Es gibt Bilderbücher, die liest man und weiß hinterher klar: das ist die Botschaft! Dann gibt es Bilderbücher, die liest man und weiß hinterher, dass man gerade mal am Eis gekratzt hat. Man liest sie ein zweites Mal und stellt fest: unter dem Eis ist es sehr tief. Beim dritten Mal stellt man fest: das sind auch Höhlen in der Tiefe, die es auszuloten gilt.
Zu der zweite Kategorie gehört für mich „Ich bin nicht Rotkäppchen!“, dass schon im Titel mit dem bekannten Märchen spielt, sich aber gleichzeitig schon hier jeglicher Erwartung verweigert. Stattdessen beginnt das Mädchen, das nicht Rotkäppchen ist, aber einen roten Schal und einen Korb trägt, in den Wald zu gehen. Dort begegnet es keinem schwarzen Wolf, sondern einem weißen Bären. Als sie ihm auf seine Frage erklärt, sie würde in dem Korb Schnee sammeln, weist der Bär sie darauf hin, dass sie im Schnee spielen und tanzen, ihn aber nicht mitnehmen kann. Dann nimmt er sie auf seinem Rücken mit, stapft mit ihr durch den Schnee zu dem Ort, an dem der Mond am Himmel steht, sich schlafen legt und seine weiße Farbe holt, wo der Schnee leichter ist als Wolken, weißer als Milch und frischer als Zitroneneis. Sie schläft auf seinem Rücken ein. Doch bald sind sie da, und sie tanzt mit dem schneeweißen Bären in den Flocken als eine Flocke unter vielen. Der eigenartige Bär, von dem niemand weiß, woher er kommt, frisst Schneeflocken, während sie ihren Korb mit dem wunderbaren Schnee füllt.
Dann bringt er sie heim, sie schenkt ihm ihren roten Schal und er ist fort, fort wie der Schnee in ihrem Korb. Das Mädchen erkennt, dass der Bär recht hatte, sie im Schnee spielen und tanzen, ihn aber nicht behalten kann.
Ein poetisches, schön und prägnant illustriertes Bilderbuch, das zwischen den Zeilen vom Zauber des Augenblicks spricht, den es zu geniessen gilt, von der Kraft der Erfahrung und der Erinnerung daran, vom Festhalten und vom Loslassen, um Ankunft und Abschied. Gerade für Kinder, die die Vergänglichkeit entdecken, traurig sind, weil ein paar schöne Stunden vergangen sind oder etwas sogar endgültig fort und verloren ist, mag dieses Buch seinen besonderen Zauber entfalten. Ab etwa 4 Jahren.
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Deine Rezension macht mich wieder einmal neugierig. Das muss ich mir bei nächster Gelegenheit anschauen. Ich brauche eh ein kleines Geburtstagsgeschenk zum 4. 🙂 Danke für den Tipp!
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Keine Ursache! Und viel Spaß beim Beschenken!!
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Ich glaube, dass es ein wunderbares Buch ist. Vielleicht schaue ich mal rein, wenn ich es im Buchladen entdecke.
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Es ist erst 2011 erschienen – die Chance, es im gut sortierten Buchhandel zu entdecken, ist also recht groß
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