Romane, in denen die Welt der Bücher – ob in Bibliotheken oder Buchhandlungen – im Vordergrund steht und Ausgangspunkt für Reisen in Parallelwelten sind, üben naturgemäß ihre ganz eigene Anziehungskraft auf mich aus. Unvergessen ist natürlich die Lektüre der Thursday-Next-Reihe von Jasper Fforde – Fantasy mit literarischem Anspruch und Niveau, die trotzdem unerhört Spaß macht. Seither habe ich eine ganze Reihe Bücher gelesen, die sich auf ähnlichen Pfaden bewegen und die Welt der Bücher gewissermaßen zur Parallelwelt machen – unter ihnen haben mich nur Mechthild Gläsers „Die Buchspringer“ und Holly Jane Rahlens „Blätterrauschen“ überzeugen können, auch wenn sie nicht an Ffordes Original heranreichen.
Genevieve Cogman nimmt eine unsichtbare Bibliothek zum Ausgangspunkt ihres Buches: hier werden einzigartige Bücher und Schriften aus verschiedenen parallelen Welten gesammelt und erforscht, von diesem jenseits Raum und Zeit liegendem Ort kann man zu anderen Welten aufbrechen. Mitarbeiter der Bibliothek müssen in unterschiedlichste Welten reisen – auch solche, die von Chaos verseucht sind und damit voller seltsamer magischer Gestalten und eigenartiger Technik sein können. Die Bibliothekarin und Agentin Irene Winters, von deren Herkunft wir wenig mehr erfahren als dass ihre Eltern Bibliothekare waren und sie ein Faible für Krimis hat, erhält den Auftrag, aus einer solchen Parallelwelt eine seltene Ausgabe von Grimms Märchen zu besorgen. Als Unterstützung bekommt sie den Lehrling Kai zugeteilt, einen seltsam schönen jungen Mann. Doch als sie in der Parallelwelt – eine Art Steam-Punk-Version des viktorianischen London – ankommen, ist nicht nur das Buch verschwunden, sondern auch noch sein letzter Besitzer Lord Wyndham brutal ermordet worden.
Schnell wird Lord Silver, ein unangenehmer Elf aus dem mächtigen Luxemburg, auf Irene aufmerksam. Auch ein Detektiv namens Vale scheint verdächtiges Interesse für den Fall des ermordeten Lord Wyndham und für Irene zu haben. Zu allem Überfluss scheint es in dieser Parallelwelt nicht nur eine äußerst ehrgeizige Konkurrentin von Irene, sondern auch Geheimorganisationen zu geben, mit denen absolut nicht zu spaßen ist. Lord Wyndham ist nicht der letzte Tote … und die Anzeichen verdichten sich, dass Irene es in diesem Fall schwer haben wird, an ihr Ziel zu kommen und zu überleben. Äußerst schwer …
Genevieve Cogman ist der spannende Auftakt zu einer mehrbändigen Reihe gelungen. Sorgfältig gezeichnete Charaktere mit Ecken, Kanten und Schwächen, ein gut aufgebauter, am Ende in furiose Action mündender Spannungsbogen, der in der zweiten Hälfte rasant Fahrt aufnimmt, und eine ausgesprochen plastische Schilderung der Schauplätze und Protagonisten kennzeichnen das Buch. Feiner Humor und eine wohltuende Distanzierung von üblichen Fantasy-Klisches machen aus dem Buch eine jener Geschichten, die man ungern aus der Hand legt, zumal man sich mit der Protagonistin Irene Winters ausgesprochen gut identifizieren kann. Sehr schön sind auch die Steam-Punk-Elemente, die in Form abstruser Technik aus dem viktorianschen London des Romans eine besonders bizarre Welt machen.
Ausgesprochen gute Unterhaltung mit Witz, Furor und Niveau, die ich gerne empfehlen kann, während ich mich auf den im August erscheinenden zweiten Teil freue.
Der dritte ist auch schon angekündigt 🙂 Bin auch begeistert!
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Siehste mal. Scheint echt Thema zu sein mit dem Reisen in literarischen Parallelwelten. Habe gerade nochmal einen Roman mit dem Sujet auf den Tisch bekommen. Mal sehen, ob der mich auch so reizt, dass ich ihn lese – und er gut genug ist, dass ich ihn hier vorstelle. An die Reihe mit „Thursday Next“ kam aber noch nix ran 😉
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Oh, noch andere Romane? Welchen hast du denn auf den Tisch bekommen? Und bei „Thursday next“ muss ich mich gleich mal schlau machen 🙂
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„Thursday Next“ von Jasper Fforde ist SEHR lesenswert. Das Buch auf meinem Tisch ist „Der Weltenspringer“ von James Riley. Keine Ahnung, ob das was taugt – wenn ja, kommt es hier vor. Wenn nein, dann schweige ich wie immer 😉
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Also „Thursday next“ ist direkt auf meiner Liste gelandet, „Der Weltenspringer“ hab ich mal an unsere Kinderbuch-Expertin weitergegeben… Danke für die Tipps:)
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Gern geschehen. Und viel Spaß bei der Lektüre!
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