Jahr vor der ersten großen Katastrophe des 20. Jahrhunderts in Form des Ersten Weltkrieges befasst. Doch bereits die Gestaltung des Titels, der eine impressionistische Fotografie des Farbbildpioniers Heinrich Kühn zeigt, verweist uns zusammen mit dem Untertitel „Der Sommer des Jahrhunderts“ darauf, dass dieses Buch einen anderen Schwerpunkt, eine andere Darstellungsform suchen könnte als die faktenreiche historische Aufarbeitung.
Und so ist es auch: Florian Illies entführt uns mit seinem Buch in ein Jahr, in dem das 20. und das 19. Jahrhhundert auf bemerkenswerte Weise begegnen, sich Weiterlesen

Momentum / Roger Willemsen

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„Jeder, der in der Nacht trunken über das Kopfsteinpflaster nach Hause geht und den Schatten betrachtet, der vor ihm nach Hause schwankt, und die Häuserwände, die zu beiden Seiten aufragen und die schlafenden Brüstchen der Vögel fühlt, die unter den Dachvorsprüngen sitzen, wie sie sich heben und senken und so weiter, der muss sich sagen, das bist du schon lange nicht mehr, sondern es ist die mitgeführte Vorstellung deiner selbst, du Geisel einer Neigung, in Sätzen zu sehen. Doch dann hat die Nachtbäckerei schon geöffnet, ich trete, satt wie ich bin, in den warmen Geruch des Gebäcks, kaufe zwei heiße Brioches und habe das Fassbare gleich als schmelzenden Zuckerguss an meinen Fingern“ (Roger Willemsen: Momentum, S. 249)

Es gibt Bücher, bei denen es schwer fällt, sie einem Genre zuzuordnen, Bücher, denen die mehr oder weniger passende Schublade, in die man sie aus verständlichen, menschlichen Erwägungen nach Einteilung und Verständnis der Welt heraus geneigt ist zu stecken, nicht gerecht wird. Nun gibt es eine Menge Bücher, bei denen das Weiterlesen

Afrika : mit dem Fahrrad in einer andere Welt / Joachim Held

Afrika und insbesondere der afrikanische Westen und Zentralafrika sind für viele von uns Terra incognita: die Nachrichten, die wir aus Afrika erhalten, zeichnen das Bild eines armen, von Gewalt, Ausbeutung und Korruption geprägten Kontinents. Der Journalist, Autor und erfahrene Tourenradler Joachim Held, der mit dreizehn Jahren seine erste Fahrradreise durch Südfrankreich machte, radelt im August 2008 in Deutschland los mit dem vagen Ziel, nach Afrika zu fahren. Ohne seinen Weg Weiterlesen

Just my type : ein Buch über Schriften / Simon Garfield

Schrift: Wenn sie gut ist, fällt sie uns nicht auf, hält sich dezent im Hintergrund und erleichtert uns das Lesen, ja eventuell hat sie mit ihren Schriftzeichen auf subtile Weise eine Verbindung zum Text, dessen Inhalt und Bedeutung. Doch leider gibt es auch Schriften, die sich Weiterlesen

NaturGenies : die verblüffenden Tricks der Tiere und Pflanzen / Bruno P. Kremer ; Bärbel Oftring

Es gehört zu den besten Eigenschaften von Büchern, wenn sie es schaffen, uns die Augen zu öffnen und unseren Blick zu schärfen für Dinge, die wir für selbstverständlich nehmen oder zu übersehen neigen. „NaturGenies“ ist so ein Buch, denn es gelingt den Autoren dieses hervorragend illustrierten und ansprechend gestalteten Buches, uns auf die kleinen und großen verblüffenden Phänomene und Überlebensstrategien der mitteleuropäischen Tier- und Pflanzenwelt aufmerksam zu machen.
Nach einer Einführung in Flora und Fauna und die fünf Reiche des Lebens (Pflanzen, Tiere, Pilze, Protisten und Prokaryota), in die Stoffkreisläufe, Lebensräume und die Rolle der Evolution geht das Buch mit uns Weiterlesen

Jenseits von Gut und Böse : warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind / Michael Schmidt-Salomon

