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Die Kunst, ein kreatives Leben zu führen : Anregung zur Achtsamkeit / Frank Berzbach

Wenn ihr abwascht, denkt ihr vielleicht an den Tee danach und versucht, es so schnell wie möglich hinter euch zu bringen, damit ihr euch setzen und Tee trinken könnt. Das bedeutet aber, dass ihr in der Zeit, in der ihr abwascht, nicht lebt. Wenn ihr abwaschtm muss der Abwasch das Wichtigste in Eurem Leben sein. Und wenn ihr Tee trinkt, dann muss das Teetrinken das Wichtigste auf der Welt sein. (Thich Nhat Hanh, Zitat auf S. 28 im vorgestellten Buch)

Es klingt wahrscheinlich ein bisschen verschroben, vielleicht gar spießig: aber seit unserem kleinen Umbau ist es üblich, dass der letzte Duscher in unserer Familie die Dusche trocken wischt. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, denn Marotten haben viele. Fakt ist, dass es mir meistens sogar Spaß macht – und zwar genau dann, wenn ich mich auf nichts anderes konzentriere als eben dies: Dusche sorgfältig trockenwischen. Das gleiche funktioniert übrigens auch beim Fegen, Wändestreichen, Möhrenschnippeln, beim Pflanzenschnitt oder dem reinigen meiner geliebten Espressomaschine … und ist ungemein befriedigend, wenn man es in den Fokus stellt und nicht gleichzeitig noch telefoniert oder Hörbücher anhört. Kennen Sie alles?

Stimmt. Hat was mit Achtsamkeit zu tun und das ist ja eh seit ein paar Jahren in aller Munde. Trotzdem ist das hier vorgestellte Buch von Frank Berzbach bemerkenswert – und zwar nicht nur für die im Titel angesprochenen Kreativen, sondern für alle Menschen, die in ihrem Beruf Dinge bewegen müssen durch Ideen. Berzbach zeigt in sechs sehr schön aufeinander aufbauenden Kapiteln, wie es gelingen kann, mehr Ruhe und innere Ausgeglichenheit im eigenen Leben zu erreichen und sich damit auch wieder neue Kraft- und Inspirationsquellen zu erschliessen. Dabei zieht er den Bogen beachtlich weit, ohne jemals abzurutschen und stützt seine Aufführungen auf ein beeindruckendes Literaturverzeichnis, auf dem er seinen Text aufbaut.

Doch das kommentierte Zitat allein ist Berzbachs Sache nicht: er setzt Zusammenhänge, zieht Verbindungslinien und schöpft aus aktuellen und vergangenen Erkenntnissen von Philosophen und Wissenschaftlern und zeigt dabei auch die aus religiösen Überzeugnungen (vor allm dem Buddhismus) gewachsenen und durchaus auch von Atheisten geschätzten Techniken, die Wahrnehmung zu steigern, sich zu konzentrieren, zu entspannen und zu einer vertieften, ruhigeren Lebenshaltung zu finden, von denen er vor allem die Meditation, Zen und das bewusste, zelebrierte Teetrinken, durchaus aber auch eine gewissen Askese, das Schweigen und zeitweise Einsamkeit hervorhebt.

Berzbach gelingt es dabei, seine Thema ruhig und unspektakulär zu entwickeln und dennoch den Leser in seinen Bann zu ziehen: trotz der erforderlichen hohen Aufmerksamkeit für Berzbachs dichten Text zieht der Leser unwillkürlich bei den vielen angeführten Alltagsvergleichen die Analogien zu sich selbst und spürt zugleich, welche Möglichkeiten darin liegen, nicht in hektischer Alltagshuberei und medialem Overkill sein kreatives Heil zu suchen, sondern in der Ruhe. Dabei zeigt er auch Möglichkeiten auf, wie man innerer Unruhe, Zweifeln, Angst und Überforderung begegnen und so insgesamt ein in sich selbst ruhender, zufriedener Mensch werden kann, der den Herausforderungen des Alltags achtsam, gelassen und bewußt begegnen kann. Dabei weist er nicht nur den komplexen Tätigkeiten unseres Lebens besondere Bedeutungen – im Gegenteil: der Schlüssel liegt für Berzbach im durchaus bewussten, alltäglichen und konzentrierten Tun selbst banalster Dinge und im Vermeiden der bloßen Reaktion, des Aktionismus.

Berzbachs Buch ist ausgesprochen lesenswert für alle, die sich vom Hamsterrad des Alltags getrieben fühlen und Hinweise suchen, wieder zu mehr schöpferischer Energie und vitaler Gelassenheit zu finden. Das Literaturverzeichnis ist ein wahrer Sxchatz, der jedem, der vertieft in einzelnde Aspekte einsteigen möchte – etwa im Bezug auf Zen oder Meditaion. Und noch etwas: dieses Buch ist nicht nur ausgesprochen anregend zu lesen, sondern auch noch besonders schön gemacht – was nicht anders zu erwarten war, stammt es doch aus dem kleinen, feinen Verlag Hermann Schmidt (Mainz), dessen gestaltung (nicht nur) in diesem Fall von besonderer Sorgfalt, Ästhetik und Achtsamkeit zeugt.

