Mitten auf dem Indischen Ozean. Ein vom Schiff gestürzter 40ft-Container treibt langsam durch die sanfte Dünung, während eine Stimme aus dem Off den Abschiedsbrief eines Mannes an seine Hinterbliebenen vorliest. Nach diesem Prolog erfolgt die Rückblende um acht Tage: ein namenloser alter Segler wird auf seinem Segelboot plötzlich aus dem Schlaf gerissen, als es plötzlich rummst und Wasser ins Boot dringt: ein von einem Schiff heruntergefallener Container hat sein Boot gerammt und ein großes Loch in die Bordwand geschlagen. Der Segler schafft es, den Container vom Boot wegtreiben zu lassen, flickt das Loch provisorisch und lenzt mühsam mit einer manuellen Lenzpumpe das Wasser aus dem Boot. Die elektrischen Anlagen sind ausgefallen, das Funkgerät ist defekt.
Als er versucht, die Funkantenne zu reparieren und dafür den Mast hochklettert, sieht er einen Sturm aufziehen. Rasch bereitet er alles vor, füllt einen großen Kanister mit Trinkwasser und sieht dem Sturm entgegen. Der erweist sich als unerwartet hart: nur mit Mühe kann sich der beim Setzen eines Sturmsegels von Bord gerissene Mann wieder auf das Schiff ziehen. Als er wieder an Bord ist, rollt das Schiff über, kentert durch, erleidet einen Mastbruch und weitere Beschädigungen. Mit einem Treibanker kann der erschöpfte Segler das Boot einigermaßen halten, wird jedoch nach einer harten Welle und einen dadurch bedinten Sturz in der Kajüte ohnmächtig. Als er erwacht, liegt er im Wasser und weiß, dass er das Boot verlassen muss. ER setzt die Rettungsinsel ins Wasser und rettet noch die notwendigsten Dinge aus dem sinkenden Boot, das schliesslich vor seinen Augen untergeht.
Im Rettungsfloss erweist sich das Trinkwasser als salzverseucht. Mühsam kondensiert er mit verschiedenen Hilfsmitteln Wasser, gerät erneut in einen Sturm, richtet das umgestürzte Floss wieder auf, das schliesslich den größten Teil seines schützenden Daches verliert. Endlich treibt er auf eine internationale Schifffahrtsroute zu: vergeblich versucht er, das erste große Containerschiff auf sich aufmerksam zu machen. Vergeblich. In der Nacht wird er vom nächsten Schiff fast überfahren und seine Lage spitzt sich zu …
Mit „All is lost“ ist Regisseur J. C. Chandor das Kunststück gelungen, einen zurückhaltend inszenierten, nahezu dialogfreien Film, der völlig auf vordergründige dramatisierende Effekte verzichtet, zu einem reduzierten, spartanischen und gerade deshalb ungemein eindringlichen Kammerspiel zu machen, das den Fokus ganz auf den Kampf eines namenlosen alten Mannes gegen das Meer und sich selbst setzt. Geschickt setzt der Film seine Geschichte in Szene und wir haben als Zuschauer die Empfindung, nicht zuzusehen, sondern dabei zu sein. Das liegt nicht nur an der beeindruckenden Kameraführung, dem ausgesprochen zurückhalten eingesetzten Soundtrack und den sorgfältig gesetzten Prüfungen, denen der Protagonist ausgesetzt ist, sondern auch und vor allem natürlich an Robert Redford, der die Rolle des Seglers in seinem vielleicht letzten Kampf überzeugend verkörpert
Ohne jegliches Pathos spielt Redford den Segler, zeigt schonungslos dessen Erschöpfung, die Wut auf sich selbst und die eigenen Fehler, die Verzweiflung angesichts des drohenden Schicksals und doch immer wieder das Aufbäumen gegen das drohende Ende des eigenen Lebens. Da sitzt jede Nuance, jede Bewegung, jedes Zucken im Gesicht, jeder müde Blick und jedes Aufraffen gegen den dumpfen Schmerz der müden, sturmgeplagten Muskeln, den der Zuschauer im Betrachten selbst zu empfinden meint. Beeindruckend ist dabei nicht nur Redfords subtiles Spiel, sondern auch die Leistugn der Maskenbildner, die dem Protagonisten ein authetisch wirkendes, zunehmend sonnenverbranntes, geschundenes und ausgezehrtes Gesicht verpassten.
