Die Leben, die wir uns vorgestellt haben, begleiten uns wie die, die wir tatsächlich leben, und manchmal wird uns bewußt, wieviele Leben wir verloren haben. (S. 180)
Helen MacDonald, britische Autorin, Lyrikerin, Illustratorin und Historikerin (*1970)
Quelle: H wie Habicht / Helen MacDonald. – 2015
Die Rezension des Buches erscheint am 12.10.2015 um 6:30 Uhr unter diesem Link.
Hallo Jarg,
danke für dieses Zitat. Ich habe mir das Buch (auf Englisch) im Frühjahr aus England mitgebracht und es seitdem immer wieder gelesen. Dabei habe ich mir genau die von Dir zitierte Stelle per Eselsohr gemerkt. 😉 Das Buch ist eine komische Mischung und ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, wie ich es wirklich finde. Ich habe selbst die Falknerausbildung und habe vor Jahren einen Habicht abgetragen, deshalb haben mich diese Teile natürlich besonders interessiert und ich konnte die mentale und emotionale Herausforderung sehr gut nachvollziehen. Gelernt habe ich auch einiges. Was T. H. White da betrieben hat, grenzte zum Großteil an Tierquälerei oder war es eigentlich auch, das raubte mir stellenweise den Atem. McDonald kämpfte an mehreren Fronten gleichzeitig und das Buch ist deshalb für mein Empfinden sehr komplex zu lesen. Viel komplexer als erwartet, viel komplexer, als es der Buchtitel und der Plot erwarten lassen. Wie gesagt, ich nehme mir immer mal wieder eine Passage vor. McDonald hat eine sehr reiche Sprache und obwohl mein Englisch eigentlich sehr gut ist, müsste ich noch eine Menge Wörter nachschlagen… beim nächsten Wiederlesen dann.
Viele Grüße,
Doris
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Hallo Doris,
danke für Deinen ausführlichen Kommentar. Das Buch ist ganz sicher recht komplex und lässt sich nicht nebenbei wegschmökern, da es neben dem Fokus auf dem Habicht, den stark biografischen Elementen und der Auseinandersetzung mit Tod & Trauer sich auch noch mit dem Autor White, seinen Büchern und seinem fragwürdigen Umgang mit seinem Habicht auseinandersetzt und alle das auch noch miteinander verknüpft und reflektiert wird. In der Gesamtschau erweist sich diese Komplexität als durchaus schlüssig und stringent – und macht aus dem Buch nach meinem Empfinden echte Literatur.
Die Lektüre muss für Dich ja besonders sein, wenn Du selbst eine Falknerausbildung und bereits einen Habicht abgetragen hast (was eine wundervolle Erfahrung sein muss). Für einen Laien wie mich, der Greifvögel eher aus der Distanz oder aus Filmen und Büchern kennt, war das Buch ein fesselnder Einblick in das Wesen dieser Tiere – und die Faszination, die sie auf Menschen ausüben können. Vielleicht sollte ich es nochmal im englischen Original lesen …
Herzlich grüßt
Jarg
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Ja, und dieses eine Zitat ist einfach wirklich besaonders. Das möchte man sich einrahmen – ob auf Englisch oder Deutsch!!
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Hallo Jarg,
danke für Deine ausführliche Rezension, die ebenso gehaltvoll ist wie das Buch. 🙂 Ja, es ist wohl echte Literatur … ich sage ja, der Titel und der Klappentext können einen in andere Richtung führen. Ich habe das Buch anfangs unterschätzt, glaube ich. Ich konnte immer nur einige Seiten lesen, ganz speziell bei den Passagen, in denen es um White geht, weil mir das stellenweise einfach zuviel und manchmal auch zu verkopft wurde. Die Teile mit dem Habicht gehen dagegen leicht. Ich fands schön, dass jemand Worte gefunden hat für vieles, was ich beim Abtragen meines eigenen Beizvogels empfunden habe. Ob es eine wundervolle Erfahrung ist, na ja, es ist harte Arbeit und es ist kein Kuscheltier, noch nicht mal ein Haustier, das man trainiert. Der Greifvogel braucht den Falkner nicht wirklich. Es ist einfach bequemer für ihn, mit dem Falkner zu jagen (wenn es denn klappt …“How am I supposed to catch things with this idiot in tow?“). Bei der Haltung hat mich übrigens folgendes gewundert – McDonald beschreibt das immer so, als ob sie den Habicht im Haus gehalten hätte. Das muss eine ziemliche Schweinerei gewesen sein. 😉 Ich wüsste nicht, wie man so in Deutschland eine Haltungsgenehmigung bekommen würde.
Ich werde das Buch sicherlich noch öfters lesen, weil ich gar nicht auf einen Schlag alles erfassen konnte. Das Original würde ich Dir auf jeden Fall empfehlen. Du wirst sehen, da wirkt vieles noch mal ganz anders als in der Übersetzung.
Viele Grüße,
Doris
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Hallo Doris,
ja, der Klappentext wird dem Buch nicht im Ansatz gerecht. Ich habe mir mit dem Buch auch Zeit lassen müssen, es sehr langsam gelesen, was zum einen an der streckenweise wunderbaren Sprache lag, zum anderen an der Intensität des Inhaltes oder an beidem.
Ein Kuscheltier ist ein Habicht ganz sicher nicht – ich denke aber, dass gerade die Nähe zu seiner Wildheit eine besondere, wenn auch sicher anstrengende Erfahrung sein muss. Ähnlich mag es dem Philosophen Rowlands und seinem Wolf gegangen sein, für den sein Wolf auch zu einer existentiellen Erfahrung wurde.
Schätze, das Buch werde ich mir auf jeden Fall kaufen, nachdem ich es erst aus der Bibliothek meines Vertrauens entliehen hatte. Und die englische Variante dazu bietet sich offenbar auch an … versuche ja eh jedes Jahr, wenigstens ein englischsprachiges Buch zu lesen.
Herzlich grüßt Dich
Jarg
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