Leider kommt Carsten Ottes Buch für mich exakt drei Jahre zu spät. War doch an jenem 18.4. auch mein nahezu letztes aus sehr jungen Jahren gerettetes Ideal, ohne Führerschein durchs Leben zu kommen, abhanden gekommen. Wie Otte kannte ich so gut wie niemanden, der wie ich keinen Führerschein hatte, und wurde auf Partys ungläublig angestarrt wie jemand, der komplett im Wald aufgewachsen ist, gestern in die Zivilisation gezerrt und seit heute – noch im Fell und mit Fleischresten im Mundwinkel – herumgezeigt wird. „Ohne Führerschein?????!“ – die entgeisterten Blicke spüre ich noch heute, als wäre man ohne Lappen komplett lebensunfähig. Doch bei mir kam es anders als bei Carsten Otte: meine Frau wurde schwanger und ich bekam damit in reiferen Jahren die Aufgabe, den Führerschein zu machen. Das sie schon einen hatte, nutze nichts. Fahrstunden, Fahrprüfung, da musste ich durch und dank eines kompetenten Fahrlehrers („Jetzt kommt die Autobahn … mehr Gas! Mehr Gas!! Mehr Gaaas!!!!! Jaaaa!“) klappte das auch gut. Jetzt habe ich ihn, und trotz aller bewahrten Distanz muss ich zugeben: es macht mir durchaus Spaß mit den vier Rädern.
Carsten Otte, um zum Thema zurückzukommen, führt noch einmal den Nachweis, dass das Leben ohne Führerschein nicht nur möglich, sonder sogar ganz amüsant sein kann und einem manchen Stress erspart. Seinem Alltag als Beifahrer, Fußgänger, Nah- und Fernverkehrsnutzer mangelt es dabei nicht mit Abenteuern, und ein würzt sein Buch mit einer gehörigen Portion journalistisch gut recherchierten Faktenwissens über das Auto, die Autowirtschaft und den Verkehr jenseits dessen, was uns Politik und Autolobby weissmachen wollen Dabei zieht er süffisant und genussvoll über die Sinnhaftigkeit von Monsterautos (SUVs), Pendlerpauschale und Hybridfahrzeugen her, behandelt die Ästhetik von Parkhäusern und Autobahnrestaurants, besucht Autowaschanlangen und -museen, lästert über das Verkehrsrisiko Mann ebenso wie über das Auto als quasi ersatzreligiöses Statussymbol. Dabei ist er durchaus nicht fundamentalistisch, weiss er doch nach eigener Aussage „sinn- und stilvolle Transportmittel zu schätzen“. Sehr amüsant, kurzweilig, bissig und dennoch durchaus nicht ohne sachliches Fundament tritt Otte den Beweis an, dass das Leben ohne Führerschein durchaus besser sein kann als mit.
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