Natürlich ist es betrüblich, wenn der eigene Urlaub schon vorbei ist, während die Familie noch die Vorzüge des südlichen Brezelparadieses nutzt, täglich im Badesee schwimmt und morgens bis 9:00 Uhr schlafen kann.
Andererseits gibt es freie Tage und mit der Abwesenheit der Familie die Chance für Extratouren und Ausflüge, gerade bei diesem von mir so geliebten trockenheissen wetter. So sattelte ich am vergangenen Mittwoch den „Hobel“, mein altes, ein wenig heruntergekommenes Herrenrad mit der wunderbaren Drei-Vierhalbe-Nabenschaltung (eigentlich ein Fünfgänger) und der infernalisch lauten Trommelbremse, packte den Kompass, ein wenig Verpflegung und zwei große Möhren ein und beschloss, gen Henstedt-Ulzburg zu radeln. Eine Karte brauchte ich nicht, denn im Norden der Stadt kannte ich zwar nicht jeden Strauch, aber doch viele Ecken, die ich in jüngeren Jahren bei ausgedehnten Touren im halsbrecherischen Tempo abgefahren war.
Aufgrund glücklicher wohntechnischer Umstände bedeutet das, dass ich auch beim Exodus aus Hamburg nahezu permanent im Grünen fahren kann, bis ich endlich an den Stadtrand gelange: von dort ging es über asphaltierte Feldwege, Sandpisten und Waldwege an Hasloh westlich vorbei über Quickborn und den nördlichen Rand Norderstedts bis in ein Naturschutzgebiet unweit von Henstedt-Ulzburg, dem eigentlichen Ziel und nebenbei auch noch südlichsten Stadtteil Henstedt-Ulzburgs, jener noch aus Dieter Wedels 1972er Hausbaumehrteiler „Einmal im Leben“ der geneigten televisierenden Sofakartoffel fortgeschrittenen Alters bekannten Stadt. Dort finden sich nicht nur zahllose schreckliche Einfamilienhäuser aus dem späten 20. und frühen 21. Jahrhundert, sondern kurz dahinter auch besagtes Gebiet.
Der Weg über Quickborn erweist sich trotz gelegentlich notwendiger Querungen der Autobahn 7 immer noch als ausgesprochen schön, führt er doch durch abgeschieden scheinende Landschaften, in denen man ausser Pferden auf der Weide eigentlich nur gelegentlich freiradelnde Rentner trifft, die meistens keine große Gefahr darstellen, sofern sie nicht Pulks auftreten.
In der Nähe von Norderstedt finden technikinteressierte Radler dann ein mehr oder weniger schönes Umspannwerk und können sich am freundlichen Knistern der Elektrizität erfreuen, während Elektrosmoggläubige entsetzt das Weite suchen oder sich bereits über die zunehmende Dichte an Betonmischern wundern. Für letztgenanntes Phänomen findet sich rasch eine Erklärung, denn schon wenige Kilometer weiter finden sich große Betonwerke – und endlich wird es dem geneigten tagespolitisch interessierten Radler klar, was hier vor sich geht: die Deutschen nehmen endlich die Mahnung von Innenminister Friedrich war und sichern ihre Daten.
Natürlich in Beton, jenem schon früher mit so wunderbaren Sprüchen wie „Hoffentlich ist es Beton“ beworbenen Baustoff. Und das Umspannwerk ist nur Tarnung, denn da kommen aus ganz Deutschland nach Friedrichs Aufforderung jetzt die zu schützenden Daten der Bürger an, weshalb es so laut brizzelt und brazzelt. Deshalb ist auch Pofalla nirgendwo zu sehen, denn der muss das ja alles koordinieren, der Arme.
Leider konnte ich mangels Zeit nicht herausfinden, ob dieser Trend bisher nur in Henstedt-Ulzburg und Umgebung vorherrscht oder auch anderorts in Deutschland Datenschutzbetonbunker entstehen, denn just, als ich einen jener Betonmischer in waghalsiger Überschätzung meiner ersehnt jugendlich gebliebenen Kräfte waghalsig verfolgen wollte, ging der vierte Gang nicht rein.
So ist das Leben. Ich hatte nach jenem etwa halbstündigen Abschnitt, der meine Fahrt durchs Grüne durch eine autobelebte Gewerbegebiets- und Verbindungsstraßenwüste unterbrach, eh genug vom Grau und liess den Betonmischer ziehen. Ich wollte Grün sehen – und wurde belohnt. Denn jetzt kam ich bald zu jenem ersehnten recht weitläufigen Naturschutzgebiet, dass wir neulich bereits per Auto aufgesucht hatten. Und dort fand ich auch die Weide wieder, auf der unser Pferd zurzeit steht und Urlaub macht. Nur die Möhren, die wurde ich nicht los. Denn die Herde war gerade ganz am Ende des riesigen abgelegenen Feldes und graste versonnen in der Mittagssonne, während vorne am Gatter ein paar Wallache, die vergessen hatten, dass sie Wallache waren, ein paar kleine Rangeleien um die Wasserstelle hatten. Da mochte ich als der nicht reitende Teil der Familie nicht stören, aß die Möhren selber und fuhr einen wunderschönen Weg aus dem Gebiet wieder hinaus.
Und das Pferd? Das gibt es hier ganz klein. Warum? Datenschutz natürlich!
Schöne Ecke, schöner Radelausflug. Was die radelnden Rentner angeht – diese Gruppen sind hier natürlich auch. Doch, was schlimm ist: sie radeln fröhlich an einen vorbei!! Sie haben nämlich mittlerweile alle E-Bikes. Elekrosmog ist schnurzpiepe 🙂
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Ja, das stimmt. Die rasen an einem vorbei. Aber manchmal weis man nicht, ob sie ihr schnelles und schweres Gefährt wirklich beherrschen. Da hatte ich schon so meine Erlebnisse … und da hilft dann nur nich sehr vorausschauendes (und auf ein Surren hinter sich achtendes) Fahren 😉
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