Per J. Andersson, dem mit „Vom Inder, der mit dem Fahrrad bis nach Schweden fuhr“ ein internationaler Bestseller gelang, hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und ist u.a. Mitbegründer von Schwedens bekanntestem Reisemagazin Vagabond. Das vorlegende Buch entstand aus einem Essay und zieht einen rasch in den Bann. Ausgehend von eigenen Reisebeschreibungen mehrerer Jahrzehnte fern der üblichen Touristenrouten – zu Fuß, mit der Eisenbahn, per Bus oder Fahrrad – zu denen auch die ersten jugendlichen Reiseabenteuer gehören, taucht Andersson tief ein in sein Metier. Dabei lässt er uns nicht nur am Zauber fremder Welten teilhaben, sondern versteht es, eigene und fremde Reiseerlebnisse zusammen mit Ausflügen in die klassische und moderne Reiseliteratur zu einem kunstvollen, klug und differenziert über das Reisen an sich reflektierenden Teppich zu verweben, in dem auch Bezüge auf die Geschichte des Reisens nicht zu kurz kommen.
Für Andersson ist das Ziel jeglichen Reisens letztlich die Begegnung mit sich selbst im Spiegel einer fremden Kultur. Dabei bedient er keineswegs eskapistische Tendenzen, sondern sieht das Reisen gerade im Bezug auf eine von üblen Nachrichten im Zeitalter der sozialen Medien geradezu überschwemmten Welt als notwendiges Korrektiv für den Blick auf einen Planeten, auf dem scheinbar alles schlechter, tatsächlich aber vieles besser geworden ist. Zugleich sieht er im Reisen ein Mittel gegen unseren größten Feind, die Angst, die in Andersson Augen ihren Ursprung meist im Unwissen über das Unbekannte und mangelnder Erfahrung mit der Welt hat und sich – wie wir es gerade beobachten – dann schlechte Nachrichten überaus gerne aufsaugt und sich rasch zum Hass weiterentwickeln und das Handeln bestimmen kann. Für den erfahrenen Reisenden Andersson, der durchaus die Erfahrung des tiefen Fremdseins. ja der Verlorenheit in der Ferne kennt, eint uns Menschen letztlich mehr als uns trennt – so fremd uns andere Kulturen, Religionen und Lebensweisen auch scheinen mögen.
So gesehen ist Anderssons Buch nicht nur ein überaus lesenswerter Reiseverführer, sondern ein leidenschaftliches, überaus literarisches, mit vielen Leseerfahrungen angereichertes Plädoyer für das langsame Reisen und den genauen, gern auch wiederholten Blick auf Menschen und Landschaften fern der von uns gewohnten Regionen. Für mich eine der schönsten Lektüreerfahrungen des Jahres.