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Im Namen der Tiere / Sabine Kückelmann

Es fällt schwer, alte Gewohnheiten aufzugeben, selbst wenn Fakten einem vor Augen führen, dass etwas, was wir für richtig halten, in Wahrheit auf einem System von Lügen und Verschleierung beruht. Sabine Kückelmann, Fotografin aus München, beleuchtet in diesem Film unsere Angewohnheit, zwischen Haustieren und Nutztieren zu unterscheiden und die dramatischen Folgen dieser Haltung. In diesem Fall geht es weltweit um etwa 150 Milliarden Tiere, die jährlich unter zumeist erbärmlichsten Bedingungen gehalten, gequält und getötet werden, um uns als Essen, für Kleidung oder in Tierversuchen zu dienen. Wir Menschen maßen uns dabei seit jeher eine Sonderrolle zu – und so steht selbst im Tierschutzgesetz, dass niemand Tiere töten darf – es sei denn, er hat einen vernünftigen Grund dazu:

„$ 1 Satz 2: Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“

Kückelmanns Film entlarvt diese Gründe als ausgesprochen fadenscheinig, denn vernünftige Gründe zum Quälen und Töten eines Tieres gibt es im 21. Jahrhundert für die Masse der Weltbevölkerung nicht mehr: die Landwirtschaft erzeugt Lebensmittel im Überschuss, von denen ein großer Teil allein deshalb angebaut wird, um Tiere zu füttern und so Fleisch zu erzeugen. Der Film spart dabei nicht mit drastischen, zum Teil schwer erträglichen Bildern aus Massentierhaltung, aus Schlachthäusern, Laboren und Pelztierfarmen, die sie in Kontrast setzt zu „Nutztieren“, die artgerecht leben dürfen.

Eine Reihe bekannterer und unbekannterer Experten aus dem In- und Ausland kommt zu Wort und es wird ein österreichischer Gnadenhof gezeigt, der die Tiere und ihre Bedürfnisse uch gegenüber Urlaubern ausdrücklich in den Mittelpunkt stellt. Wer gesehen hat, wie übermütig Kühe auf der Weide herumtollen, vergisst das nicht und wird Tiere danach anders sehen, so das Kalkül. Unsere Scheuklappen und insbesondere der Speziezismus unserer Art, der den Tierkonsum rechtfertigen soll, indem er den Menschen über die Tiere stellt, werden ebenso thematisiert wie die möglichen gesundheitlichen Folgen von (übermässigem) Fleisch- oder Milchverzehr. Ohne Zweifel ist der Mensch ein Allesesser – was aber nicht bedeutet, dass ihm alles gleichermaßen gut bekommt.

Dazu kommen ebenso beeindruckende wie bedrückende Zahlen und Fakten: die Urform unseres Haushuhn legt 30 Eier im Jahr und wird 15 Jahre alt, das übliche Legebatteriehuhn legt 300 Jahre und ist nach etwas mehr als einem Jahr am Ende. Ferkel werden in sieben Monaten auf 120 kg gemästet, Muttersauen bewegungsunfähig eingesperrt und Füchse zu Fuchsmutanten gezüchtet, die so viel Fell haben, dass es in Falten vom Körper herunterhängt und den Tieren Qualen bereitet. Von der Quälerei, Kälber mittels Milchernährung und eisenarmem Futter in kürzester Zeit schlachtreif zu mästen, damit man weißes, billiges Fleisch kriegt mal ganz zu schweigen Tiere – und gerade sogenannte Nutztiere – haben viel Vertrauen zu uns. Wir nutzen es schamlos aus.

