Wie üblich bei uns Menschen bilden wir uns ja ungeheuer viel ein auf unsere Gegenwart und schauen gerne abschätzig auf vergangene Zeiten. Schliesslich schlafen wir in einem eigenen Bett, haben eine Toilette mit Spülung, einen Wecker, ausgefeilte Frühstücksgewohnheiten, eine warme Dusche und ein Haustier, netzwerken munter mit unseren Freunden und Bekannten, kleiden uns aufwändig und geben Partys, nach denen wir uns ausgiebig die Zähne putzen – bevor es wieder ins Bett geht. Bei genauerer Betrachtung mag zwar die Art der Ausführung alltäglicher Gewohnheiten sehr modern sein. Tatsächlich aber gehören viele Abläufe, die unseren Tag gliedern, schon sehr lange zum Menschsein dazu und haben sich lediglich technisch den jeweiligen Zeitläuften angepasst.
Greg Jenner, ein britischer Historiker und Comedian, führt uns am Beispiel eines typischen zeitgenössischen Samstages durch die Geschichte ganz alltäglicher Gegenstände und Gewohnheiten und weist auf ausgesprochen humorvolle Weise nach, dass grundlegende Gewohnheiten und Bedürfnisse des Menschen schon immer ähnlich waren und jede Zeit dafür die ihr jeweils möglichen Lösungen gesucht und gefunden hat. Dabei verschweigt er auch nicht grundsätzliche Unterschiede zwischen den Zeitaltern und entlarvt Klischees: die Wikinger beispielsweise galten als ausgesprochen reinlich, werden aber entgegen den historischen Tatsachen gerne als schmutzige Raufbolde dargestellt. Dagegen galt übermäßige Reinlichkeit am Hofe des französischen Sonnenkönigs nicht als opportun, ja sogar als gesundheitlich schädlich – Zeiten, die zum Glück vorbei sind, da Ludwig der XIV unter anderem einen recht üblen Mundgeruch gehabt haben soll.
Jenner zieht Verbindungen von Rauch- und Feuerzeichen und laufenden Boten bis hin zu E-Mail und zum Smartphone, enthüllt teilweise bizarre Hygienevorstellungen früherer Zeiten, entführt uns in historisch erstaunlich moderne Kulturen (wie Harappa im Industal) mit öffentlichen Bädern und Toiletten und zeigt die Schwierigkeiten der Zeitmessung auf, denen sich Menschen in der Vergangenheit gegenüber sahen. Wir lernen schöne neue Wörter (wie Nychtemeron für die Zeit von einem Tag und einer Nacht, also einem ganzen 24-Stunden-Durchlauf), erfahren, dass die alten Griechen im Gegensatz zu den Ägyptern begeisterte Zahnchirurgen waren und sich antike Erfinder durchaus mit einiger Begeisterung dem Zahnersatz widmeten. Deutlich wird in jedem Fall – ob bei Zahnbürste oder Bett – aus welchen Kulturen und Zeiten wesentliche Impulse zur Weiterentwicklung kamen.
„Neues von vorgestern“ ist ein ebenso vergnüglicher wie informativer Parforceritt durch die Geschichte der Alltagskultur, der anschaulich zeigt, dass die Bedürfnisse der Menschen sich weniger verändert haben als die technischen und zivilisatorischen Hilfsmittel, derer sie sich zu ihrer Erfüllung bedienen.
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Tja, in vielen Bereichen unterschiedet sich der Mensch des XXI Jahrhunderts kaum von den ersten Vertretern des homo sapiens ….
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Nein, wirklich nicht. Der Jäger und Sammler prägt uns bis heute – nur die Mittelmzur Alltagsbrwältigung haben sich verfeinert. Weniger Steinaxt, mehr Buttermesser 😉
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Lieber Jarg,
das habe ich sogleich auf meinen Büchermerkzettel geschrieben.
Vielen Dank für die heiter-informative Rezension.
Windige Grüße
Ulrike von Leselebenszeichen
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Liebe Ulrike,
sehr gern geschehen. Viel Spaß mit dem Buch.
Aus dem frühlingslauen Hamburg herzliche Grüße vom
Jarg
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