„In einem Land, in dem die Kerzen von unten nach oben brannten, gab es einen Berg mit einem unheilvollen Namen … Es hiess, ein Schatten gehe von ihm aus, der sich wie eine einzige, tiefe Finsternis von seiner Nordseite her über das Land erstreckte, nachtschwarz und unheimlich“.
Alle, die sich ihm nähern, sind den unheilvollen Einflüssen des Berges ausgesetzt, und wer ihn besteigt, kommt verändert wieder, redet wirr, schweigt oder beginnt, merkwürdige Dinge zu tun.
Doch immer wieder finden sich Menschen, die sich nicht abschrecken lassen. So auch dieser Mann, der am Fuß des Berges anlangt und das Schild liest, das dort steht: „Sieh, wenn Du kannst“. Unerschrocken beginnt er mit dem Aufstieg, fasziniert vom sich verändernden Farbspiel der Steine. Er gelangt an ein undurchdringlich erscheinendes Dickicht, das er allen Warnungen vor zwielichtigen Gestalten zum Trotz betritt, um einen von Lampions spärlich beleuchteten Weg und schliesslich eine Treppe vorzufinden. Je mehr er an Höhe gewinnt, um so karger wird der Wald, bis nur noch merkwürdige kleine flammenartige Gewächse übrigbleiben und er hinter einem Felsvosprung ein Rauschen, Flattern, Klicken hört und er Dinge sieht, die ihm gefallen.
Rasch geht er weiter, dringt auf einen Felsabsatz vor, trifft auf seltsame reglose Gestalten, findet den Weg immer unsicherer, steiler, gefährlicher vor, fühlt sich beobachtet und weiß doch nicht von wem. Doch dann, als er nicht mehr weiter weiß, weist ihm ein winziger Käfer den Weg über eine ein Tal überspannende Brücke, an deren Ende ein Schild steht: „Siehst Du?“. Endlich findet der Mann den Gipfel, sieht glücklich bis zum Horizont und entdeckt, fern im Nebel ….
Wenn ein Kennzeichen eines literarischen Buches ist, dass es einen auch nach dem zweiten oder dritten Lesen immer noch zu beschäftigen vermag, ja sich zwischen den Zeilen und Bildern immer wieder neue Fragen und Bedeutungen eröffnen, und wenn auch Kinderbücher Literatur sein können, woran eigentlich kein Zweifel bestehen kann, dann sind Einar Turkowskis Bücher ganz sicher der Literatur zuzuordnen. Seine Bilderbücher reichen weit über ihr Genre hinaus, bezaubern, befremden und bereichern zugleich
So eröffnet auch „Der Rauhe Berg“ dem geneigten Leser neue Horizonte und vermag beim Lesen und Vorlesen Erwachsene und Kinder gleichermaßen zu begeistern. Unheimlich kommt dieses Geschichte daher, fantastisch und seltsam: gebannt folgen wir dem Mann, dem das Schild „Sieh, wenn Du kannst!“, Aufforderung und Ansporn zugleich ist, bei seinem Aufstieg auf diesen Berg, dieser Metapher für das Leben und seine Überraschungen, seine engen Wege und überraschenden Volten. Und auch wir, die wir dem Mann folgen bei seinem Aufstieg, verfolgen gespannt dieses eigenartige, bewegende und letztlich beglückende Abenteuer, gruseln uns, wenn es ein wenig unheimloch wird, und wollen doch das nächste Bild sehen, die nächste Ansicht hinter dem nächsten Felsvorsprung. Und wir sehen genau hin, sehen die wunderbaren Bilder von Turkowski und sehen darüber hinaus, ins Leben und in uns selbst. Was mehr kann man von (Kinder)literatur erwarten?
Es heisst auf dem Buchrücken, dies sei die „Künstlerparabel eines Buchkünstlers“ Aber es ist mehr: ein beglückendes, tief bewegendes Leseerlebnis, das lange nachwirkt und Raum für die eigene Gedanken und Interpretationen lässt. Die Bildsprache Turkowskis ist ausgesprochen eindrucksvoll, eigenständig und kraftvoll und geht mit dem sprachlich ausgefeilten, schön zu lesenden Text eine wunderbare Verbindung ein. Für Menschen ab etwa sechs Jahren.
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Eine wahrlich Interesse weckende Besprechung.
Ich kenne bisher dieses Buch noch nicht
und auch noch nicht den Autoren,
aber das wird sich demnächst sicherlich ändern.
Gourmandise
bzw. Lectrix
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Lohnt sich. Er macht außergewöhnlich schöne Kinderbücher, grafisch und inhaltlich sehr ansprechend!
Herzlich grüsst
Jarg
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Das klingt sehr gut, danke, lieber Jarg : )
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„Da nich für“! 😉
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Eine wunderbare Besprechung, lieber Jarg.
Danke.
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Danke! Stets gerne, wenns erfreut!!
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