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Eisenfresser / Drehbuch, Regie und Kamera: Shaheen Dill-Riaz


Ohne sie müsste Bangladesh den Stahl für Betonbauten importieren. Sie arbeiten barfuss, ohne Sicherheitsausrüstung. Sie kommen aus dem Norden des Landes, getrieben durch den Hunger, die Dürre. Sie verdienen einen Hungerlohn, kommen nicht selten verschuldet in ihre Heimatdörfer zurück, bis die nächste Notlage sie wieder in den Süden treibt.
150.000 Menschen arbeiten auf den Abwrackwerften von Chittagong oder leben von der Abwrackindustrie im Süden Bangladeshs. Sie zerlegen 30-40 % aller weltweit ausgemusterten Hochseeschiffe, die hier bei Springflut auf den flachen Sandstrand gesetzt werden. Die Arbeiter, ob Seilträge oder Schweisser, tragen keine Helme, sind schutzlos sowohl den an Bord verbliebenen Giftstoffen (Asbest, Öl, Schwermetalle etc.) als auch den Gefahren beim Zerlegen der riesigen Schiffsrüpfe ausgesetzt. Ohne Schuhe stapfen die schlecht bezahlten Seilträger durch den Schlamm, mit bloßen Händen und Schultern tragen die Eisenträger große Stahlplatten zum Verladen. Die Schweisser sind explosiven Stoffen ausgesetzt, da die Rohre auf den Schiffen nicht geleert wurden, arbeiten ohne Schutzbrillen, ohne Sicherung. Riesig sind die Schiffsteile, die abgeschweisst in die Tiefe stürzen, um weiter zerteilt oder mit primitiven Motorwinden unter Verwendung minderwertiger Seile höher auf den Strand gezogen zu werden.
„Eisenfresser“ lässt sie alle zu Wort kommen: die Seilträger, die Eisenträger, Schweisser und Vorarbeiter, aber auch die Vorgesetzten, die ortsansässigen Contractors, die Werftbesitzer. Sparsam kommentierend, zeigt der Film das ganze Elend der Arbeiter und das System aus Not, Ausbeutung und Abhängigkeit, das Jahr für Jahr Wanderarbeiter aus dem Norden auf die Werften kommen lässt, allen Gefahren, Krankheiten, Unfällen und Todesopgfern zum Trotz. Dabei zieht der Film seine ganze Kraft aus den Bildern der unsäglichen Arbeitsbedingungen, verbunden mit den Aussagen der Beteiligten. Der Fokus liegt dabei auf den Seilträgern, die den gefährlichsten, aber auch am schlechtesten bezahlten Job verrichten und sich vergeblich auflehnen gegen die Arbeitsbedingungen und das System aus Lohndrückerei, Schulden und verspäteten Auszahlungen, um doch wieder in der Abhängigkeit zu versinken. Dabei kommt den unkommentierten Aussagen von Werftbesitzern, Vorarbeitern, den sogenannten Contractors und den Lohnauszahlern besondere Bedeutung bei, entlarven sie sich und ihr ungerechtes System doch quasi selbst, in dem sie es beschönigen oder die schlechten Arbeitsbedingungen schlichtweg negieren.
Shaheen Dill-Riaz gelingt es mit bedrückenden Bildern und ohne großen Kommentar, nicht nur ein Bild der Ausbeutung zu zeichnen, sondern auch den ausgebeuteten Arbeitern mit seiner einfühlsamen Dokumentation etwas zurückzugeben, was ihnen in Chittagong genommen wird: ihre Menschenwürde.
„Eisenfresser“ wurde zu Recht mehrfach ausgezeichnet. Es bleibt zu hoffen, dass Filme wie dieser auf lange Sicht etwas an den skandalösen Zuständen auf Abwrackwerften in Bandgadesh, Indien und anderswo ändern werden und die Menschen dort nicht nur den Lohn bekommen, den sie wirklich für ihre gefährliche Arbeit verdienen, sondern auch Arbeitsbedingungen, die Sicherheit, Gesundheitsschutz und Ergonomie nicht zugunsten der Profitmaximierung mißachten.

3 Kommentare zu “Eisenfresser / Drehbuch, Regie und Kamera: Shaheen Dill-Riaz

  1. Diesen Film habe ich auch im TV gesehen. Es war nicht der erste und es wird wohl auch nicht der letzte seiner Art sein. Es ist wichtig, dass es solche Filme gibt und notwendig, dass man sie verbreitet. Gleichsam ist es aber auch beschämend. Irgendwie geht es uns ja gut, weil es irgendwo welche gibt, die im Elend leben. Kinder können das noch gar nicht wissen, aber jeder, der über die Pupertät hinaus ist, muß sich doch fragen lassen, ob er angesichts solcher Bilder noch ruhig schläft.
    Danke für diese Arbeit.

    mick

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    • Viel scheint sich bei dieser und anderen Abwrackwerften noch nicht geändert zu haben, seit der Film erschien. Bleibt zu hoffen, dass die Arbeiter sich ihre Rechte selbst erstreiten, wenn solche Filme – wie leider zu erwarten – die Reedereien als Auftraggeber für solche Abwrackausbeutung nicht zum Umdenken bewegen.

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  2. Sehr gut erinnere ich mich an diesen Dokumentarfilm, der einst im TV lief. Es war schockierend, was man da zu sehen bekam. Ein Arbeiter, der bis zum Umfallen schuftet und schliesslich in sein Dorf mit Nichts zurückkehrte sehe ich noch vor mir. Schrecklich auch die Arbeitsweise, wie die Schiffe auseinandergenommen wurden, die Pisse und der Kot noch auf die Männer in unteren Bereichen fallen konnte. Ein absolut aufwühlender Film, den man nicht mehr vergisst.

    Gut, stellst du diesen Dokumentarfilm hier vor.

    Liebe Grüsse
    buechermaniac

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