Chandor und sein Protagonist verzichten dabei wohltuend auf jegliche Botschaft und Bedeutung: sie überhöhen die Geschichte nicht mit jenen gerade für amerikanische Filme nicht seltenen Überlebenspathos und darauf aufgesattelten, emotional überdrehten Lebenssinngebungen. Gerade dadurch aber wird die Geschichte so stark und eindrucksvoll: wir sehen einen alten Mann am Ende seiner Kräfte, der mitten in einem gleichgültigen, zuweilen urgewaltigen Ozean mit unzureichenden, nacheinander versagenden Hilfsmitteln um sein Leben kämpft und trotz seiner Erschöpfung und der naheliegenden, fast schon greifbaren Resignation sich bis ins Letzte ans das eigene Leben klammert, sich immer wieder selbst überwindet.
Der Segler kämpft nicht nur gegen das Meer: er kämpft vor allem auch gegen und um sich selbst, verflucht sich, hadert, hat Pech und macht trotzdem weiter, auch wenn er seine Kräfte immer mehr und schneller schwinden sieht und weiß, dass seine Chancen sinken. Wenn überhaupt, dann ist das die Botschaft des Films: wir meinen, alles in der Hand zu haben – aber die Natur ist stärker, ungemein brutal und ungemein gleichgültig. Ein Film, der gerade durch den Kampf gegen die elementare Wucht von Meer, Wasser, Sturm und Sonne zeigt, wie zerbrechlich und vergänglich das Leben ist und wie sehr wir daran hängen: unvergessen die Szene, als der Segler in seinem halb zerstörten Rettungsfloss liegt und sich verzweifelt die Ohren zuhält, weil er die Geräusche von Sturm und Wellen nicht mehr ertragen kann. Beeindruckend auch das Mienenspiel Redfords, wenn er von seinem wenigen Wasser kostet und das sonnenverbrannte Gesicht einen Hauch von Genuß in all der Qual erkennen lässt.
Ein ungemein beeindruckender, so unspektakulärer wie mitreissend spannender Film mit einem 78jährigen Robert Redford, der eine beeindruckende körperlich und schauspielerische Leistung zeigt und mit seinem subtilen, intensiven Spiel zu überzeugen weiss.
habe ich gestern per DVD Verleih bekommen. Mein Samstag-Abend-Programm. Bin gespannt.
LikeLike
Ich bin auch gespannt auf Dein Urteil und wünsche Dir einen schönen Heimkino-Abend!
LikeLike
So. Fertig angesehen. Ich war überrascht, denn ehrlich gesagt konnte ich mir nicht vorstellen, 105 Minuten mit nur einem Schauspieler (selbst wenn es Herr Redford ist) auf hoher See zu verbringen ohne mich zu langweilen. Aber es gab nicht eine einzige Minute, die mich über Längen oder Untiefen nachdenken ließ. Vielmehr war ich total gefesselt, habe dann eine kleine Pause eingelegt, weil ich mein Getränk in der Küche vergessen hatte und dabei festgestellt, daß erst 18 Minuten vergangen waren. Man konnte sogar noch einiges lernen. (Woher bekomme ich auf hoher See Trinkwasser? Wer weiß, ob man es nicht irgendwann mal gebrauchen kann. )
Wunderschöne Unterwasseraufnahmen gibt es gratis dazu!
Alles in allem ein toller Film, den ich uneingeschränkt weiterempfehle und ohne Deine Besprechung nie ausgeliehen hätte.
LikeLike
Lieber Moopenheimer,
das freut mich sehr 🙂
Dabke für den ausführlichen Kommentar, der hier als ergänzende Rezension dazugeschaltet wird!
Liebe Grüsse von
Jarg
LikeLike
Hallo Jarg,
Deine ausgezeichnete Rezension macht mir noch mehr Lust auf diesen Film als ich ohnehin schon hatte. Hier in den USA habe ich dazu gelesen, dass er sich absolut mit „Der alte Mann und das Meer“ messen kann.
Liebe Grüße aus dem südlichen Texas und ein schönes Wochenende,
Pit
LikeLike
Lieber Pit,
unbedingt ansehen: ein Film, den man nicht vergisst und der ganz sicher das Zeug zum Klassiker hat – so wie der von Dir genannte Film.
Liebe Grüsse aus dem nördlichen Deutschland Richtung Texas von
Jarg
LikeLike
Das ist auf jeden Fall ein sehenswerter Film, ein toller Robert Reford und nichts für schwache Nerven!
LikeLike