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Das Böse im Blut : Roman / James Carlos Blake

In den 1840er Jahren wachsen Edward und John Little unter ärmlichen Bedingungen im amerikanischen Mittelwesten auf. Ihr Vater ist äußerst gewalttätig gegenüber der fünfköpfigen Familie, die ausser den beiden Jungs noch aus der jungen Mutter und der Schwester Maggie besteht. In diesem Klima von Gewalt und Unterdrückung wachsen Edward und John zu ebenfalls leicht reizbaren und aggressiven Halbwüchsigen heran, die keinem Streit aus dem Weg gehen. Als die Brutalität des Vaters zu einer schrecklichen Eskalation führt, flüchten die beiden vom Tod ihrer Schwester überzeugten Brüder Richtung Texas und hoffen, in den herrenlosen Weiten mit ihrer gewaltbereiten Rücksichtlosigkeit ebenfalls zu Land und etwas Wohlstand zu kommen im Vertrauen darauf, dass das Glück auf der Seite des Stärkeren, im Zweifel skrupellos brutalen Menschen ist.

Doch schon bald werden sie getrennt, geraten in die Mühlen des Krieges zwischen Mexiko und den USA nach dem Anschluss von Texas an die Konföderation, kämpfen auf verschiedenen Seiten und auch zwischen den Fronten, bis sie sich am Ende unter dramatischen Umständen wieder begegnen.

Das Buch des amerikanischen Autors Blake ist zweierlei: zum einen dekonstruiert er auf ebenso schonungslose wie lakonische Weise den Mythos des Wilden Westens von einer Welt der tapferen Entdecker, wackeren Farmer und fleißigen Viehhirten und damit einen wesentlichen Ursprung des „American Dream“, in dem er die blutigen Wurzeln dieses Traums zeigt: tatsächlich ist das Glück auf der Seite des Stärkeren, Mächtigeren, ist die Waffe und die in ihr gebündelte Gewalt und Grausamkeit das Mittel, mit dem sich der eigene Vorteil erkämpft wird. Menschenleben zählen dabei im Zweifel nicht: Frauen werden zur Ware, Indianer lediglich zu jagdbaren Trophäen und der Fremde nur so lange nicht zum schnellen Opfer, wie er einem nützlich ist. Gerne wird gelyncht und im Zweifel auch erst gemordet und gelyncht, bevor man fragt – der andere könnte ja schneller sein.

Es ist zutiefst düsteres Bild, dass Blake hier von den jungen USA zeichnet, deren Territorium in den 1840er Jahren durch den Krieg mit Mexiko erheblich zunimmt und am Ende bis zum Pazifik reichen wird. Und eben hier verbindet sich die geschickte Entlarvung des Wilden Westen als harte, aber eben nicht gerechte Welt mit der Geschichte zweier Brüder, die durch ihre gewaltgeprägte Sozialisierung selbst enthemmt sind in ihren Aggressionen und nur in wenigen Momenten zu ahnen scheinen, dass es andere Wege geben könnte, geben müsste. Wege, die es für sie und viele andere nicht gibt, weil das Recht des Stärkeren regiert.

Nun mag man das von Blake gezeichnete düstere Menschenbild nicht teilen. Dennoch zeigt er überzeugend, wie dünn die zivilisatorische Firnis wird, wenn Menschen zuvorderst den eigenen Vorteil im Auge haben, Waffen ins Spiel kommen und Gewalt Gegenwart und Erziehung derart prägt, das der Weg zur Brutalität, zu Vergewaltigung, Mord, Folter und Lynchjustiz erschreckend kurz wird.

Das Buch, das eine ähnliche Wucht entwickelt wie die Romane Cormack McCarthys und gerne auch mit „Das Herz der Finsternis“ (verfilmt als „Apocalypse now“) verglichen wird, ist eine ebenso entsetzende wie fesselnde Odyssee der Gewalt, ein wahrer Höllenritt durch Amerikas Herz in den Jahren des Mexikanisvh-Amerikanischen Krieges, wo latent vorhandene Gewaltbereitschaft zu exzessiver Brutalität und Skrupellosigkeit führt. Blake verdichtet dabei die Atmosphäre so stark, dass einem der Geruch von Schweiß, Schießpulver, Blut und Verwesung in die Nase zu steigen scheint, man den Staub auf der vom Durst am Gaumen klebenden Zunge spürt und am Ende erschöpft und tief verstört dieses Pandämonium der Aggression verlässt.

Beeindruckend ist die Akribie, mit der historische Fakten in die Handlung einfließen: Blake scheint sorgfältig recherchiert zu haben und bettet seine Geschichte nicht nur eng in die tatsächlichen Zeitläufe ein, sondern muss auch ein enormes Wissen um den Alltag der Menschen zu dieser Zeit angehäuft haben bei all den plastischen Details, die zur Lebendigkeit dieses Buches beitragen. Man ist unwillkürlich geneigt, sich tiefer mit diesem düsteren Abschnitt der amerikanischen Geschichte befassen zu wollen.

Ein ausgesprochen empfehlenswertes, wenn auch zuweilen in seinen brutalen Details auch körperlich beim Lesen kaum erträgliches, aber gerade deshalb bis zu seinem überzeugend erzählten Ende tief berührendes Buch.

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