Wer die Nordsee liebt, der kennt ihn vielleicht, den Sanderling, einen kleinen, eilig am Spülsaum entlanglaufenden Zugvogel. Auch Keentied ist so ein Sanderling, aber trotzdem er eine Taschenuhr dabei hat, verpasst er die Abreise des Vogelschwarms zu den Brutplätzen im Norden. Traurig bleibt er zurück, fliegt aber weiter, da er nicht allein bleiben will. Nachdem es ihn auf eine Insel verschlagen hat, auf der eine Feder von einem anderen Sanderling entdeckt, fliegt er weiter, gerät im Sturm, bleibt im Fischernetz eines Kutters hängen, bis er schliesslich auf einem Stück Holz über das Meer treibt. Als er die Insel wieder erreicht, entdeckt er dort einen kleinen weissen Fleck am Pier. In den Zeitungen steht kurze Zeit später, dass ein Sanderlingpaar den Sommer über an der Küste geblieben ist und Eier ausbrütet.
„Keentied“ ist ein wunderbares Buch über das Glück und die seltsame Wege, die man manchmal gehen muss, um es dann doch noch zu finden. Miriam Koch hat unter anderem auf Basis von Collagen und wenigen Farben klare, beeindruckende Bilder mit wechselnden Perspektiven geschaffen, die immer wieder mit kleinen Details bezaubern: Immer wieder sind in verschiedenen Erscheinungsformen Zettel der Vogelzugkollegen auf den Seiten zu sehen mit dem Hinweis: „Wir konnten nicht länger auf Dich warten und sind gestartet“. Kleine Mücken sind zu entdecken, umweltkritische Hinweise auf Ölfässern. Miriam Koch gelingt es ausserdem, den Zauber des Meeres, seine Stille und seine rauhe Gewalt gleichermaßen in ihren Bildern einzufangen. Ein Buch, dass man nicht nur zu lesen, sondern auch beim Betrachten zu hören scheint. Wunderbares, poetisches Buch mit leisem Witz und gutem Ausgang für Wasser- und Landratten ab 5 Jahren.
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