Bei Peter Wohlleben steht mit Sicherheit zweierlei fest: er weiß, wovon er spricht und er kann gut erzählen. Das ist auch in seinem neuesten Buch spürbar, dass sich mit den äußerst komplexen und vielschichtigen Beziehungsgeflechten zwischen Organismen unterschiedlichster Art auseinandersetzt. Dabei stehen diesmal nicht die Bäume im Fokus, obwohl sie natürlich bei Wohlleben, dem Förster, nicht fehlen dürfen.
Erstaunt und verblüfft erfahren wir, welche Rolle Lachse für das Wachstum von Bäumen spielen, warum Borkenkäfer nicht grundsätzlich schlecht sind und welchen Einfluss Regenwürmer auf Wildschweine ausüben. Ausführlich widmet er sich auch den Einflüssen wachsender Populationen von Kranichen auf die Produktion spanischer Edelschinken. Manche Fakten dürften wie immer provozieren: so kann man durchaus die Frage stellen, ob Ameisen so schützenswert sind, wenn ihre Baue in Nadelholzwäldern angelegt werden, die in der betreffenden Region gar nicht natürlich sind. Auch Rothirsche – eigentlich Tiere offener Landschaften – haben in unseren Wädern eigentlich nichts zu suchen.
Wie stark alles miteinander verbunden ist, zeigen aber nicht nur die Fehler des Menschen oder seine mit unberechenbaren Folgen verbundenen Naturschutzbemühungen: mir bisher nicht bekannt war auch die erstaunliche Tatsache, dass Wölfe oft mit Raben gemeinsame Sache machen und ihren Nachwuchs beibringen, sich Raben gegenüber freundlich zu verhalten, was sogar zum gemeinsamen Spiel führen kann. Noch beeindruckender ist, dass das Vorhandensein von Wölfen den Lauf von Flüssen beeinflussen kann (wie im Yellowstone-Nationalpark geschehen) und der Tod von Lebewesen durch die anschliessende Zersetzung des Leichnams im großen Stil zur Fortentwicklung von Wäldern beiträgt.
Doch Wolhleben macht es sich niemals einfach: die Natur, so wird schnell deutlich, ist kein Uhrwerk, dass man regeln kann. Folgerichtig haben festgestellte Wechselwirkungen zwischen Organismen nicht selten weitere Ebenen, die sich erst bei tiefergehenden Forschungen herausstellen und manche Antwort darauf, ob etwas gut oder schlecht ist, nicht so einfach machen. Am deutlichsten wird Wohlleben dabei noch beim Auerhahn, der in unseren Breiten nichts zu suchen hat, spart aber die kritikwürdigen hohen Wildbestände bei Rehen und Hirschen generell an, die zum Teil einzig auf die Fütterung durch Jäger zurückzuführen sind und verbreitet dazu führen, dass nicht nur die stärksten Tiere überleben, sondern auch jene, die zu schwach oder krank sind, um Extremphasen zu überstehen. Ein massiver Eingriff des Menschen in den Kreislauf der Natur, der einzig in der Jagdlust der Jäger begründet liegt.
Auch wenn wir die Natur schützen, greifen wir immer ein und müssen mit unerwarteten Folgen rechnen, so das Fazit von Wohlleben. Das bedeutet nicht, dass man die Natur nicht mehr schützen soll. Im Gegenteil: Wohllebens Buch fordert einmal mehr dazu auf, die Augen zu öffnen für all die großen und kleinen natürlichen Wunder um uns herum und die Tatsache, dass alles Leben auf unserem Planeten auf die eine oder andere weise miteinander verbunden ist.
Peter Wohlleben ist einmal mehr ein überaus beeindruckendes, antegendes und einfühlsames Buch gelungen über die große, facettenreiche und wohl kaum jemals ganz durchschaubare Erzählung der Natur gelungen, dass überaus anregend und anschaulich geschrieben ist und die Augen öffnet für das Leben um uns herum.
Klingt sehr interessant. Zusammenhänge, die erst auf den zweiten oder dritten Blick sichtbar werden sind ja immer nur was für „Experten“ oder „Spinner“. Aber wenn es sie gibt, darf man das auch mal ins Allgemeinwissen überführen…
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Unbedingt. Es ist erstaunlich, was hier in den letzten Jahren an Erkenntnissen zusammengekommen ist.
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