Wer sich im täglichen Hamsterrad befindet, kennt das vielleicht: man steigt in die Bahn mit vielen anderen und fragt sich unwillkürlich im deutlichen Empfinden hunderter gleicher Situationen in der Vergangenheit, was man hier eigentlich macht, unter Umständen verbunden mit diffusen Sehnsüchten, diesen Kreislauf zu durchbrechen, etwas anders zu machen. Der erfolgreiche Unternehmensberater Markus Maria Weber fragt sich eines Morgens beim Anblick all der Anzugträger, die mit einem Plastikbecher voll Kaffee in den Zug steigen, ob es in den Ländern, aus denen der Kaffee kommt, auch so hektisch zugeht, und zieht eine unbewusste Verbindung von Coffee to go zum afrikanischen Staat Togo. Noch im Zug trifft er den Entschluss: er wird von Deutschland aus mit dem Fahrrad nach Togo in Westafrika fahren und dort einen Kaffee trinken.
Tatsächlich wird dieser spontane Vorsatz Wirklichkeit: ein paar Monate später fährt Weber, der bisher keine Erfahrungen mit langen Strecken auf dem Fahrrad hat, mit seinem vollgepackten rosafarbenen Rad los und reist über den Donauradweg bis in den Osten Europas, um dann aufgrund der veränderten weltpolitischen Lage via Griechenland, Italien und Spanien Richtung Gibraltar zu radeln. Dort nimmt er die Fähre und fährt immer weiter und weiter, bis er nach etwa einem Jahr, 26 Ländern und 14000 Kilometern in Togo ankommt. Er übernachtet im Zelt und in einfachsten Hotels, muss sich mit rumänischen Hunden rumärgern, Stechmückenattacken stoisch ertragen und sich im afrikanischen Verkehr behaupten. Es geht über Staub- und Matschpisten, gut ausgebaute Straßen und schmale Dschungelpfade, hoch in den Atlas und durch die für Westler gefährliche Westsahara. Er fährt allein und mit temporären Reisegefährten aus Frankreich, Deutschland, Spanien und Argentinien. Weber lernt improvisieren, übersteht schräge Grenzkontrollen, einen Schlangenangriff und die Malaria und wird am Ende nicht nur herausfinden, wie Kaffee in Togo schmeckt und was man gegen einen handfesten Fluch tun sollte, sondern auch einen anderen Blick auf Westafrika haben als jenen, den wir aus den Nachrichten kennen.
Weber ist ein ausgesprochen spannender Reisebericht gelungen, den man kaum aus der Hand legen mag. Dabei hält der Autor mit der Naivität, mit der er einige Momente der Reise geplant hat, nicht hinter dem Berg: etliche Visa besorgt er sich erst unterwegs und nimmt es mit der Malariaprophylaxe am Ende so lasch, dass es ihn das Leben hätte kosten können. Fasziniert verfolgt man seine Route und es wird rasch spürbar, wie sich mit fortschreitender Reise der an Luxushotels und Flugzeugreisen gewöhnte Weber verändert, bis er am Ende ein anderer geworden ist, da er sich im besten Sinne des Wortes hat befremden lassen auf seiner langen Fahrt. Es ist daher kaum verwunderlich, dass er nach seiner Rückkehr auch einiges an seinem Leben verändert: er hat mittlerweile Familie und ist er zwar noch als Unternehmensberater tätig, aber in einem Unternehmen, das gezielt Menschen mit Autismus als Berater einsetzt.
Ein ausgesprochen lesenswerter, lebendig geschriebener Reisebericht, dessen Lektüreabenteuer ich Radfahrern und anderen Menschen, die gerne real oder im Kopf reisen, gerne empfehle.
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Das hat mich so angesprochen, ich habe es mir gleich bestellt!! Danke ❤️
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Dann hoffe ich, dass dir die Lektüre so gefällt wie mir.
Ein wunderbares Wochenende wünscht Dir
Jarg
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