„Wenn ich zu Fuß unterwegs bin, habe ich das Gefühl, nicht fehl am Platz zu sein. Es ist, als ob jeder Ort am Weg, den ich mir erlaufen habe, ein bisschen zu mir gehören würde, und ich fühle mich nicht ganz fremd. Das ist vielleicht das Schönste daran“ (The longest way, S. 253)
Der 1981 geborene Christoph Rehage, der in München Sinologie studiert hat und in Peking an der Filmhochschule seinen Abschluss in Kameraführung, beschließt 2007, von Peking aus bis zu seinem Heimatort Bad Nenndorf zu Fuß zu laufen: am Morgen seines 26. Geburtstages startet er. Er möchte auf seinem Weg den Menschen und Kulturen Asiens auf eine möglichst bodenständige Art begegnen und sich zugleich während des langen Marsches überlegen, wie sein Leben nach der Rückkehr nach Deutschland machen. Er nennt sich dabei meist Leike, was soviel heißt wie „Eroberer des Donners“. Stets dabei in seinen Gedanken sind seine Gefühle für Juli, einer Chinesin aus Sichuan, und die Ungewissheit, die über der Beziehung der beiden schwebt …
Rehages Lauf durch China, den er nach 4646 wechselhaften Kilometern unterbrach und inzwischen wieder aufgenommen hat, wird zu einer Wanderung durch ein vielfältiges China zwischen Moderne und Tradition: er begegnet Bauern und Bonzen, freundlichen, zurückhaltenden und ablehnenden Menschen, gewinnt zeitweise mal freiwillig, mal unfreiwillig Reisebegleiter, die er mal freudig begrüsst, mal zunächst misstrauisch beäugt. Läuft er zunächst mit Rucksack, so zieht er später einen Wagen hinter sich her, quält sich über Pässe und durch Wüsten, erträgt stoisch übelsten Straßenverkehr und bleibt doch stets in einem standhaft: keineswegs wird er einen Teil seines Weges anders zurücklegen als zu Fuß, auch wenn er manchmal bei Pausen auf Ausflügen mit chinesischen Bekannten gezwungenermaßen moderne Fortbewegungsmittel nutzt. Mehrfach trifft er Juli und unterbricht seine Wanderung sogar für ein paar Tage für einen Flug nach München, um ihr nahe zu sein. Doch dann, nach 4646 Kilometern, scheint es Zeit für eine Entscheidung …
Rehage ist ein lesenswerter Reisebericht gelungen, der einen guten Einblick in die Kulturen Chinas gibt und sowohl die Fremdheiten als auch die verbindenen Elemente herausarbeitet, die sich in der Begegnung zwischen einem riesigen Europäer und Chinesen der unterschiedlichsten Provinzen ergeben können. Deutlich ist seine Liebe zu diesem riesigen Land spürbar, auch wenn er manche Eigenarten verflucht oder sogar an ihnen verzweifelt.
„The longest way“ ist dabei ein sehr persönliches, offenes Buch geworden, reflektiert Rehage doch nicht nur über seine letztlich auch an ihm scheiternde Beziehung zur Chinesin Juli, sondern auch über eigene Lebensmotivationen und persönliche Defizite. So begegnet er letztlich auch sich selbst, spiegelt die eigene in der fremden Kultur und macht so diesen Reisebericht zu einer intensiven Lektüre, die einem ein China nahe bringt, dass abseits der üblichen Touristenwege liegt und sich dem gewöhnlichen Chinareisenden nicht so rasch erschließen dürfte.
Es gelingen ihm dabei intensive Bilder von Landschaften und Menschen, und er findet klare, oft humorvolle und manchmal auch harsche, doch stets selbstkritisch reflektierte Worte für Begegnungen und Eindrücke. Schlechte Laune und schlechte Reisepassagen wie durch manche smogvernebelte Stadt verhehlt er nicht und spart auch nie mit deutlichen Worten, wenn ihm etwas missfällt oder er seine Motivation verloren zu haben scheint.
Dabei ist es nicht das Spektakuläre, dass den Reiz von Rehages Bericht ausmacht: auf bodenständige Art und Weise, nämlich zu Fuß, bereist er China – und begegnet dem Land und seinen Bewohnern auf Augenhöhe. Wie alle guten Reiseberichte ist auch dieser unter anderem ein Bericht über eine Reise zu sich selbstim Spiegel der Fremde. All diese Eigenschaften machen aus „The longest way“, zu dem es auch einen Bildband und einen lesenswerten Blog gibt, zu einem ausgesprochen lesenswerten Buch, dass zumindest der gute Reiseberichte sehr schätzende Rezensent kaum aus der Hand legen mochte.
Deine Besprechung macht so viel Lust aufs Buch, das kommt unbedingt auf meine Wunschliste. Vielen Dank!
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Das freut mich! Dann hoffe ich, dass es viel Spaß beim Lesen macht.
Viele Grüsse von
Jarg
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Danke für diese spannende Besprechung! Den Weblog des Autors werde ich mir gleich mal anschauen! 🙂
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korrigierst Du bitte bitte meinen Rechtschreibfehler????
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Klar. Das gehört zur Qualitätskontrolle von Jargsblog 😉
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Auf dem Coverfoto sieht der Autor aus wie Robinson Crusoe nach 20 Jahren Einsamkeit. 🙂 Das ist mal wieder ein Buch, das ich mir besorgen werde. Danke!
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Gern geschehen. Viel Spaß mit dem Buch und mit dem Weblog des Autors, das den Besuch lohnt.
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