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Herbstgold / Regie und Drehb.: Jan Tenhaven. Kamera: Marcus Winterbauer. Musik: Andy Baum. Darst.: Alfred Proksch; Herbert Liedtke; Gabre Gabric; Ilse Pleuger; Jiří Soukup.

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„Mein Ziel ist es, mein Leben zu verlängern und sicher zu gehen, dass mein Blut jeden Tag durch meinen Körper zirkuliert. Das ist was ich will. Ich glaube, wenn ich jetzt Schluss machen würde, dann sterbe ich in einem Monat. Aber ich will euch überleben!“ (Herbert Liedtke, 93 Jahre, 100m-Läufer).
Ihr Ziel ist die Teilnahme an der Leichtathletik-Weltmeisterschaft im finnischen Lahti 2009. Sie trainieren hart. Sie haben einen Traum: sie wollen gewinnen. Das Besondere? Sie sind zwischen 80 und 100 Jahre alt und gehören damit nach allgemeiner Vorstellung zum alten, verrosteten Eisen: Der Grafiker und Diskuswerfer Alfred Proksch (100) aus Wien und die Diskuswerferin Gabre Gabic (94) aus Bescia, beide bereits Teilnehmer an den olympische Spielen 1936, der Taxiunternehmer und 100m-Läufer Herbert Liedtke (93) aus Stockholm, die Kugelstoßerin Ilse Pleuger (85) aus Kiel und der Hochspringer Jiří Soukup (82) aus Tschechien.
Regisseur Jan Tenhaven begleitet sie zwischen 2008 und 2009 mit der Kamera durch ihren Alltag und ihr Training, zeigt ihre ganz persönlichen Motivationen und Haltungen. Entstanden ist ein Film, der sich einfühlsam, doch ohne Scheu, Tabus oder Schonung seinen Protagonisten und ihrem trotzigen, ehrgeizigen und oft selbstironischen Kampf gegen das Alter und den Verfall des Körpers nähert, weder Falten noch Rückschläge ausspart oder die Widersprüche zwischen alterndem Körper und lebensfrohem Geist. Man lacht mit den alternden Sportlern und hat doch eine Träne im Auge, fiebert mit und erkennt, dass das Altern nicht nur ein bedrohlich empfundener Weg nach unten sein muss, sondern lebenswert sein kann.
„Was ist eine alte Frau? Was soll das bedeuten, „alte“ Frau? Sag mir, wer soll das sein, „alte“ Frau? Wer? Ich nicht.“ (Gabre Gabric)
Beeindruckend die Willenskraft und Zähigkeit, der Humor und die physische Leistungsfähigkeit der hochbetagten Athleten, ihr Witz und ihre Lebenshaltung. Alfred Proksch etwa, der Diskuswerfer, schafft es trotz eines neuen Kniegelenks zäh und willenstark nach Lahti; Jiří Soukup, der von seiner ihn humorvoll zugewandten Frau unterstützt wird und Treppenhäuser hochjoggt; der selbstironische Herbert Liedtke, der mit einer Geschwindigkeit joggt, die man einem Über-Neunzigjährigen kaum zugetraut hat und bei manchem schlappfettigem Zwanzigjährigen vermisst. Tenhaven lässt den Zuschauer dabei ganz nah dabei sein – und man meint selbst zu spüren, wie gern man die Muskelanspannung, die Bewegung, der schlagende Herz den Jahren zum Trotz noch fühlen mag, welche starke Lebenssehnsucht ein alternder Mensch noch empfinden kann.
Was für ein wunderbarer, verdientermaßen zig-fach ausgezeichneter Dokumentarfilm! Lebensbejahend, optimistisch, bewegend und humorvoll zugleich zeigt er, dass man in jedem, also auch im hohen Alter geistig und körperlich und insgesamt so beweglich zu bleiben versuchen sollte, wie es irgend geht. „Kopfstand statt Ruhestand“ scheint jedenfalls ein gutes Lebensmotto für den Weg ins Alter!
So, genug gejubelt – jetzt läuft Jarg noch schnell eine halbe Stunde durch den Wald. Wer weiss, wozu das Training in 50 Jahren mal gut ist!?

2 Kommentare zu “Herbstgold / Regie und Drehb.: Jan Tenhaven. Kamera: Marcus Winterbauer. Musik: Andy Baum. Darst.: Alfred Proksch; Herbert Liedtke; Gabre Gabric; Ilse Pleuger; Jiří Soukup.

  1. „Wer weiss, wozu das Training in 50 Jahren mal gut ist!? “ Also, ich weiß immerhin, wozu es nach fast 20 Laufjahren gut ist: Auch, wenn ich selbst gern jammere und klage und denke, meine Güte, bist Du alt geworden – im Vergleich zu anderen Damen meines Alters und durchaus auchwesentlich jüngeren schneide ich in Ausdauer und Beweglichkeit und auch BMI ziemlich gut ab. Nur Schnellkraft, die hatte ich nie und habe ich nicht – im Sprint läuft mir auch ein Hundertjähriger noch locker davon:-)
    Schöne Empfehlung, den Film möchte ich sehen! LG, Manuela

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    • Geht mir auch so. Ich laufe seit 1984 (also erst seit gegen Ende der Schulzeit, die mir, obwohl immer bewegungsfreudig, den Sport zunächst gründlich vergällt hat). Seither habe ich manchen anderen Sport gemacht, aber das Laufen und die Freude an dieser ursprünglichen Art der Bewegung in der Natur ist immer geblieben – und auch im Alltag nützlich, wenn die Zeit zum Umsteigen zwischen U-Bahn und Regionalexpress mal wieder knapp wird. Und jetzt freue ich mich darauf, dass mich meine Lütten demnächst beim Joggen begleiten werden.
      Der Film ist wirklich beeindruckend und sehr zu empfehlen … LG von Jarg

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