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„… gerächt ist nicht gerecht, Rache nicht Gerechtigkeit … Je primitiver ein Mensch, je ahnungsloser, unbelehrter, und sei er noch so gelehrt, desto lauter das berüchtigte Rübe-ab-Gebrüll, ohne tieferes Verständnis für die Gründe und Abgründe eines jeden von uns, des Glücklichen wie des Unglücklichen“.
(Karlheinz Deschner, 2004, zitiert nach: Jenseits von Gut und Böse, S. 277)

Wir alle kennen das: jemand hat etwas getan, das unseren Vorstellungen zuwiederläuft, und schon ordnen wir ihn als „böse“ ein. Ob es ein schlechtgelaunter Mensch ist, ein Straftäter, ein Terrorist oder ein Demagoge. Wir sind gewohnt, in Kategorien von „Gut“ und „Böse“ zu denken und daraus fast zwingend Schuld, Strafe und Sühne – mithin: Rache – abzuleiten. Ohne Moral, so denken wir, ohne diese Zuweisung von „Gut“ und „Böse“ geht es nicht. Aber gibt es DAS „Böse“ überhaupt. Und ist es so klar zu definieren, wie wir meinen? Können wir überhaupt so handeln, wie wir wollen, ja können wir wollen, was wir tun? Ist ein Mensch wirklich schuldig, wenn er etwas „Falsches“ tut. Ist es richtig, wenn eine Zeitung bei einer drastischen Mordtat vom „bösen“ Täter spricht? Wer bestimmt, was richtig und falsch ist – und ist das immer und zu jedem Zeitpunkt, von jedem Standpunkt aus klar? Muss es Schuld geben und Sühne für gesellschaftlich nicht akzeptables Verhalten, muss es von religiösen ode politischen Dogmenbestimmte Moralvorstellungen geben, damit Menschen überhaupt miteinander leben können? Oder gibt es einen anderen Weg? Einen Weg, der die Menschheit zugleich freier macht von moralinsauren Wertediskussionen und überkommenen Schuldkomplexen und zugleich zur Weiterentwicklung der Gesellschaft und des Individuums beiträgt?

In seinem Hauptwerk „Jenseits von Gut und Böse“ wendet sich Michael Schmidt-Salomon zunächst gegen das archaische Denkmuster von „Gut und Böse“, das die Existenz beider Kategorien als gegeben voraussetzt und daraus die moralischen Konsequenzen wie „Schuld“ und „Strafe“ ableitet. Dem Beharren vieler Menschen auf der Unterscheidung und Kategorisierung von „Gut“ und „Böse“ geht dabei die irrige Annahme voraus, dass der Mensch als einziges Lebewesen über einen freien Weiterlesen

Kunst versteht keine Sau … / Sandra Danicke

Moderne Kunst kann rätslehaft, verstörend, beunruhigend sein: Eine Frau mit Omakittelschürze hält eine Schüssel vor sich und wird von Kartoffeln umschwirrt. Ein riesiger Riss spaltet den Boden der Londoner Tate Modern und verunsichert die Besucher. Ein ausgeleuchteter Showroom mit Prada-Schuhen steht mitten in der texanischen Wüste. Eine leere, verschlossene Ladengalerie, in der die zur Eröffnung geladenen Besucher durch die Schaufenster nur die hinter einer Wand hervoragenden Beine eines auf den Boden liegenden Mannes sehen können. Eine schmutzige, nachthemdbekleidete Frau in einem Blumenfeld, dass sich wiederum in einem schummerigen Zimmer befindet …
Sandra Danicke zeigt am Beispiel Weiterlesen

Neues vom Nachbarn : 26 Länder, 26 Menschen / Oliver Lück

„Dies ist nicht das Ende, aber auch kein neuer Anfang. Es liegt irgendwo dazwischen […] Vielleicht ist jeder Anfang aber auch das Ende von dem Vorhergehenden, wer weiß das schon. Oder jeder Anfang ist einfach bloß der Anfang und das Ende einfach bloß das Ende – das kann auch sein“ (David Ronaldo, Clown, Belgien)

