Arroganz gibt es vermutlich, seit es Menschen gibt – und man darf sicher davon ausgehen, dass es schon unter Faustkeilspezialisten welche gab, die so von ihrer Arbeit eingenommen waren, dass sie keine Kritik duldeten – bis ihr falsch bearbeiteter Faustkeil im Einsatz abbrach und der Säbelzahntiger die Oberhand gewann.
Der finnische Wissenschaftsjournalist Ari Turunen geht in seiner kurzen Geschichte der Arroganz zahllosen historisch verbürgten Fällen von der Antike bis heute nach, deren Bandbreite Politik, Wirtschaft und Gesellschaft umfasst. Historische Potentaten wie Dschingis Khan oder Timur Lenk kommen ebenso vor wie zeitgenössische Politiker (etwa George Bush), Wirtschaftslenker (etwa von Lehman Brothers, Enron), Popmusiker (Mariah Carey) und ganz normale Leute von nebenan. Sehr deutlich wird, dass Arroganz meist drastische Folgen hat bis hin zu Kriegen, Katastrophen, Unruhen und drastischen Mißerfolgen, die oft auch den Arroganzling selber abstürzen lassen.
Ganze Staaten stürtzen durch die Überheblichkeit der Mächtigen ab, wie Turunen am Beispiel der ehemaligen Großmacht Spanien zeigt (Vertrag von Tordesillas und das Großmachtstreben mit dem gescheiterten Angriff auf England) und am Handelsmonopol der Ostindien-Kompagnie, die für die eigenen Ziele jegliche Bodenhaftung verlor und damit die Unabhängigkeitsbestrebungen Indiens letztlich stark beförderte. Schön sind aber auch Beispiele aus der Populärkultur: etwa die Verherrlichung des Schönen in der italienischen Fernsehwelt, die bizarre Blüten treibt und dabei Substanzlosigkeit für den äußeren Schein in Kauf nimmt.
Spürbar wird an allen geschilderten Beispielen, wie die eigene Selbstüberschätzung in Verbindung mit Macht und alten Erfolgen schliesslich zu einer kompletten Ausblendung der Realität führt und damit in der Folge zu fatalen Fehlentscheidungen, unterschätzten Entwicklungen und nicht wahrgenommenen Gefahren.
Turunens Parforceritt durch die Kulturgeschichte der Arroganz und ihre zum Teil schrecklichen, zum Teil bizarren Folgen liest sich anregend und flüssig. Turinen hat sich intensiv mit seinem Thema befasst und breitet sein aus zahllosen Quellen zusammengestelltes Material gut auf. Dabei hält er gekonnt die Balance zwischen anekdotenhafter Erzählung und analytischem Blick. Sein Fazit, dass mehr Demut auch den Mächtigen dieser Welt gut anstünde, kann man nur unterstreichen: letztlich scheint Erfolg nachhaltiger, wenn er auf Respekt, Toleranz und der Fähigkeit zur Selbstkritik basiert statt auf übersteigertem Selbstbewußtsein, dass jegliche Zweifel ausblendet und somit nur zu leicht ins Verderben führt.
Ein ausgesprochen unterhaltsames, kurzweiliges und kenntnisreiches Buch, in dem nur die Apotheose der Gegenwartsarroganz fehlt: Donald Trump. Aber dieser merkwürdigen Figur und ihrer maßlos übersteigerten Hybris wird man vielleicht einmal ein ganzes Buch widmen. Hoffentlich ohne dass darin eine Phase als amerikanischer Präsident vorkommt.
Oh Mann, Jarg. Seit meinem 5. Lebensjahr lebe ich oft von, manchmal in, aber immer mit Büchern. In deinem Blog muß ich aber immer wieder staunen, was ich noch nicht kenne und noch lesen möchte. Bei diesem Buch bin ich zwiespältig; mir sagt man mir oft Arroganz nach, aber manchmal bin ich einfach nicht bereit, mich unter den Scheffel von Dumm- beuteln zu stellen, nur um mich anzupassen. Ist das Arroganz?
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Nee, die Arroganten hier im Buch sind wirklich dumm bzw. also arrogant in dem Sinne, dass sie glauben, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und ihnen keiner was wollen kann.
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Sehr treffend 🙂
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