Wo sich mit Oktopoden vielleicht noch speziesübergreifende Kommunikationsmöglichkeiten finden lassen (vgl. das wunderbare Buch „Rendezvous mit einem Oktopus“) und die Distanz zwischen Wirbeltier Mensch und höher entwickelten Kopffüßern zumindest partiell und ansatzweise überbrückbar scheint, scheint uns die Lebens- und Erlebniswelt der Medusen oder Quallen so fremdartig, so bizarr, als wären sie Lebenwesen von einem fernen Planeten. Dabei gehören sie zu den urtümlichsten Tieren, die es überhaupt auf unserem kleinen, unbedeutenden Planeten gibt: Fossilien von Nesseltieren finden sich bereits in den bis zum 541 Millionen Jahre alten Schichten des Kambriums, in denen sich auch Vorstufen der Wirbeltiere entdecken lassen.
Lisa-Ann Gershwin führt uns in ihrem opulent ausgestatteten Buch durch die seltsame Welt der Quallen mit all ihren Erscheinungsformen, die von winzigen Vertretern bis hin zu den Riesenstaatsquallen riecht. Nach einem umfangreichen Kapitel zur Anatomie der Quallen, die an Pflanzen erinnert und etliche strukturelle Besonderheiten aufweisen bis hin zur potentiell irrwitzig hohen Reproduktionsrate. Der Lebenszyklus der Quallen wird ebenso eingehend dargestellt wie die Evolution der Tiere und ihre heutige ökologische Bedeutung, die maßgeblich durch das Verhalten des Menschen im Bezug auf die Überfischung der Meere beeinflußt wird. In sämtlichen Kapiteln werden dabei beispielhaft besondere Quallenarten vorgestellt, die die beschriebenen Sachverhalte besonders anschaulich machen. Dabei dürfen Riesenstaatsquallen von bis zu 50 Meter Länge natürlich ebensowenig fehlen wie die faszinierend giftigen Arten, unter denen die Portugiesische Galeere ebenso ausführliche Erwähnung findet wie die Seewespe.
„Quallen“ beschäftigt sich auch mit der Beziehung zwischen Quallen und Menschen, die durchaus zwiespältig ist und sich nicht darauf beschränkt, dass ein Teil der Menschen Quallen auch als Nahrung schätzt und der andere eben nicht. Während viele Menschen Quallen mit Gleichgültigkeit begegnen oder sie allenfalls als lästige gallertige Stranderscheinung betrachten, gibt es nicht wenige, die von ihrer Schönheit bezaubert sind. Die Forschung beschäftigt sich schon lange mit Quallen, von denen eine erbsengroße Art als quasi unsterblich gilt. Überfischung, Klimawandel, Überdüngung, Chemikalieneintrag, Versauerung der Meere und Müll als quallenbegünstigendes Element beeinflussen mittlerweile massiv das Leben und die Vielfalt von Quallen im Meer.
Ein wunderschöner, ausgesprochen inhaltsreicher und in jeder Hinsicht herausragender Bildband zu einer verkannten Tierart, deren Vielfalt und besondere Lebensweisen ebenso erstaunen wie faszinieren.
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