Alle Welt redet derzeit von Europa: leider jedoch wird das Thema meist verkürzt auf die Streitereien zum Thema Euro und auf billige Witzchen über die Friedensnobelpreisverleihung an die EU. Bei aller auch berechtigten Kritik an der zu raschen Erweiterung des EU- und Euro-Raums, an der Wirtschafts- und Finanzpolitik, der überbordenden Brüsseler Bürokratie und der fehlenden demokratischen Legitimation Europas verkürzt sich der Blick dadurch jedoch unzulässig. Denn Europa ist mehr als der Euro, mehr als Straßburg & Brüssel.
Der Journalist und Fotograf Oliver Lück und sein Hund Locke, ein Hovawart, machen sich in einem alten VW-Bus T3 auf den Weg: über 20 Monate und 50.000 Kilometer reisen sie durch Europa, treffen einen baskischen Chillibauern, eine irische Geschichtenerzählerin, einen litauischen Bernsteinfischer, den estnischen Weltrekordhalter im Schaukeln, die norwegische Grenzgängerin und Extrembergsteigerin Cecilie Skog. Er entdeckt ein kleines italienisches Dorf, dass sich für einen selbständigen Staat hält und einen Weiterlesen

Durchs wilde Deutschland: von den Alpen bis zum Wattenmeer / Andreas Kieling

Deutschland gilt ja landläufig nicht gerade als Wildtierparadies. Wenn man wie der Autor dieser Zeilen ausserdem gerade aus dem eigentlich schönen Hohenlohe im Schwabenland zurückgekehrt ist und gesehen hat, wie wir auch dort unsere schönsten Landschaften mit hässlichen Gewerbegebieten zustellen, kann einem schon bange werden um die verbliebenen Landstriche, in denen noch wilde Pflanzen und Tiere zu entdecken sind.
Andreas Kieling, der bekannte und mehrfach ausgezeichnere Tierfilmer, der 2011 mit „Ein deutscher Wandersommer“ einen Bestseller über eine Wanderung längst der ehemaligen innerdeutschen Grenze landete, hat sich für eine ZDF-Produktion „Durchs wilde Deutschland“ begeben. Er streift durch die Alpen auf der Suche nach Steinböcken und Murmeltieren, taucht in trüben Flüssen nach den riesenhaften Welsen, begegnet in Großstädten wilden Tieren wie dem Biber und dem heutzutage selten Spatz. Mit spürbarer Faszination beschreibt er den Massenaufzug der Kraniche auf Zingst, wenn 40000 dieser großen Vögel auf ihrem Flug nach Süden rasten. Er folgt dem äußerst scheuen Weiterlesen

Gedächtnislücken / Egon Bahr ; Peter Ensikat

Der 1922 geborene Egon Bahr, der die Ostpolitik der Regierung Brandt maßgeblich geformt und mitgestaltet hat, und der 1941 geborene ostdeutsche Kabarettist und Schriftsteller Peter Ensikat lernten sich erst nach der Wende kennen und wurden zu Freunden. Beide hatten sie im jeweiligen deutschen Staat, in dem sie lebten, auf ihre Weise eine wichtige, intellektuelle Rolle inne.
Im April 2006 treffen sie sich über zwei Tage in einem Fernsehstudio, erzählen einander von ihrem Leben und kommen über ihre Biografien miteinander ins Gespräch über die deutsche Nachrkiegsgeschichte: das Gespräch wird zu einem Weiterlesen

Slow Motion : in 730 Tagen um die Welt mit Fahrrad, Zelt und Zeichenblock / Jens Hübner

Eine Reise um die Welt mit dem Ziel, „die Intensität der Langsamkeit“ zu erfahren: zwei Jahre nimmt sich der 1964 geborene Künstler und Diplom-Designer Jens Hübner Zeit, um mit dem Fahhrad die Welt zu umrunden. Allein auf dem Zweirad legt er dabei über 25000 Kilometer zurück, übernachtet zumeist im Zelt und setzt sich ausser dem Reiselimit von exakt zwei Jahren nur wenige zeitliche Beschränkungen auf. So verweilt er in manchen Orten länger, als er es zunächst geplant hat.
Während der Reise durch Osteuropa, Vorderasien, Indien, Südasien, Australien, Süd- und Nordamerika entstehen – und dies ein besonderes Merkmal von Hübners Reise – neben Tagebüchern auch Weiterlesen

