Wieder einmal gilt es hier Musik vorzustellen, die unverzeihlicherweise bisher komplett an meinem Ohr vorbeigegangen ist. Trotzdem der Künstler, den es hier zu würdigen gilt, seinen Lebensmittelpunkt derzeit in meiner Heimatstadt Hamburg hat.
Nun könnte man mir natürlich daraus den Vorwurf machen, aufgrund sentimentaler Verblendung das aktuelle Album „Flüssiges Glück“ hier – wie bereits jetzt anzukündigen ist, in höchsten Tönen zu loben: schliesslich findet sich auf dem Album eine etwa zehnminütige melancholische Liebeserklärung an Hamburg, die ich für einen der besten Songs halte, die jemals über diese Stadt an der Elbe gemacht wurden: wunderbarer Bass, Sprechgesang und dann plötzlich in der zweiten Hälfte gesangsfrei und ungestört die in die Beine gehende Elektrobeats, bis alles mit Klavier ausklingt, zart und ein wenig wehmütig.
Doch „Flüssiges Glück“ hat weitaus mehr zu bieten. Vor der Hamburghymne zieht er uns mit „Neonlicht“ in einen ausgesprochen tanzbaren Song voller treibendem Schlagwerk. Elektronische Rhythmen und Geräuschsamples zu heiserem Sprechgesang in „Renn!“, einem zunächst zurückhaltenden, dann sich langsam steigernden, unglaublich intensiven Song. Im folgt mit „Beschwerden“ das politische Statement dieses Albums, ein eindrucksvoller, wütender Song über die Flüchtlingskrise, das Wiedererstarken rechter Extreme und die alltägliche Heuchelei:
Und irgendwo hinter der Glotze endet unser Tellerrand / Und wir richten ohne Glatze ähnlich großen Schaden an / Nein, es sind nicht die paar Nazis, es ist unsere Ignoranz / Lieber Bild, GNTM und Dschungelcamp am Bratwurststand / Als wäre es nicht in unserer Mitte, sondern nur am rechten Rand / Machen wir weiter unsere Witze über Gutmenschen im Land / Vergessene Geschichte wiederholt sich irgendwann / Ist unser Mitgefühl etwa in einem Flüchtlingsheim verbrannt?
Allein schon der Opener „Scheitern“: Klickende, klackende Sounds eröffnen den Song, gefolgt vom behutsam einsetzenden Gesang Bungers. Dann wieder feine klavierdominierte Songs wie „Zwei Streifen“, das im besten Sinne des Wortes sentinmental gefühlvoll, ja auf angenehme Weise romantisch verblendet vom positiven Ergebnis eines Schwangerschaftstests erzählt. Mit „Am Ende des Tunnels“ liefert er eine wunderbare, zutiefst melancholische Klavierballade ab:
Die Idole der Jugend, sie werben für Fastfoodprodukte / Ich glaub‘ das Licht am Ende des Tunnels ist kaputt.
Man kann und darf erstaunt sein über die Qualitäten dieses Musikers: bemerkenswert schöne Texte in Verbindung mit einer Musik, die zwischen Chamberpop und Elektrodance ossziliert, dem Ohr mit seiner akustischen Vielseitigkeit und manchem delikaten Klang appetitlich eingeht, ohne je beliebig zu werden. Zum Weinen, zum Lachen schön.
Neugierig gemacht … 🙂
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Dann viel Spaß!
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