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Gottlos glücklich: Warum wir ohne Religion besser dran wären / Philipp Möller

Ich möchte zeigen, dass ein Leben ohne Gott für extrem viele Menschen absolut selbstverständlich und wunderschön ist, und ein Gegengewicht bieten zu religiöser Werbung, so wie sie heute – im Verborgenen wie im Öffentlichen – absolut wieder üblich ist. (Zitat)«

Philipp Möller, der vor Jahren fast zufällig Pressesprecher der schon legendären Buskampagne wurde, einem breiteren Leserkreis durch seine Lehrererfahrungen („Isch geh Schulhof“) bekannt ist und heute unter anderem als freier Schriftsteller und Pressereferent der Giordano-Bruno-Stiftung arbeitet, setzt sich in seinem aktuellen Buch auf überaus fundierte und zugleich unterhaltsame Weise mit Religion, dem christlichen Glauben und der ganz und gar nicht säkularen Kirchenrepublik Deutschland auseinander.

Neben persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen geht Möller dabei auch in die Tiefe, beleuchtet etwa die verfassungsmäßig zweifelhafte Stellung des Religionsunterrichtes an Schulen, die arbeitsrechtlichen Diskriminierungen bei den nahe hundertprozentig durch öffentliche Gelder finanzierten Krankenhäusern, Schulen und Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft und die Tatsache, dass Bischöfe und andere Würdenträger beileibe nicht durch die Kirchensteuer, sondern zu einem erheblichen Teil durch den Staat ihre üppigen Gehälter finanziert bekommen, womit der Staat indirekt kirchliche Lobbyarbeit bezahlt. Sehr differenziert und ausgesprochen kritisch befasst sich der Autor auch mit dem Problem der Genitalverstümmelung bei Jungen, oft verharmlosen Beschneidung genannt, die trotz verfassungsrechtlicher Bedenken in einem beispiellosen Verfahren durch den Bundestag gesetzlich legitimiert wurde, obwohl es nachweislich bei der Entfernung der Vorhaut nicht nur zu medizinischen Problemen kommen kann, sondern dieser Bereich der sensibelste Teil der männlichen Körpers überhaupt ist und beschnittene Männer definitiv in der natürlichen Ausübung ihrer Sexualität durch Verhornung und Desensibilisierung massiv eingeschränkt werden. Wie auch bei der Entscheidung für eine Religion plädiert Möller dafür, die Entscheidung für einen derart massiven Eingriff erst mit der Volljährigkeit und entsprechender Aufklärung zuzulassen.

Auch den Mythos vom wohltätigen Einfluss der Kirchensteuer wird von Möller einmal mehr zerstört, verbunden mit dem deutlichen Hinweis auf Adolf Hitler, der diese Form der staatlich geregelten Beitragsvereinnahmung erst mit den Kirchen vereinbart hat: bis heute ist der Bürger in der Nachweispflicht, wenn er aus der Kirche ausgetreten ist und muss sich für einen solchen Austritt auch noch aufs Amt begeben. Eingehend geht das Buch auch auf die Missbrauchsskandale in den Kirchen ein, beschäftigt sich sehr einfühlsam mit der Sterbehilfe, die durch populistisch aufgebauschten Kircheneinfluss vom Bundestag massiv eingeschränkt wurde und so vielen Menschen mit schwerer, aussichtsloser Krankheit am Ende ihres Lebens massive Hürden in den Weg stellt, selbiges zu beenden. En passant entlarvt er auch den Popanz um so manche Kirchenheiligen wie etwa Mutter Teresa, deren Wirken im Gegensatz zur öffentlichen Darstellung und Mystifizierung ausgesprochen problematisch, wenn nicht gar menschenverachtend zu nennen ist. Dieser letzte Teil des Buches gehört zu den berührensten, da Möller in mit dem Leid einer schwerkranken Freundin verknüpft. Überhaupt lässt Möller die Auseinandersetzung mit dem Tod nicht aus, sondern legt überzeugend dar, weshalb der Tod und damit das Ende des Lebens für einen Atheisten keinen Schrecken haben muss.

