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Melville, Hermann: Moby Dick oder: Der Wal

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„Call me Ismael“ lautet im englischen, 1851 erschienenen Original der erste Satz dieses monumentalen Romans, und fortan begleitet man den des Festlandes überdrüssigen Ismael auf seinem Weg, der ihn schliesslich zusammen mit seinem späteren Blutsbruder und Südseeinsulaner „Queequeg“ nach Nantucket und auf den Walfänger „Pequod“ führt. Der Kapitän Ahab macht sich zunächst rar an Deck, doch schliesslich ruft er in einer pathetischen Rede auf zur Jagd an dem weissen Wal, Moby Dick, der ihm einst sein Bein abriss, und lobt zur Belohnung für die erste Sic htung von Moby Dick eine an den Mast geschlagene Golddublone aus. Die Mannschaft, ergriffen von der Ausstrahlung und dem Wahn Ahabs, unterwirft sich bereitwillig seinem Ziel. Nur Starbuck, der rationale, erfahrene erste Offizier, ahnt das Unheil und wird zum Gegenspieler des Kapitäns. Nach der Umrundung des Kaps der guten Hoffnung werden etliche Wale gesichtet und von der aus allen Teilen der Welt zusammengewürfelten Mannschaft erlegt, während Ahab jedes Schiff, dem sie begegnen, nach dem weissen Wal fragt. Am Ende begegnen und jagen sie Moby Dick drei Tage lang, bis das vom Wal gerammte Schiff untergeht und Ahab von Moby Dick in die Tiefe gezogen wird. Ismael ist der einzige Überlebende und wird von einem anderen Schiff gerettet.
Moby Dick ist ein ungeschlachtes, rund 900seitiges, in verschiedenen Sprachstilen geschriebenes Trumm von einem Roman, das selbst dem Vielleser Respekt einzuflössen imstande ist. Die Erzählhandlung wird immer wieder unterbrochen von wissenschaftlichen, philosophischen, lyrischen und ironisch-satirischen Essays, Naturbeobachtungen und Traktaten sowie theaterstückähnlichen Sequenzen des Autors selbst. Zahllos sind die Anspielungen religiöser, mythologischer, geschichtlicher und naturwissenschaftlicher Art.
Die Lektüre von Melvilles Roman selbst – mittlerweile etliche Jahre her – war unerwartet fesselnd, sobald ich mich auf den Roman in der von Jendis übersetzten Fassung (Hanser, 2001) eingelassen hatte, die einen grossen Anmerkungsapparat enthält, der einem den ganzen Kosmos dieses bereits sehr modernen Romans entschlüsselt hilft. Spannend fand ich den einen von vielen möglichen Deutungsansätzen, im charismatischen Kapitän Ahab, der seine Mannschaft im Verderben um sich schart, den problematischen Führermythos des 20. Jahrhunderts vorweggenommen zu sehen. Unbedingte Leseempfehlung – ein Roman, ein Abenteuerroman, eine literarische Irrfahrt, die man so schnell nicht vergisst. Auch die ansprechend illustrierte, von Rathjens übersetzte Fassung (2001-Verlag) lohnt sich. Sehr schön dazu als belohnender Abschluss nach der Lektüre: die klassische, natürlich extrem stark verkürzende Verfilmung von John Huston mit Gregory Peck in der Hauptrolle aus dem Jahr 1956.

4 Kommentare zu “Melville, Hermann: Moby Dick oder: Der Wal

  1. Hab drei Anläufe gebraucht, um „Moby Dick“ zu Ende zu lesen (das erste Mal hab ich mir, da war ich erst 15, vorgenommen die ungekürzte englische Version zu lesen – das war definitiv zu heftig). Aber als ich es dann geschafft hab, den Wälzer zu lesen, war das ein echtes Erfolgserlebnis. Übrigens: ein toller Blog! Da ich selber extrem bibliophil bin, ist er eine großartige Anregung für mich!

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    • Moby Dick ist in gewisser Hinsicht ein Monstrum von einem Roman – ich hatte auch lange jahre Respekt davor wie du, war aber letztlich ebenso begeistert wie bereichert. Erstaunlich, wie modern der Roman ist, wenn man ihn in den Kontext seiner Zeit stellt.
      Danke übrigens für die Komplimente zu Jargsblog, über die ich mich sehr gefreut habe 🙂
      Herzlich grüsst
      Jarg

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  2. Moby Dick ist ein typisches Beispiel dafür, dass Kurzfassungen von großer Literatur richtig in die Hose gehen können. Der Originaltext ist genial, aber jede Neufassung, die ich kenne, verhunzt alles…

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