Gemeinhin werden Toiletten im Film ja eher gemieden: selten einmal sieht man in Kino- oder Fernsehfilmen eine von innen und wenn doch, sind sie allenfalls der Ort, an dem in Krimis die Leiche gefunden wird. Ganze Szenen, die auf Toiletten spielen, dürften äußerst rar sein, auch wenn diese Erkenntnis mehr auf Vermutungen denn auf Empirie beruht.
In „Toilet Stories“ sehen wir fünf am Ende nur lose miteinander verknüpfte Geschichten, die sich immer wieder mit kleinen Zeitsprüngen in der jeweiligen Handlung abwechseln und alle ausnahmslos und ausschliesslich in den Räumen von Toiletten spielen. Da ist etwa der gewiefte Sanitärhausvertreter, der alle Register zieht, um eine ältere Dame davon zu überzeugen, dass eine Badrenovierung für ein paar Zehntausend Euro ihren dementen Mann vor dem Pflegeheim bewahren wird. Eine Spitzensportlerin steht vor einer plötzlichen Dopingkontrolle und muss ebenso entwürdigende wie fragwürdige Verschleierungsmaßnahmen ihres Mannschaftsarztes an ihrem Körper erdulden. Ein Baumarktkunde hört sich mit zunehmendem Entsetzen die unglaubliche Geschichte des älteren Herrn aus der Nachbarkabine an, während zwei halbstarke Jugendliche auf einem abgeranzten Klo nach dem Überfall auf einen älteren Herrn erleben, wie sich der Spieß unerwartet und mit äußerst schmerzhaften Aussichten für sie umdreht. Und dann treffen sich noch zwei früher eng befreundete Frauen auf dem Nobelklo einer Benefizgala – auf dem plötzlich eine Menge Schmutz ans Tageslicht kommt.
„Toilet Stories“ entpuppt sich als tiefschwarze, böse und abgründige Gesellschaftssatire, die mit scharfem Humor und Sarkasmus ein absurdes Panoptikum entwickelt, dem man sich kaum entziehen mag, obwohl manche Szenen (insbesondere mit dem älteren Herrn und den zwei Halbstarken) schwer erträglich sind. Dabei erzählt der Film seine Geschichte ganz unspektakulär und beiläufig, als würde das, was dort geschieht, etwas ganz Alltägliches sein in deutschen Toiletten. Wer sich ansieht, wie etwa der Sanitärvertreter durch subtiles Erzeugen von Angst nach und nach bis zum Verkauf der Premiumtoilette mit Internetanschluss kommt oder der Baumarktkunde immer tiefer auf seiner Toilette zusammensinkt, je mehr er in die grausige Lebensbeichte seines unsichtbaren Nebensitzers eintaucht, kann sich dem skurrilen Humor kaum entziehen und wird selbst in den üblen Szenen auf dem abgeranzten Herrenklo mit einem sich vom Opfer zum Täter wandelnden alten Herrn, der sich als ehemaliger, mit allen Wassern gewaschener Fremdenlegionär entpuppt (Rudolf Waldemar Brem) ihren schwarzhumorigen Charme entdecken.
Eine groteske, absurd-komische Gesellschaftssatire der besonderen Art, deren bitterbösem Humor man sich kaum entziehen mag.
Klasse Film, habe mich gut unterhalten. Die Szene des Alten mit den beiden Halbstarken hat mir am Besten gefallen.
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Ja, aber die Fußsohlen gekräuselt hat es mir trotzdem. Ich erlebe so etwas immer hautnah nach.
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Oh, diesen Film kenne ich noch gar nicht – von wann ist der denn? Passt irgendwie zu „Mördchen fürs Örtchen“, finde ich ;-): https://mischabach.wordpress.com/2014/06/13/4745/
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Wie passend! Und mit Geschichten von Autoren, die ich kenne. Muss ich mir besorgen. Sollte in jedem gutsortierten Klobuchregal stehen.
Viel Spaß mit dem Film … aber nicht auf Toilette gucken. Kann traumatisierend wirken. 😉
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… passt schon: ich lese lieber auf dem Örtchen 😉
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Och Jarg, du weckst immer neue Beghrlichkeiten…ich suche schon die Ausrede für die Anschaffung, mein Bruder und seine jahrelange Toilettenlektüre und Blockade und sein nahender. Gebutrstag bieten sich an😁
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Siehste mal. Aber Vorsicht: man sucht danach Toiletten mit einem leichten Gefühl des Misstrauens auf … 😉
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öffentlichen Toiletten bringe ich grundsätzlich schwere Gefühle des Misstrauens entgegen, da kann nicht mehr viel zerstört werden 😉
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Ja, öffentliche Toiletten sind wahre Orte des Grauens: wenn sich noch die eigene Diensttoilette im gleichen Bereich befindet und man so manches unfreiwillig miterlebt, ist man fürs Leben traumatisiert: von Haarewaschen m Handwaschbecken über mit offener Hose am Pissoir telefonieren bis hin zum Wxxxxvorlgen aus einschlägigen Büchern rausreissen war da schon alles dabei.
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Uhhh, da hatte ich bisher Glück! Mehr als hygienisch & optisch fragwürdige Zustände, traumatisierende Gerüche und der ewige Kampf mit widerporstigen kontaktfreien Wasserhähnen die unwillens sind H2O zu spenden sind da ja noch zahm 😉
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Oh, ich kann noch weiter toppen: Kunden, die sämtliche Türen des Herrenklos offen lassen und somit neugierige Blicke auf ihr Pissoirverhalten erlauben. Kunden, die merkwürdige flüssige Substanzen an Klotürklinken hinterlassen, von denen wir nicht wissen wollen, woraus sie bestehen … Das Beste aber sind Toilettenpapierdiebe: wir haben einmal in wenigen Wochen drei erwischt, die sich mehrere Toilettpapierrollen in die Jacken gestopft haben: da wir die mit RFID gesichert und als Loseblattsammlung im System katalogisiert hatten, konnten wir alle drei in flagranti ertappen. Das war ein Spaß!! Zumal der eine behauptete, er hätte bloß ein geschenk für seine Freundin gebraucht.
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Auch ich war aktive Toilettenpapierdiebin. Damals in der WG. 3Jungs, eine Frau nachdem meine Mitleidensgemossin aufgab und vor mir eine Wohnung fand. 1 Jahr die Stammkneipe nebenan um Papier erleichtert. Ich bunkere es noch heute in Massen zum Unverständnis des Göga. Tiolettenpapierdiebe haben mein vollstes Mitleid und Verständnis….irgendwie. Die Grundschule an der ich arbeite hatte eine Weile experimentierfreudige Schüler die herauszufinden versuchten wieviel Klopapier nötig ist um die Toiletten abzudichten…genug der Stories, ich schau den Film 😉
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Ah, ich weiss nicht. Wer einmal erlebt hat, dass kein Toilettenpapier mehr da ist, weil jemand ein Geschenk für seine Freundin brauchte …
Das mit dem Verstopfungstest ist ja nett – läuft dann unter angewandte Physik und ist ja eigentlich gut für die Bildung!
Viel Spaß beim Film und herzliche Grüße von
Jarg
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