Aufhänger des Buches ist dabei nochmal die Buskampagne, die beispielhaft bereits am Beginn von Möllers Buch den Einfluss zeigt, den Kirchen hierzulande immer noch haben: Möller zeigt, auf welchen Widerstand die Kampagne stiess, der von allen öffentlichen Verkehrsunternehmen untersagt wurde, auf ihren Bussen zu werben, obwohl kirchlichen Einrichtungen Werbung für ihren Glauben oft gestattet wird. Ausgehend davon beleuchtet er die überaus problematischen Seiten der Narrenfreiheit, die Religionsgemeinschaften in unserem nur vorgeblich säkularen Land geniessen.

Ein gut recherchiertes Buch, das den Finger in die Wunde unserer immer noch von den Kirchen massiv beeinflussten, tatsächlich aber zu weiten Teilen konfessionslosen Gesellschaft legt: Möller verbindet seine zuweilen mit gezielter Provokation gewürzte Lust an der humanistisch-atheistischen Argumentation mit wenigen, aber gut ausgewählten Quellen und schafft so eine gute, unterhaltsame Mischung aus persönlich Erlebtem und gut aufbereiteten Fakten. Zugleich ist sein Buch ein leidenschaftliches Plädoyer dafür, dass Religiosität Privatsache ist und weder in öffentlichen Finanzen noch im politischen Diskurs um die Zukunft unserer Gesellschaft etwas zu suchen hat. Im Bereich der Religionskritik eines der besten Bücher in letzter Zeit, dass überdies wunderbar Zeit, das Atheismus und Humor sich nicht ausschliessen.

26 Kommentare zu “Gottlos glücklich: Warum wir ohne Religion besser dran wären / Philipp Möller

  1. Danke fuer Deine „likes“ zu meinem letzten Kommentar. Die sind hier gleich vierfach angekommen. 😉 Waere aber doch nicht noetig gewesen: einmal haette auch gereicht. 😀

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    • Ich bin eben so überschwänglich, seit ich Samstag mein kleines Faltrad geholt habe. Im Ernst: irgendwie spackt WordPress und nimmt das Like scheinbar wieder weg, wenn ich auf Aprove gehe … so wie jetzt absichlich.
      Einen zauberhaften Tag dir noch. Hier ist schon Nacht und alle Fahrräder und Familienmitglieder müssen schlummern 😉

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      • Gratuliere zum Faltrad! 😀 Bei uns Beiden, so scheint es, herrscht nicht nur der deutliche Drang zum Zweitbuch, sondern auch der zum Zweitrad! 😀

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      • Unbedingt. Habe aber meinen Händler angefleht, mir bei Werkstattaufenthalten keine coolen Räder mehr zu leihen … sonst will ich bald ein Drittrad. Ich fürchte, beim nächsten Mal drängt er mir ein Rennrad auf 😉

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      • Jetzt weiss ich nicht, was ich sagen soll. Soll ich nun Rennraeder loben oder nicht? 😉 Von mir weisst Du ja, dass ich Strassenrennraeder – meine „alten italienischen Freundinnen“ – liebe. Sie machen richtig Spass – wenn man die passenden Strassen dazu hat.

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      • Ich bin ja noch nie ein Rennrad gefahren … aber da gibt es so grazile, schöne und leichte Gefährte, dass mich das gewiss auch reizen könnte. Und ich kann gut verstehen, wenn man dafür eine Leidenschaft hat allein schon aufgrund der Ästhetik mancher Rennräder. Hauptsache, mein Fahrraddealer leiht mir NIE eins – sonst komme ich womöglich auf Ideen. 😉

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      • Ja, das mit dem Gewicht ist schon so eine Sache. Ich merke es jedes Mal, wenn ich vom Dancelli oder Motta auf mein Salsa Fargo umsteige. Obwohl die beiden alten Rennraeder im Gewicht nicht mit heutigen Carbonraedern mithalten koennen, ist es dennoch ein gewaltiger Unterschied.
        Carbon mag ich uebrigens nicht, weil da schon ein Kratzer ein struktureller Schaden sein kann.
        Die neueste Ausgabe von Trekking Bike hat uebrigens 10 Randonneure im Test. Die finde ich eine gute Mischung aus Rennrad und Alltagsrad. Mein Stevens war so eines, und mit insgesamt knapp ueber 11 Kilo einschl. Gepaecktraeger noch nicht einmal schwer. Ich bin es gerne gefahren.
        Ich glaube, meine „Italienerinnen“ wiegen auch so um die 11 Kilo.

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      • Stimmt, Trekking Bike hat da schöne Teile im Test gezeigt. Nun ach … !
        11 kg merkt man natürlich schon. Mein Roadster dürfte 16-17 kg haben. Carbon wäre übrigens auch nichts für mich: only steele is real, obschon das neue Faltrad dann doch aus dickem Alu besteht.