Die Wende : wie die Renaissance begann / Stephen Greenblatt

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Immer wieder gibt es in der Geschichte der Menschheit Phasen, in denen wenige, zunächst gering erscheinende Ereignisse, Entscheidungen oder Entdeckungen weitreichende, nicht vorherzusehende Folgen haben. Dazu gehört auch die abenteuerliche Geschichte des antiken Lehrgedichtes „De rerum natura“ von Lukrez, das fast eineinhalb Jahrtausende verschollen war und ohne dessen Wiederentdeckung im Jahr 1417 es die Renaissance, wie wir sie heute in der Rückschau kennen, vermutlich nicht gegeben hätte und die Geschichte einen komplett anderen Verlauf genommen hätte. „Die Wende“ von Stephen Greenblatt beschreibt einen solchen magischen Moment in der Menschheitsgeschichte, aber auch die Entwicklungen, die im vorausgingen und ihm folgten:

Im 1. Jahrhundert vor Beginn unserer Zeitrechnung schreibt der römische Dichter, Philosophen und Epikureer Lukrez (Titus Lucretius Carus) das Lehrgedicht „De rerum natura“ (Dt.: Über die Natur der Dinge) auf Basis und in Verehrung der Naturphilosophie Epikurs.
Geschrieben in Hexametern, gliedert sich das Gedicht in sechs Büchern. Es befasst sich in den ersten beiden Büchern mit der Atomlehre in der Tradition Demokrits, beschreibt den Aufbau der Welt aus Atomen, die sich permanent bewegen und vorübergehende Bindungen eingehen, die unendliche Vielzahl von Welten sowie deren Vergänglichkeit. Im dritten Buch beweist Lukrez die Vergänglichkeit der Seele, die Weiterlesen

Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich / David Foster Wallace

Der Kreuzfahrtsektor boomt ja mittlerweile schon seit Jahrzehnten und fand mit auf debile Art heiteren, unsäglichen Serien wie „Love Boat“ oder „Traumschiff“ auch Einzug in die Populärkultur. Kreuzfahrten und damit die Reise auf einer Art schwimmenden Bettenburg mit Unterhaltungsvollversorgung scheinen für viele der ultimative Urlaubstraum zu sein.

Das war im Ansatz auch schon 1995 so, als der junge Schriftsteller David Foster Wallace kurz vor seinem Durchbruch als Romanautor von Harper`s Magazine den Auftrag bekommt, an einer siebentägigen Luxuskreuzfahrt auf dem Kreuzfahrtschiff Zenith der Celebrity Cruises teilzunehmen und anschliessend darüber zu berichten. Der nicht eben reisefreudige Wallace nimmt den repektabel entlohnten Auftrag an und schifft sich in Fort Lauderdale ein.

In seinem Bericht über die einwöchige Reise Weiterlesen

Das Geräusch einer Schnecke beim Essen / Elisabeth Tova Bailey

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Die amerikanische Journalistin Bailey wird durch eine seltene Virusinfektion über Monate bettlägerig und nahezu bewegungsunfähig. Als eine Freundin ihr eine Topfplanze schenkt, entdeckt sie unter einem der Blätter eine Schnecke. Tagsüber zieht sich diese Schnecke zurück, um nachts dafür umso aktiver zu sein. Fasziniert von dem zarten Geräusch der Schecke beim Annage eines Blattes Papier beginnt die unter ihrem durch das Liegen eingeschränkten Gesichtsfeld leidende Bailey, der Schnecke und ihren Aktivitäten einen Großteil ihrer Weiterlesen

Sabbatical auf See : eine Familie setzt die Segel / Leon Schulz

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Wer hat nicht schon mal davon geträumt, eine Zeitlang aus dem hektischen Alltag auszusteigen? Leon und Karoline Schulz und ihre zwei Kinder haben beschlossen, diesen Traum wahr zu machen und trotz aller Abwägungen und Bedenken ein Jahr alles hinter sich zu lassen, ihre Wohnung zu verkaufen, ihre kleine Firma aufzugeben und mit ihrer Weiterlesen

