Was für ein Buch! Wolfgang Büscher, der auf Jargsblog bereits mit dem Buch „Asiatische Absencen““ ausgesprochen positive Ressonanz fand und mit „Berlin – Moskau zu Fuß“ ein weiteres viel beachtetes Werk geschrieben hat, ist es mit „Hartland“ wieder einmal gelungen, die hohen Erwartungen an ihn als Reiseschriftsteller der bemerkenswerten Art zu erfüllen.
Diesmal macht Büscher sich auf, Amerika von Nord nach Süd auf einer Strecke von 3500 km zu durchqueren. Nichts besonderes, mag der polyglotte, reiseerlebnisliteratursatte Leser meinen – aber Büscher durchquert das Autoland USA vorzugsweise zu Fuß: das macht ihn nicht nur suspekt für die teilweise leicht paranoiden Grenzbeamten bei der Einreise von Kanada aus, sondern auch für einen Gutteil der amerikanischen Bürger, die einen zu Fuß reisenden Menschen offenbar für entweder hoch verdächtig, verrückt oder verschroben halten.
Im Winter seine Wanderung beginnend, stapft er durch den Schnee der nördlichen amerikanischen Prärie, durch die bereits vorfrühlingshaften Great Plains und dann entlang der alten Route 77 bis zum Rio Grande. Nebraska, Kansas, Oklahoma, Texas durchquert er bis zu seinem Ziel: der Grenze nach Mexiko. Er schildert Landschaften fern jeglichen Touristeninteresses und Menschen in ihrem Alltagsrad, verlassene oder aus der Zeit gefallene Orte, große Städte und tiefe Provinz, über seltsame Landstrassenbegegnungen und eigenartige Mitfahrgelegenheiten. Er schläft in seltsamen Unterkünften wie in einem halb verfallenen Haus in einem verlassenen Ort, in einem uralten geisterhaften Hotel, in dem die Zeit stehen geblieben ist, in einem altherrschaftlichen Herrenhaus und (fast) in einem Obdachlosenasyl. Er lässt sich einen rostigen Revolver verkaufen, lernt einen skurillen indianischen Cowboy, eine Sektenchef und einen sterbenskranken, die Einsamkeit suchenden Armyveteranen kennen, trifft Träumer, Spinner und – neben übereifrigen Sheriffs – auch und immer wieder Menschen, die ihm, dem Wanderer im Autoland Amerika, weiterhelfen. Aber Büscher wäre nicht Büscher, würde er neben eigenen Erlebnissen und Reflexionen nicht auch geschickt historische Fakten in sein Wortgewebe einknüpfen: vom Wounded Knee und Crazy Horse, die Erschliessung des Kontinents, die große Dürre der 30er Jahre und die Flucht nach Westen, die vergebliche Suche nach El Dorado und amerikanische Paranoia der Gegenwart.
Das alles wird zu einer Prosa, die zu Recht vom SPIEGEL gelobt wird als „zum Besten“ gehörend, „was in den letzten Jahren in deutscher Sprache erschienen ist“. Büscher treibt durch dieses gigantische Land und der Leser folgt ihm, seiner Reise und seinen Worten – und Büscher gelingt es, ihn, den Leser, die Leserin mitzunehmen, ihn zu packen vom ersten bis zum letzten Wort. Ein wunderbares Buch und ein Reiseschriftsteller, der den Vergleich mit einem Bruce Chatwin, einem Patrick Leigh Fermor nicht zu scheuen braucht.
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