Kückelmanns Film wartet mit Szenen auf, die von erschreckender Brutalität sind und deutlich machen, wie sehr die Tiere leiden und welchen hohen Preis sie dafür zahlen müssen, dass wir günstiges Fleisch, Milchprodukte, Fell oder auf Basis fragwürdiger, wenig aussagekräftiger Tierversuche entwickelte Medikamente bekommen. Zugleich zeigt der Film deutlich, welche starken Mechanismen der Verdrängung bei uns ablaufen und welchen System aus Lügen, Täuschungen und Heile-Welt-Versprechen seitens der Wirtschaft wir uns gegenüber sehen. Nicht ohne Grund ist der Film, der Haltung und Schlachtung von Tieren in ihrer ganzen Entsetzlichkeit zeigt, erst ab 16 Jahren freigegeben. Wer ihn gesehen hat, wird die panischen Blicke von Schweinen und Kühen im Angesicht der Schlachtbank nicht mehr vergessen, die Schreie der Milchkühe, denen früh die Kälber genommen werden. Stark auch eine Sequenz, die direkt nach einem Schlachthofbesuch die bizarre Welt des Oktoberfestes zeigt, wo lustige Schweine für Würstchen und Braten werben und das Vergnügen der Menschen ganz offensichtlich zum Teil auf dem vorhergehenden Leid von Tieren beruht.

Der Film hat dabei eine eindeutige Haltung: kompletter Verzicht auf Fleisch, Milchprodukte, Felle und Tierversuche scheinen auch für den Zuschauer die einzig logische Konsequenz aus diesem Alptraum an Bildern, der für die gewalttätigste, mitleidloseste Industrie unseres Planeten steht. Kein leichter Weg: denn erstens sind wir bequem und tragen alle im Alltag unsere Scheuklappen, und zweitens ist es immer ein langwieriger Prozess, sich umzugewöhnen, neue für alte Gewohnheiten zu finden oder diese ganz zu streichen.

Ein bedrückender Film, den jeder sehen sollte, der Tierprodukte konsumiert. Verschliessen wir nicht die Augen, so die Botschaft des Films, sondern schauen, spüren wir hin – bevor wir das nächste Mal Fleisch essen oder andere Tierprodukte konsumieren, und entscheiden wir dann, ob uns all das Leid kein zu hoher Preis ist.

15 Kommentare zu “Im Namen der Tiere / Sabine Kückelmann

  1. Das stimmt 100%: Vegan ist längerfristig die einzige Möglichkeit. Hat man mal begonnen nachzuforschen, bleibt kein anderer Weg. Gesünder ist es obendrein. Für uns und das gesamte Ökosystem. Nur nicht für die Geldbeutel jener, die auf Kosten versklavter Tiere leben.

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    • Ja, so ist es. Viel wäre auch schon erreicht, wenn tierische Produkte für die Masse der Menschen nicht mehr so im Fokus stehen bzw. weniger (und bessere Qualität) statt mehr die Devise sind. Ich fürchte, alle Menschen zu Veganern/Vegetariern zu machen bleibt auf lange Zeit noch Utopie …

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  2. Ich finde es gut, dass es inzwischen immer mehr dieser Dokumentationen gibt, die auf die Bedingungen der Tiere aufmerksam macht. Schwer zu verstehen fällt mir da die Balance manchmal zwischen Empathie für den Menschen und Empathie für die Tiere.
    Als Mensch ist es leicht sich Scheuklappen aufzusetzen und viele stimmen auch zu, dass sie mit solchen Bedingungen nicht einverstanden sind, doch Worte sind das Eine, Taten das andere.
    Für mch ist es eine logische Konsequenz gewesen und auch nach wie vor vegan zu leben. Für einen andeeren wiederum ist der Mittelweg, oder eine Reduktion des eigenen Konsums eine Lösung. Es ist immer wieder eine Frage der eigenen Perspektive.
    Für manch einen ist vegan extrem, zu krass, für mich einfach und keineswegs mit Verzicht verbunden. Doch damit Gewohnheiten umzustellen geht jeder anders um. Die einen gehen einen Schritt nach dem anderen, die anderen ziehen einen direkten Schlussstrich unter ihren einstigen Tierproduktekonsum.

    Alles in allem zählt jedoch jeder Schritt. Hauptsache das Thema findet Beachtung und es beginnt sich etwas zu ändern.

