Einem konservativen Landschaftsverständnis folgend sind Windenergieanlagen ja grundsätzlich als störend zu empfinden. Dabei entspricht das, was wir als ästhetische, schöne Landschaft empfinden, oft mehr einem Klischee als der Wirklichkeit: längst sind weite Teile unserer ländlichen Räume von uns gestaltet. Der bedeutende amerikanische Landschaftsforscher John Brinckerhoff Jackson schlägt daher eine realistischere Definition von Landschaft vor und bezeichnet sie als ein dynamisches „System menschengemachter Räume auf der Erdoberfläche“. Schaut man sich Deutschland an, wo gerne von der Verspargelung der Landschaft
geredet wird, ist eben dies zu beobachten: nur noch ein Bruchteil der Flächen Deutschlands ist nicht massiv durch den Menschen gestaltet worden – selbst unsere Wälder sind weitestgehend nicht mehr im natürlichen Zustand. Tatsächlich waren auch die ab dem 12. Jahrhundert aufkommenden Windmühlen zu ihrer Zeit in der Landschaftsbetrachtung massiv verändernde Elemente – und werden heute wie selbstverständlich in die ästhetische Erfahrung von Landschaft mit einbezogen.
Der Fotokünstler Ulrich Mertens versucht sich mit seinen im gesamten Bundesgebiet aufgenommenen, zum Teil spektakulären Fotos an einer Neuinterpretation unseres Bildes von der „Landschaft mit Windkraftanlage“ – und zeigt auf beeindruckende Weise, das auch Windparks ihren ästhetischen Platz in der vom Menschen umgestalteten, vorwiegend agrarisch geprägten Landschaft erhalten können. Mertens, der Windenergie positiv gegenübersteht, ist davon überzeugt, dass sich unser Blick auf Landschaft verändern wird und Anlagen zur Gewinnung von Windenergie nicht zwingend ein Störfaktor in der Wahrnehmung von Landschaften sein müssen, sondern zu ihrem ästhetischen Erlebnis beitragen können. Damit gelingt ihm ein neuer Blick auf das Thema, der die oft emotional geprägte Debatte um das Windrad in der Heimatregion um eine ästhetisch-künstlerische Blickrichtung bereichert.
Mertens hat viele Aufnahmen dabei von den Gondeln aus gemacht, bindet aber auch Nahaufnahmen der Technik und der für sie arbeitenden Menschen mit ein. So wird ein anderes, alternative Wege der Energieerzeugung etablierendes Land sichtbar, dass Möglichkeiten zur lokalen Identifikation mit Landschaften und urbanen Räumen auch über den Weg der ästhetischen Betrachtung von Technik in der Natur bietet.
Ein über aus beeindruckender, schön gemachter Bildband, der uns aufzeigt, was passiert, wenn man die Blickrichtung ändert und unserer zukünftigen Blick auf das „System Landschaft“ erkennen lässt.
Hallo Jarg, wie unterschiedlich doch Rezensionen sein können! Ich meine dabei nicht die inhaltliche Seite, sondern den Stil. In diesem Fall den des amerikanischen „Windenergie-Papstes“ Paul Gipe aus Kalifornien. http://www.wind-works.org/cms/index.php?id=625&tx_ttnews%5Btt_news%5D=5108&cHash=83878c57d4fcf0660fd006b960bbfdd5
Herzliche Grüße aus Hamburg.
Ulrich
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Hallo Ulrich, danke für den Link. Und schön, dass das Buch auch auf der anderen Seite des Atlantiks Aufmerksamkeit findet.
Herzlich grüsst – ebenfalls aus Hamburg – Jarg und wünscht ein schönes Wochenende!
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Hallo Jarg,
ein großer Teil der Gegenwehr liegt m.E. an der hohen Geschwindigkeit des Erscheinens der heutigen Windkraftanlagen und macht zu den Windmühlen von anno dazumal einen großen Unterschied aus. Gut eine Generation hat die Entwicklung ja nur gebraucht bis zu den komplexen leistungsstarken Windkraftanlagen, die bald ohne staatliche Förderung elektrische Energie erzeugen, ohne das Klima anzuheizen und Altlasten für kommende Generationen zu erzeugen.
Plötzliche Veränderungen machen Menschen Angst. Sich damit auseinandersetzen hilft. Danke für Deinen Beitrag dazu!
Susanne http://waldworte.eu/author/susanne-brandt/, die übrigens den schönen Titel des Bildbandes entwickelte, hat mich auf Deinen Beitrag aufmerksam gemacht.
Herzliche Grüße aus Hamburg, Ulrich
amazonfreie Bezugsquelle des Bildbandes http://www.windinsicht.de
https://www.instagram.com/ulrich_mertens_renewable/
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Hallo Ullrich,
ja, das ist bestimmt so mit der im Vergleich zu früher schnellen Veränderung und den dadurch ausgelösten Ängsten – bei Windkraft und bei vielem anderen, was gerade passiert. Dein sehr, sehr schöner Bildband leistet hoffentlich einen Beitrag dazu, einen anderen Blick auf diese notwendige veränderung zu werfen.
Herzlich grüßt aus Hamburg
Jarg
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Eine interessante und wichtige Betrachtungsweise. Beim Ansehen eines Fotos einer beträchtlichen Ansammlung holländischer Windmühlen dachte ich schon vor Jahren, wie das wohl die Menschen empfunden haben zu der Zeit, als diese heute als so malerisch angesehenen und scheinbar zur Landschaft gehörenden Windmühlen gerade gebaut worden waren.
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Ganz genau das ist der Ansatz. War damals High-Tech und wird heute romantisiert.
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„Verspargelung“ ist mein Wort des Tages! 🙂
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Das ist einfach schön, ist es nicht!?😊
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