Als Fünfjährige erlebt die Autorin Meredith May zusammen mit ihrem kleineren Bruder die Trennung ihrer Eltern: ihre Mutter zieht nach einem letzten dramatischen Streit mit ihnen aus dem amerikanischen Osten nach Big Sur, Kalifornien zu ihren Eltern. Ab diesem Zeitpunkt kapselt sie sich von ihren Kindern ab, zieht sich komplett zurück in ihr Zimmer und ihre Depression und überlässt Meredith und Matt sich selbst und der wenig empathischen Fürsorge der Großmutter. Lediglich der eher wortkarge Stiefgroßvater Franklin Peace erweist sich als verlässlicher Anker in der zerrissenen Welt von Meredith: über ihn lernt sie die faszinierende Welt der Bienen kennen, lernt alles über die Struktur von Bienenvölkern, ihre verschiedenen Aufgaben, den Aufbau des Bienenstockes und die Honigernte.
Über das Sozialverhalten der Bienen reflektiert Meredith über ihre eigene Familie und findet am Beispiel der faszinierenden Insekten genug Resilienz gegenüber ihrer eher krisenhaften Kindheit und schafft es, sich von ihrer faktisch nicht anwesenden Mutter zu emanzipieren. So findet sie Trost in der Einsamkeit und lernt über die Biene, anderen und am Ende auch sich selbst zu vertrauen. Mit den Jahren wird sie für Franklin zu einer zuverlässigen Hilfe beim Imkern und in der Versorgung der über 100 Bienenvölker, die er in der Region hält. Am Ende gewinnt sie genug Stärke, um über ihre deprimierende Familiensituation und von der Mutter erschwerten Kontakt zum Vater hinauszuwachsen und ihren eigenen Weg ins Leben zu gehen.
Der amerikanischen Journalistin Meredith May ist eine berührende Erzählung ihrer eigenen Lebensgeschichte gelungen, die zugleich einen tiefen Einblick in das Leben der Bienen und die Arbeit eines Imkers gibt, für den die Bienen immer mehr waren als lediglich eine zusätzliche Einkommensquelle. Ein beeindruckendes Psychogramm einer bedrückenden Kindheit, aus der es nur über die Beschäftigung mit den Bienen und einen liebevollen Großvater am Ende ein glückliches Entkommen gab.
Das sprachlich ansprechende, gut übersetzte Buch hält fesselt von der ersten Seite an und wirkt noch lange nach, weshalb ich es nicht Bienenfreunden, sondern auch denjenigen gerne empfehle, die besondere Biographien und ihre literarische Verarbeitung zu schätzen wissen.