Das entehrte Geschlecht : Ein notwendiges Manifest für den Mann / Ralf Bönt


Nein, dies ist kein Buch des Backlash, kein antifeministischer Hexenhammer, der einen rückwärtsgewandten Rundumschlag gegen durch die Frauenbewegung defintiv erreichte gesellschaftlichen Verbesserungen führt, auch wenn manche Rezensenten es dem Buch vergeblich nachzuweisen versuchen. Ralf Bönt zeigt dagegen in seinem Buch nüchtern und respektvoll auf, in welchen Bereichen auch die Männern durch die Frauenbewegung erheblich an Freiheit und Lebensqualität gewonnen haben. Aber er zeigt auch die Schattenseiten des gegenwärtigen Mannseins, geprägt durch eine drastisch kürzere Lebenserwartung, wesentlich höhere Selbstmordraten und eine auch von Männern gestützte gesellschaftliche Diskussion, die den Mann als minderwertig, gefährlich, gescheitert abqualifiziert.
Heftig übt er Kritik an den negativen, pauschalisierten Männerbildern, die dem Mann etwa den angeblichen Traum von der ewigen Verfügbarkeit der Frau unterstellen und an der Reduzierung des Mannes auf Weiterlesen

Achtung Baby! / Michael Mittermeier

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Wer hätte das gedacht, als Michael Mittermeier vor Jahren noch in „Zapped – Ein TV-Junkie knallt durch“ über Kinder sinnierte, die man aufgrund ihrer – sagen wir mal – negativen Eigenschaften am besten sofort wieder zurück in den Mutterbauch expedieren sollte. Im Jahr 2008 wurde er selbst Vater – und schrieb über diese erste Zeit an der Wickelfront einen Bestseller, in dem sich Weiterlesen

3000 Kilometer im Kanu durch Kanada und Alaska / Dirk Rohrbach

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Dirk Rohrbach lässt sich, beeindruckt durch Jack Londons Geschichten und inspiriert durch vorangegangene Reisen in nördliche Gefilde, faszinieren von dem Gedanken, den Yukon entlang zu paddeln – und damit eine Distanz von 3000 km in Angriff zu nehmen, die ihn bis in die Beringsee führen wird. Doch Rohrbach – Arzt, Radiomoderator mit Schwerpunkt Country-Musik und Vortragsreisender – möchte noch mehr: er möchte den Yukon mit einem richtigen Birkenrindenkanu befahren und dieses dazu auch noch selber nach alter Tradition bauen.
Der Weg zum selbstgebauten Kanu soll auch für ihn kein leichter sein, doch er findet Weiterlesen

Menschenkinder : Plädoyer für eine artgerechte Erziehung / Herbert Renz-Polster

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„Wir müssen nochmal grundsätzlich über die´Kindheit nachdenken. Ist sie wirklich nur eine Strecke, auf der sich Kinder für ihren Job warmlaufen? Warum ist sie so schnell von einem Projekt der Kinder zu einem Projekt der Erwachsenen geworden? Warum halten wir es so schlecht aus, wenn unsere Kinder in ihren eigenen Welten leben? Ist das wirklich nur die Angst vor möglichen Gefahren?“ (Herbert Renz-Polster: Menschenkinder, S. 68).
Stellen Sie sich vor, sie würden in der Steinzeit leben. Würden Sie a) ihr Kind nachts am anderen Ende der Höhle schlafen lassen, damit Sie Ihre Ruhe haben, es b) einfach stehen lassen, wenn es zum Jagen und Sammeln geht und Sie partout keine Weiterlesen

African Queen: Ein Abenteuer / Helge Timmerberg

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Timmerberg reist wieder – doch diesmal nicht alleine, denn an der Seite seiner Freundin Lisa, die einem unwiderstehlichen Jobangebot in einer Lodge nachkommt, verschlägt es ihn nach Afrika und somit gleich in zwei Abenteuer: das der Liebe und das des Reisens. Da bleibt Spannung nicht aus – und so verschlägt es Timmerberg mal allein, mal mit Lisa an Orte, die nicht immer Sehnsuchtsziele sind, auf Weiterlesen

Die Endurance : Shackletons legendäre Expeditionen in die Antarktis / Caroline Alexander

Auch nach fast 100 Jahren beeindruckt die gescheiterte Antarktis-Durchquerung von Ernest Shackleton und seiner Mannschaft, die in Überwinterung und einer dramatischen Rettung endete.

Kurz vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges bricht Shackleton mit der Endurance auf, um die Antarktis zu durchqueren. Wenn einer das Zeug dazu gehabt hätte, dann Shackleton: im Gegensatz zu Scott, dessen Südpolexpedition dramatisch gescheitert war, schätze Shackleton die Umstände un Weiterlesen

Schlange stehen bei Jargsblog?

