
Die meisten kennen ihn als Rechtsmediziner Dr. Roth aus dem Kölner Tatort. Aber Joe Bausch ist nicht nur Schaupieler mit einiger Theater- und Fernseherfahrung auch abseits des Fernsehkrimis, sondern auch studierter Mediziner und als solcher seit 1986 Gefägnisarzt in der Justizvollzugsanstalt Werl.
In „Knast“ berichtet er von seinem Alltag als Gefägnisarzt in Werl. Wer jetzt reisserische Geschichten aus der harten Welt des Strafvollzugs erwartet hat, wird sich enttäuscht sehen. Zwar nimmt Bausch kein Blatt vor den Mund und beschreibt schonungslos und offen, was einen Häftling im Gefängnis erwartet, wie die Hierarchien zwischen Verbrechensarten und nationaler Herkunft verteilt sind. Bei ihm als Arzt werden sie alle vorstellig, ob mit echten oder vorgetäuschten Kranlheiten: die Bankräuber, Betrüger, Vergewaltiger, Mörder, Kinderschänder, Drogenhändler und Totschläger. Doch Bausch gelingt es trotz vorhandener innerer Widerstände, seine professionelle Distanz als Azrt zu wahren und dem Kriminellen zunächst als Menschen zu begegnen. Mit dieser Haltung gelingen ihm nicht nur eindrucksvolle Einblicke in die zum Teil haarsträubenden Hintergründe und seelischen Umstände mancher Tat (etwa bei einem ehemaligen afrikanischen Kindersoldaten und Flüchtling): er beginnt in seiner jahrelangen Praxis mit Strafgefangenen auch darüber zu reflektieren, wie ein moderner Strafvollzug aussehen könnte, der nach Möglichkeit allen Kriminellen die Möglichkeiten zur Resozialisierung böte, die für sie nötig und gegebenenfalls auch umsetzbar wären.
Zum Glück ist auch nach Sicht von Bausch die Zeit des „Bete und Büße“ in deutschen Haftanstalten vorbei, hat sich vieles an den Haftbedingungen verbessert hin zu einem Strafvollzug, der die Würde des Menschen auch dem Strafgefangenen zusteht. Dennoch fordert er, mehr in die Prävention zu investieren, soziale Deprivation und Verhaltensauffälligkeiten bereits bei Kindern und Jugendlichen frühzeitig in den Fokus zu nehmen. Auch die Rolle von Krankheiten etwa im Hirnbereich, von nicht diagnostizierten psychischen Leiden oder genetischen Dispositionen bei kriminellen Karrieren müsse stärker berücksichtigt werden. Vehement setzt er sich für die weitgehende Abschaffung der in den Siebziger Jahren bei der Liberalisierung des Strafvollzugs eingeführten Gemeinschaftszellen ein, fordert gut ausgebildetes, auf den jeweiligen Schwerpunkt einer Gefängnisabteilung eingestelltes Personal und Möglichkeiten der regelmäßigen Supervision.
Hart geht er ins Gericht mit einer Politik, die aus wahltaktischen Überlegungen die harte Kante fährt und dabei die auch für Gefangene geltenden Menschenrechte eher beseite schiebt – etwa, wenn es um heikle Themen wie die Sicherungsverfahrung geht.
Bausch erlaubt uns einen tiefen Einblick in Knastalltag, Gefangenenseele und den heutigen Strafvollzug und überzeugt mit seinen Forderungen nach Prävention und menschlichen, resozialisierenden und am Menschenrecht orientierten Haftbedingungen. Ein beeindruckender, stellenweise beklemmender Bericht aus einer Welt,von der die meisten Menschen nichts wissen wollen und in die man doch unter Umständen leichter hineingeraten kann, als viele von uns denken.