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    • Danke für deinen Kommentar. Ich habe mein Vegetariersein auch nie als Verzicht empfunden, obwohl viele das zumindest früher so kommentiert haben. Vegan interessiert mich zwar sehr, aber es ist zu Zeit noch ein gelegentliches tastendes Ausprobieren – und manches würde mir fehlen (das denke ich jedenfalls derzeit, was sich aber ja ändern kann). Wichtig wäre in dee Tat, dass die Menschen mehr hinsehen, mehr nachfragen und dann entscheiden, statt sich auf die Versprechen der Werbung und ihre scheinheilig idyllischen Welten zu verlassen.

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  3. Vielen Dank für den Beitrag! Ich finde die Kommentare hierzu auch sehr differenziert. Grundsätzlich ist es wichtig, Tierhaltung zu unterstützen, die einen Alternativen Weg sucht. Wie immer fehlt die goldene Mitte, die auch Menschen abholen könnte, die nicht verzichten können.
    Interessant ist hierzu das Buch „Friss oder Stirb“, was schon im ersten Kapitel die Illusion von Bio-Eiern zerstört.
    Meine Alternative derzeit (weil ich noch nciht komplett auf vegan umstellen kann), sind Milchprodukte, deren MHD bald abläuft. So rettet man Lebensmittel vor der Tonne und kann sich langsam entwöhnen (weil nciht imemr Milchprodukte im Angebot sind)

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    • Danke für den Kommentar und den Medientipp: Bio-Eier sind auch so ein 5hema. Ja, ich denke auch, dass ein Nittelweg auch schon hilfreich wäre, auch wenn ich auf der anderen Seite die Radikalität solcher Filme und ihrer impliziten Forderungen für nötig halte, um aufzutütteln. Es wäre schon viel gewonnen, wenn alle bewusster mit Lebensmitteln und ihrer Herkunft umgehen würden. Und natürlich gilt auch hier: weniger (in diesem Fall Fleisch und Milchprodukte) ist am Ende mehr.

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  4. Danke für diesen Beitrag. Ja, es ist nicht einfach, sich umzugewöhnen. Und es schmeckt ja auch so gut. Meine Frau lebt zu ca. 95% vegan, und ich versuche mein Bestes, zumindest zu etwa 80% vegetarisch zu leben. Obgleich vegetarisch leben im Grunde genommen auch schon nicht okay ist, wenn man sich die Bedingungen für Kühe in der Massentierhaltung anschaut. Ganz auf tierische Produkte zu verzichten, würde mir jedoch schwer fallen. Aber ich denke mir, wenn alle zu 80% vegetarisch leben würden (natürlich besser noch zu 95% vegan), hätte auch das bereits einen positiven Einfluss auf die Bedingungen, unter denen sogenannte „Nutztiere“ gehalten würden – weil einfach nicht mehr solche Massen von Tieren notwendig wären. Ich vermute, dass aber auch meine 80% vegetarisch schon nicht ausreichend wären, um dem Raubbau an unserem Planeten Einhalt zu gebieten, der mit dieser unwürdigen Massentierhaltung obendrein verbunden ist. Wahrscheinlich müssten es doch die 90-95% vegan sein. Bei jedem. Wenn wir nachfolgenden Generationen einen lebenswerten Planeten hinterlassen möchten…

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    • Gern geschehen und danke für deinen ausführlichen Kommentar: Ich sehe das ähnlich. Man wird so schnell nicht alle überzeugen können, den Konsum tierischer Produkte einzustellen. Aber eine deutliche Reduzierung etwa des Fleischkonsums würde schon helfen. Das Leid der Tiere ist die eine Seite, der immense Ressourcenverbrauch die andere.
      Ich selber bin seit langem Vegetarier, aber auf Milchprodukte zu verzichten fällt mir auch schwer – vor allem die Milch im Kaffee oder Müsli zu ersetzen ist nicht einfach, obwohl ich mit meinem diesbezüglich zwar reduzierten, aber vorhandenen Konsum hadere. Sojayoghurt geht ja leidlich, aber die diversen Milchalternativen schmecken entweder nicht oder sind unbezahlbar. Aber ich suche weiter …

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