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Soweit ist es zum Glück noch nicht. Aber in Anbetracht der letzten vier Monate, in denen mehr Zugriffe auf Jargsblog zu verzeichnen waren als in den gesamten zwei Jahren davor, kommt Freude auf. Viele positive Rückmeldungen, Kommentare und Anregungen halten die Luust am Bücher- und Medienbloggen weiter wach. Fragt sich bloß: wer wird der 100. Abonnent von Jargsblog und was sagen die Pinguine in der Schlange dazu?

Babybeschiss : Wie Eltern über den Wickeltisch gezogen werden / Julia Heilmann ; Thomas Lindemann

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„Wohltuend anders und vor allem wohltuend ehrlich UND witzig“ – so urteilte Jargsblog über das erste Buch von Thomas Lindemann und Julia Heilmann (s.a. „Kinderkacke“). Die beiden Autoren, Eltern von mittlerweile zwei Kindern und Betreiber der Internetseite „Babybeschiss.de“, haben nun nachgelegt und beschäftigen sich in ihrem aktuellen Buch mit den Marketingtricks der Industrie, die gezielt die Unsicherheit von Eltern ausnutzt, mit ihren Ängsten und Weiterlesen

Homicide: Ein Jahr auf mörderischen Strassen / David Simon


Baltimore, Maryland, USA. Die bedeutende Hafenstadt hat in den 80er Jahren eine der höchsten Mordraten in den Vereinigten Staaten. David Simon, Journalist und über etliche Jahre als Reporter auf der anderen Seite des Polizeiabsperrbandes, überredet im Jahr 1988 das örtliche Policedepartment, ein Jahr lang als Polizeipraktikant die Arbeit der Mordkommission begleiten und beobachten zu dürfen. Er begleitet eine Reihe von Ermittlern zu Tatorten, Obduktionen, Krankenhäusern, Ermittlungen, Vernehmungen, Verhaftungen und Prozessen, taucht tief in das Team ein, um schliesslich fast ein – wenn auch nicht polizeilich handelnder – Teil davon zu werden. Simon stellt die Polizisten uznd ihren Alltag in den Mittelpunkt, dokumemtiert ihe Arbeitsweise, ihre Strategien, Taktiken und Tricks, um Morde aufzuklären, die Fehler, die sie dabei machen, die Umwege, die sie gehen müssen, aber auch die Weiterlesen

1200 Tage Samstag : Weltumsegelung mit Hippopotamus / Sönke Roever

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Auch wer kein Segler ist, kennt vielleicht diese Träume: ein Schiff besteigen, fortsegeln, fremde Küsten und Länder bereisen, Menschen aus anderen Kulturen begegnen. Sönke und Judith Roever beschliessen, von Hamburg bis nach Neuseeland zu segeln. Während Sönke Roever mit dem Segeln bereits einige Erfahrung hat, ist Judith Roever Neuling auf diesem Gebiet. Sie kündigen ihre Jobs und ihre Wohnung, lagern alles ein und kaufen ein Schiff, das groß genug ist für den Törn und „Hippopotamus“ getauft wird. Nach der Ausrüstung ihres mit einem kleinen Motor ausgestatteten Segelschiffes stechen sie 2007 in See und nehmen über den Weiterlesen

Sieben Welten – Seven Summits : Mein Weg zu den höchsten Gipfeln aller Kontinente / Geri Winkler

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Der 26 Jahre junge Geri Winkler bekommt 1984 die niederschmetternde Diagnose: Diabetes Typ 1. Die Ärzte machen ihm keine Hoffnung, dass er seine weitgreifenden Reiseträume jemals wird verwirklichen können. Im Gegenteil. Doch Geri Winkler gibt nicht auf. Auch nicht, als ihn knapp zwanzig Jahre später ein Krebsleiden ereilt …
Was klingt wie ein weiterer mehr oder weniger spannender, eher langatmiger Bericht eines Kranken, der es allen trotz gesundheitlichen Unbills mal so richtig gezeigt hat und dabei höhere Erkenntnisse über das Leben an sich und seines im speziellen gewonnen hat, ist doch anders – und sehr viel mehr: denn in „Sieben Welten – Sieben Summits“ treten die kaum erwähnten Beeinträchtigungen durch eine chronische Krankheit nicht nur in den Hintergrund, sondern kommen nahezu nicht vor.
Gerade dadurch aber überzeugt der Autor, denn er lässt uns an seiner Faszination für die Weiterlesen