Viel Spaß beim lesen. Ich habe es durch und fege jetzt erstmal den Balkon.

18 Kommentare zu “Die Kunst, ein kreatives Leben zu führen : Anregung zur Achtsamkeit / Frank Berzbach

  1. Wie schrieb schon Graf Dürckheim: Der Alltag als Übung….

    Mir graust immer, wenn ich diese multitaskingfähigen Menschen sehe, die bei den Mahlzeiten Zeitung lesen, das Radio hören, sich unterhalten und dabei noch Essen… Es ist einfach eine Mär, man könne mehrere Sachen gleichzeitig machen: dann macht man nichts richtig. weiß nachher nicht, wie das Essen schmeckte, was im Radio gesagt/gespielt wurde, was in der Zeitung stand….

    Da-sein, in diesem Moment gibt es nur diese eine Sache, der sich mit voller Achtsamkeit gewidmet wird. Dann macht sie auch – wie du schreibst – Spaß. Selbst putzen.

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    • Ja, das ist wirklich so. Und dieses Aufgehen in einer konzentriert durchgeführten Sache macht den Kopf frei und erfrischt am Ende. Entdecken bestimmt auch noch manche der zeitgleich musikhòrenden, whatsappenden, essenden und miteinander redenden zufahrenden Kids.

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  2. Ich habe das Buch vor einiger Zeit in der Buchhandlung schon mal in der Hand gehabt (vor allen Dingen wegen des schönen Einbands) und habe mich dann doch entschlossen es nicht zu kaufen, weil es sich mir zu sehr nach pseudo-intellektuellem Geschwafel angehört hat.
    Nach deiner Rezension werde ich es wohl doch mal anlesen. Danke dafür!

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    • Gern geschehen! Es ist wirklich sehr bereichernd und regt an zur Selbstreflektion. Viel Freude bei der Lektüre wünscht dir Jarg

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  3. Könnte ich nicht. Ich muss genau wie Frauen die auch mehrere Dinge gleichzeitig tun können (z.B. schlecht Auto fahren und dabei noch Unfug reden), alles zur gleichen Zeit tun. …, also zur gleichen Zeit anfangen. Meist mache ich es nicht zuende, weil mir die Lust vergeht. Man kann auch über eine Dauer von 3 Wochen Fenster putzen.

    Kreativ fühle ich mich trotzdem. Besonders bei der wahrscheinlich einzigen Tätigkeit, der ich tatsächlich mit vollem Einsatz fröne: dem Müßiggang

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    • Ich habe eine gute Nachricht für Dich: habe in Mecklenburg-Vorpommern alte Scheune gemietet, mit Matrazenlager und zwanzig Duschkabinen ausgestattet und biete jetzt Zen-Seminare an unter dem Titel „Der Weg des Wasserabstreifers – Vom Duschwischen zum Selbst“. Aufbauseminar „ShawāDo – Der Weg des Duschwischers“. Kosten 300 €/Tag. Vom Erlös kaufe ich mir eine aufgegebene Schwimmhalle zum regelmäßigen Durchwischen und werde weise.

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      • Das klingt toll. 10 bis 15 Leute in Bademantel und Badelatschen, mit Wasserabstreifer bewaffnet beim gemeinsamen Atmen und konzentriertem Wischen. Schon beim Gedanken daran, werde ich ganz fokussiert und finde meinen Mittelpunkt. Vielleicht kann man das beim Arbeitsamt sogar als Fortbildung für Reinigungskräfte deklarieren. 🙂

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      • Ja, das wird toll. Und wird nicht nur bei den Reinigungskräften, sondern auch im gehobenen Management bald en vogue sein. Arbeite bereits am Seminar „Wipe and Win for Top Performer“ inklusive Vollpension auf den Caymans. Da sind die eh immer alle …

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      • Du solltest das hier nicht so rausposaunen, irgendein findiger Guru wird Dir noch zuvorkommen und die Idee klauen. 🙂 Das könnte ne ganz große Sache werden. Rofl.

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      • Stimmt. Am besten nur noch getarnt darüber sprechen: Tarnname Wisch-Zen-Weg. Schnell auszusprechen …

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  4. Schönes Buch und schöne Rezension, hab es auch gerade angefangen zu lesen. Und die schöne Buchgestaltung ist mir auch sofort ins aufgefallen, weil es sich doch sehr von den anderen Designs abhebt. LG Angela

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