
„Als ich wieder in der Hütte war und das Feuer schürte, spürte ich zum ersten Mal, dass er mir fehlte, und dieses Gefühl versetzte meinem Herz einen schrecklichen Schlag, denn auf einmal begriff ich die wahre Bedeutung des Wortes ‚tot’. Es bedeutet, dass niemand sieht, wie man lebt und was man tut.“ (aus: „Winter in Maine“).
Eine Hütte in den Wäldern von Maine, kurz vor dem Winter. Der wortkarge Julius Winsome lebt seit seiner Kindheit in dieser kleinen Hütte, die eine Bibliothek von über dreitausend Bänden enthält. Er lebt von kleinen Jobs und liebt neben seinen Büchern nichts mehr als die Gesellschaft seines Hundes Hobbes. Eines Tages hört er in der Jagdsaison einen Schuss unweit der Hütte und denkt sich nichts dabei. Dann geht er vor die Tür und entdeckt entsetzt den aus nächster Nähe erschossenen Hobbes.
Der Verlust trifft ihn unvermittelt und tief, und Julius taucht ein in die Erinnerung an die erlittenden Verluste seines Lebens: seine Mutter, die bei der Geburt stirbt, der Vater, der ihn allein großzog und ihm die Sprache Shakespeares nahebrachte und Claire, die einzige Frau, die es je in seinem Leben und nur für einen Sommer gab. Am folgenden Tag holt er das alte gewehr seines Großvaters aus der Scheune und beginnt sich für den Verkust des Hundes zu rächen. Er erschiesst jene Jäger, die er für den Tod des Hundes verantwortlich macht.
Ein melancholisches, schwermütiges Buch über einen einsamen Menschen, dessen zurückgezogenes menschenfernes Leben unvermittelt gestört wird: durch durch die Tötung des Hundes wird die Trauer und Einsamkeit eines Menschenlebens aufgewühlt, und der ruhige, zurückgezogene Julius Winsome gerät ausser sich, verstrickt sich ihn Wahn und Widerspruch. Ein Roman, der verstört, traurig macht und denoch voller tiefer menschlicher Wärme ist. Der Autor entzieht sich jeder moralischen Wertung und berichtet von verlorenem Glück, von Einsamkeit und jenem schmalen Grat, jenseits dessen ein Mensch zum verzweifelten, verletzten, Rache suchenden Mörder werden kann. Ein hochliterarisches, auch sprachlich ungemein ansprechendes und in der psychologischen Beschreibung und Entwicklung seiner Hauptfigur überzeugendes Buch.
Dies war meine Begegnung mit Winter in Maine https://allesmitlinks.wordpress.com/2011/09/06/winter-in-maine/
und ich hoffe Du hast mittlerweite Letzte Nacht in Twisted River gelesen.
https://allesmitlinks.wordpress.com/2012/07/20/letzte-nacht-in-twisted-river/
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Oh, „Twisted River“ las ich schon 2010, als dieser Blog noch jung, frisch und auf,üpfig war. Den hätte man in der Tat hier noch als Referenz erwähnen können. Also den Roman, nicht den Blog 😉
Herzlich grüsst dich
Jarg
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Pingback: »Der Stärkere besiegt den Schwächeren, so geht der Krieg« | SchöneSeiten
Hört sich alles sehr in der Nähe von John Irvings „Last night in twisted river“ angesiedelt an.
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Kenne vom neuen Irving leider bisher nur die Vorankündigungen der deutschen Übersetzung …
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