England. Lyle Bowman, 83jähriger Vater der seit sieben Jahren nicht mehr miteinander redender erwachsener Söhne Billy und Greg, wollte eigentlich nur eine Pause von den Malerarbeiten in seinem Haus machen. Doch leider greift er statt zum Wasserglas zum Glas mit dem Pinselreiniger, wankt daraufhin mit Süßhunger zum Supermarkt und wird kurz darauf in deutlich alkoholisiertem Zustand überfahren. Jetzt treffen sie alle wieder aufeinander: Greg, schwarzes Schaf der Familie, der nichts recht machen konnte und als Professor für Geschichte in den USA arbeitet, Billy, der Verlagsvertreter und Fußphobiker, der alle Hoffnungen enttäuschte, unglücklich mit der ehrgeizigen Jean verheiratet ist und zusammen mit ihr, seiner exaltierten 7jährigen Tochter Katy und der überkandidelten Schwiegermutter in einer Villa wohnt, der fast 80jährige Onkel Frank, der sich mit jedem anlegt, vom Wilden Westen träumt und offenbar einen Banküberfall plant, und die geheimnisvolle junge Frau, die ebenso überraschend auf Lyles Beerdigung auftaucht wie verschwindet und Greg vage bekannt vorkommt.
Das alles könnte auf die üblichen zwei, drei Wochen nach einem Todesfall hinauslaufen, in denen man trauert und gleichzeitig den Nachlass regelt. Doch plötzlich erscheint Greg, der im wegbröselnden Elternhaus der Familie wohnt, bevor dieses verkauft werden soll, eine seltsame Gestalt in alten Fummeln: es ist Lyle, der wegen Abwicklungsfehlern im Jenseits vierzehn Tage Dispens erhalten hat, um noch ein paar Dinge auf Erden zu regeln. Greg ist der einzige, der ihn sehen kann und soll jetzt dafür sorgen, dass Onkel Frank keinen Blödsinn macht und Billy, der nur noch vorgibt, einen Job zu haben, in die Spur kommt. Greg gibt sein Bestes, auch wenn es nicht einfach ist, die Familie wieder zusammenzubringen und er auf überraschende Geheimnisse stösst, die auch ihn selbst aus der Bahn werfen.
Henderson, der mit „Letzter Bus nach Coffeeville“ ein ebenso berührendes wie komisches Debüt gegeben hat, legt mit „Der Vater, der vom Himmel fiel“ eine warmherzige und zugleich überaus absurde, mit britischem Humor gewürzte Geschichte um eine aus der Bahn geworfene Familie vor, die qua Bearbeitungsfehler im Jenseits nochmal eine Chance erhält. Daraus webt er eine Geschichte, in der sich Tragik, Melancholie, Emotion und Komik wunderbar die Waage halten, ohne das die Erzählung je in Banalitäten, Kitsch oder Rührseligkeit abdriftet. So folgt man gebannt dem Fortgang der Ereignisse, hat immer mal wieder eine Träne im Knopfloch, um im nächsten Moment schallend loszulachen. Henderson findet dabei für alle aufgenommenen, am Ende zusammengeführten Themen ein in Teilen unerwartetes, in jeder Hinsicht überzeugendes Ende.
Ein Buch voller Wärme und Humor, das man am Ende beglückt und doch auch mit leisem Bedauern, die Protagonisten nun wieder sich selbst zu überlassen, aus der Hand legt.
Auf die Leichen in den Kellern, und die Subjektivität.
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Skøl.
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Ich fand es eher flach und beliebig erzählt, dabei hat mich der letzte Bus wirklich berührt und begeistert. Schade, hat mich sehr enttäuscht.
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Hm, schade. Ich habe mich amüsiert, obschon der „letzte Bus“ sicher insgesamt besser war. Aber mein Qualitätsradar war zu der Zeit, in der ich das Buch las, stressbedingt eher niedrig und auf Unterhaltung eingestellt: möglicherweise schlug damit die jargsblogimmanente radikale Subjektivität in der konkreten rezensionären Bewertungsfindungslage situativ voll inhaltlich durch 😉
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Manchmal stösst mir sowas ja Jahre später negativ auf: so habe ich tatsächlich mal lobend eine CD von James Blunt hier rezensiert (https://jargsblog.wordpress.com/2011/02/02/some-kind-of-trouble-james-blunt/). Möglicherweise hast du also eine künftige Leiche in meinem Keller entdeckt 😉
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Deswegen greife ich in stressigen Zeiten gerne zu trash. Da ist der Radar aus. 😉
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