Aus der Dunkelkammer des Bösen : neue Berichte vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt / Mark & Lydia Benecke

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Immer wieder stehen wir fassungslos vor brutalen Verbrechen – ausgeführt mit großer Gewalt, ob im Affekt oder geplant, kaltblütig oder in wilder Raserei – und fragen uns, wie ein Mensch zu solchen Taten fähig sein kann.
Mark Benecke, bekannter Kriminalbiologe mit etllichen Veröffentlichungen zur fornesischen Entomologie und Autor populärer Sachbücher zum Thema, beschäftigt sich zusammen mit seiner Frau, einer Psychologin, mit bekannten und weniger bekannten Fällen aus Vergangenheit und Gegenwart und zieht dabei den Bogen unter anderem vom hierzulande kaum bekannten amerikanischen Serienmörder Dr. Holmes über den österreichischen Serientäter Jack Unterweger bis hin zu den Fällen Kampusch und Fitzl. Die Bandbreite der Verbrechen reicht dabei von Weiterlesen

Jargsblog wird zwei Jahre alt …

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… und ist seit dem 5. Februar 2010 auf fast 600 Rezensionen von Büchern, Filmen und Musik gewachsen. Auch weiterhin gilt auf Jargsblog die radikale Subjektivität, gepaart mit der Vorliebe für das Besondere, Außergewöhnliche, vom Mainstream nicht selten entfernte – und was Jarg nicht mag, kommt hier nicht vor.

Tier zuliebe : Vegetarisch leben – eine Kostprobe / Birgit Klaus

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In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts zum Vegetarier zu werden, kam einer echten Herausforderung gleich: man musste sich permanent rechtfertigen, warum man auf Fliesch verzichte, sah sich den Selbstbeschwichtungen der Fleischesser mit schlechtem Gewissen („Ess ich auch nur ganz selten“) und der überzeugten Tierverzehrer („Ohne Fleisch hätte sich der Mensch nie so entwickelt“) ausgesetzt und bekam im Restaurant nicht selten Hühnchen als Vegetarisch angeboten – oder den viel beschworenen Gemüseteller, der mit einem halben Kilo minderwertiger Käsesahnesauce übergossen war. So jedenfalls erinnere ich mich an die Zeit, in der meine Entscheidung fiel, auf Tierstücke als Essen zu verzichten.
Das ist heute zum Glück anders und der Vegetarier, die Vegetarierin kein absoluter Exot mehr, das Kaleidoskop der kulinarischen Möglichkeiten ein wesentlich bunteres. Dennoch scheint es immer noch für viele Menschen ein Weiterlesen

Da steht mein Haus : Erinnerungen / Hans Keilson


Im April 2011 erschienen die Erinnerungen von Hans Keilson, des 1909 in Bad Freienwalde geborenen und 1936 aus dem nationalsozialistischen Deutschland in die Niederlande geflohenen Arztes und Schriftstellers. Keilson, in Deutschland wohl nur literarisch interessierten Menschen bekannt, erlangte mit seinen Romanen internationale Aufmerksamkeit und wurde 2010 von der New York Times als „one of the world’s greatest writers“ gefeiert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg behandelte er als Psychoanalytiker schwer traumatisierte jüdische Waisenkinder und wurde zudem Facharzt für Psychiatrie. Bereits 1990 begann er mit autobiographischen Aufzeichnungen, die zugleich eine Erinnerung an seine Jugend, aber auch einen Bericht über jüdisches Leben im Deutschland der ersten Jahrhunderthälfte, über den aufkeimenden Nazismus und den Weg ins Exil darstellen.
„Da steht mein Haus“ – unter diesem einfachen, kaum mehr als deskriptiven Titel sind seine in einem schmalen Bändchen herausgebrachten Erinnerungen erschienen. Und doch klingt bereits in diesem Titel einiges vom dem besonderen Ton an, den Keilson mit seinen Worten findet. Weniger die akribisch aufgezeichneten Details üblicher Autobiographien machen sein Buch aus: Keilson zeichnet sein Leben bis in die 40er Jahre gleichsam Weiterlesen