Atlas der Länder, die es nicht gibt : ein Kompedium über 50 nicht anerkannte und weithin unbekannte Staaten / Nick Middleton

Hätten Sie Sotschi, Austragungsort der Winterspiele 2014 in Zirkassien verortet? Haben Sie schon mal vom immerhin mal 300 Einwohner zählenden Land Moresnet gehört? Wussten Sie, dass das Staatsoberhaupt von Seborga bis 2009 „Seine Ungeheuerlichkeit“ Giorgio Carbone, Prinz auf Lebenszeit war? Und das es vielleicht schon bald ein karibisches Land namens Moskitia gibt? Nein? Aber sicher haben Sie schon von Nagalim gehört, einem Land im Norden Indiens, dass nur einen Tag unabhängig war, oder?

Zugegeben: die Länder, die Nick Middleton in diesem Kompendium zusammenträgt, kommen bis Weiterlesen

Unsere schönen neuen Kleider : gegen eine marktkonforme Demokratie – für demokratiekonforme Märkte / Ingo Schulze

Wir leben ja in einer Demokratie und das ist eine parlamentarische Demokratie und deshalb ist das Budgetrecht ein Kernrecht des Parlaments und insofern werden wir Wege finden, wie die parlamentarische Mitbestimmung so gestaltet wird, dass sie trotzdem auch marktkonform ist (Angela Merkel in einer Rede 2011).

Mit den Worten, die ich benutze, mit der von mir gesprochenen und geschriebenen Sprache fallen Vorentscheidungen in meinem Fühlen, Denken und Handeln. Das Bild, das ich mir von mir selbst un der Welt mache, hängt auch davon ab, welche Worte ich wähle, welche Bedeutung ich diesen Worten als Einzelner gebe und welche Bedeutung als die gesellschaft als Ganzes ihnen gibt. (Ingo Schule, a.a.O. S. 47)

Ingo Schulze sah sich bei Lesungen im Ausland immer wieder kritischen Fragen zur Rolle der Deutschen in der europäischen Finazkrise ausgesetzt. Beispielhaft zitiert er im Vorwort zum hier besprochenen Buch die Frage eines jungen Portugisesen, ob jetzt die Deutschen mit dem Euro und unserer starken Exportwirtschaft schaffen würden, was wir mit unseren Panzern damals nicht gaschafft hätten. Schulze antwortete darauf reflexhaft, indem er Partei für sein eigenens Land ergriff, erkannte jedoch im losbrechenden Weiterlesen

Gott hat hohe Nebenkosten : wer wirklich für die Kirchen zahlt / Eva Müller

Kirchen, diakonische Einrichtungen, kirchliche Wohlfahrtsverbände sind von der Gewerbesteuer befreit und werden dadurch um etwa 17 Milliarden € jährlich entlastet, erhalten jährlich staatliche Zuschüsse in Höhe von mehr als 50 Milliarden € und weitere finanzielle Vergünstigungen und Subventionen zusätzlich zur den etwa 10 Milliarden Einnahmen aus der Kirchensteuer ihrer Mitglieder. Kirchentage werden in der Regel zu etwa 50% vom Staat bezahlt, wie zuletzt in Hamburg. Der Staat zahlt Bischöfe und bezahlt auch für die Ausbildung von Religionslehrern. Kirchen und ihre Unternehmen haben zudem ein eigenes Arbeitsrecht, das sie vehement verteidigen.
Wir reden von den Kirchen in Deutschland, einem vorgeblich säkularen Land, in dem die Trennung von Kirche und Staat aber leider nur oberflächlich ist. Die finanziellen Ausmaße, die die Kirchenprivilegien seit den entsprechenden gesetzlichen Regelungen von 1952 (in der Weimarer Verfassung waren solche Privilegien unbekannt) angenommen haben, sind ja seit Christian Frerks hervorragend recherchiertem „Violettbuch Kirchenfinanzen“ hinlänglich bekannt: der deutsche Staat überträgt Kirchen und ihren Unternehmen (sogenannten Wohlfahrtsverbänden) staatliche Aufgaben, zahlt dafür (etwa 99% des entstehenden Aufwandes) – und interessiert sich danach nicht mehr dafür, welche Arbeitsbedingungen dort herrschen oder welche Folgen die Delegation staatlicher Aufgaben an weltanschaulich gebundene, durch staatliche Subventionen erst konkurrenzfähige Einrichtungen auf die Arbeitnehmer, den Inhalt der bestellten Dienstleistung und deren „Zielgruppen“ hat.

„Gott hat hohe Nebenkosten“ widmet sich mittelbar auch diesem Thema, verbindet dies aber unmittelbar mit der erschütternden Fallgeschichte der Erzieherin und Kindergartenleiterin Bernadette Knecht aus Rauschendorf: am Beispiel ihrer Kündigung aufgrund einer Scheidung und eines neuen Lebenspartners, des Kampfs der von ihrer Arbeit begeisterten Eltern zunächst (fruchtlos) um den Erhalt ihres Arbeitsverhältnisses und danach um die Kündigung des Vertrags mit der Kirche als Träger durch die Stadt, werden die Auswüchse deutlich, die Weiterlesen

Doktor Oldales geographisches Lexikon / John Oldale

„Wie bitte? Einzelnen Kugeln ausweichen? Die könnten nicht mal einen Elefanten aus solcher Entfernung treffen“

(Letzte Worte von Generalmajor John Sedgwick, dem ranghöchsten Todesopfer der Union im amerikanischen Bürgerkrieg)

Geografische Lexika zeichnet meistens aus, hochverdichtet Informationen, Datenund Fakten zu Ländern und Regionen zu liefern, dabei je Land ein vorgebenes Raster abzuarbeiten von möglichen geschichtlichen Aspekten bis hin zu Geologie, Wirtschaft, Politik, Religion, ja womöglich bis zur Alphabetisierungsquote und dem Anteil von Datteln oder elektroporösen Kugellagern am Export. Das ist interessant – aber manchmal auch sehr ermüdend, vor allem, wenn man vielleicht aufgrund mangelnden Lesestoffes eigentlich das ganze Lexikon lesen möchte und nicht nur einzelne Artikel zur gezielten Information.
Doktor Oldales geographische Lexikon ist da anders. So erfahren wir unter dem Stichwort „Antarktika“, dass Pinguineier nach dem Kochen ein leuchtendes Orangerot beim Eigelb aufweisen und wenig appetitlichen Weiterlesen

Gott behüte! Warum wir die Religion aus der Politik raushalten müssen / Robert Misik

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Reflexhaft wird mittlerweile auch angesichts des bedrohlich erscheinenden islamistischen Furors in den säkularen Staaten Europas einer Rückkehr der Religion in den politischen Diskurs das Wort geredet. Da ist von christlichen Grundwerten die Rede, von der christlichen Moral, auf die sich unsere westlichen Gesellschaftssysteme angeblich stützen. Ohne Glauben, ohne Gott brächen sich Gewalt, Rücksichtlosigkeit und Sittenlosigkeit Bahn. Wortreich wird begründet, warum ein islamisches Land wie die Türkei natürlich nie in die Europäische Union eintreten könne, schliesslich hätten die europäischen Gesellschaften eine sogenannte christliche Idendität.
Robert Misik widmet sich mit gewohntem Scharfsinn und leiser Ironie allen, die eine politische Theologie herbeischwören wollen, vom Medienstar Papst Benedikt XVI bis hin zu den Motivationen der Islamisten. Dabei zeigt er keinerlei übertriebenen Respekt vor den Religionen, sondern macht mehr als deutlich, dass für Weiterlesen