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  2. Und hierzulande werden dann die sexueleln Uebergriffe eines damals 30 Jahre alten Roy Moore [heute republikanischer Senatskandidat] auf ein 14-jaehriges Maedchen damit gerechtfertigt, auch Josef habe ja mit Maria als Teenagerin eine geschlechtliche Beziehung gehabt. Es sei also doch nichts Schlimmes dabei gewesen.
    Ich koennte kotzen, wenn ich das hoere/lese. Sorry, dass ich hier einmal zu einer solchen Wortwahl greife.

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      • Man soll sie zwar nicht alle ueber einen Kamm scheren, aber zu „religioese Wuerdentraeger“ und „Moralkeule“ faellt mir nur ein, „Wer im Glashaus sitzt …“
        Hierzulande sind es die „Evangelicals“, die Trump [und auch Leute wie Moore] bedingungslos unterstuetzen, weil sie sich den Primat der Religion ueber die Politik, und bei Moore sogar ueber die amerikanische Verfassung, erhoffen.

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      • Natürlich kann man nicht alle über ein Kamm scheren. Aber ich finde es schon ziemlich unerträglich, wie manche Gläubige und ihre Würdenträger sich als angeblich unverzichtbare moralische Instanzen aufspielen, dabei noch behaupten, die gesellschatlichen Fortschritte der letzten 500 Jahre wären durch sie miterlämpft worden (was nicht stimmt, da in weiten Teilen gegen die Kirche(n) erstritten – und zeitgleich sowohl die üble, gewalttätige Geschichte ihrer Kirche(n) in den letzten 2000 Jahren sowie aktuellen Missbrauch und andere Vergehen komplett ausblenden. Etwas mehr Demut wäre da schon angebracht …
        Was in den USA mit den Evangelikalen und Trump läuft ist besonders bedrohlich und bizarr. Wenn man bedenkt, dass wir Deutschen einen Gutteil unserer positiven Entwicklung der letzten Jahrzehnte den Amerikanern und ihrem Kampf im Weltkrieg II zu verdanken haben, dann ist das schon eine seltsame Ironie der Geschichte.

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      • Und das, was er da besingt, faellt dann – leider – wohl unter Utopie. Um ein anderes Lied [in einem anderen Zusammenhang geschrieben, aber auch hier passend] zu zitieren: „Wann wird man je verstehen?“

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      • Ja, leider. Aber auch wenn es eine Utopie ist, sollte man weiter daran festhalten. Fällt grad schwer in dieser Zeit, aber trotzdem: jetzt erst recht!
        Einen feinen Sonntagabend wünscht dir
        Jarg

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  3. Abgesehen von Mutter Theresa aber nichts wirklich neues, wenn Mensch sich bereits mit den anderen Themen beschäftigt hat? Ich frage, weil ich mich eigentlich nicht schon wieder aufregen möchte. Kirchentag und Lutherjahr reichen mir für dieses Jahr. Es nutzt ja nix. Dazu sind die Atheisten nicht einflußreich genug und sie werden auch nicht derart angetrieben wie ihre Kontrahenten. (Gibt es Studien zur These, ob Atheisten und Agnostiker im Vergleich zu Religiösen gelassener und liberaler sind? Hat der Bund der Steuerzahler das Thema schonmal aufgegriffen?
    Ach verflixt, muss wohl doch selbst lesen.
    Danke 😉

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    • Revolutionär neu ist vieles nicht, aber gut fundiert. Und Möller selbst kommt aus einer sehr religiösen Familie, die aber ihren Kindern keinen grossen Druck nezüglich des Glaubens gemacht hat, weshalb die geschilderten persönlichen Entwicklungen hin zum Atheismus neben der humorvollen Aufbereitung das Buch besonders lesenswert machen. Und nein, der Bund der Nichtsteuerzahler hat das Thema noch nicht aufgegriffen 😉
      Also lesen, hilft nix.
      Sonnige Morgengrüsse von Jarg

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  4. Was war das für eine Busaktion? Danke für die Rezension! Werde das Buch auf jeden Fall lesen (Geht er übrigens auf alle Religionen oder nur das Christentum in Deutschland ein? Du hattest ja auch das Thema Beschneidung angesprochen, deswegen frage ich.)

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