Keine Kultur lebt ewig. Alle streben sie ihrer Zerstörung zu, eine nach der anderen, wie die Wellen eines Meeres, die sich am Strand brechen. Keine Kultur entgeht diesem Schicksal – auch unsere nicht. (S. 354)
Honduras bringt man im Bezug auf Archäologie und Frühgeschichte nicht erst seit dem Fund von Copan am ehesten noch mit den Maya zusammen. Allerdings gibt es schon seit Jahrhunderten einen Mythos um die sagenhafte sogenannte „Ciudad Blanca“, die „Weisse Stadt“, die im wenig erforschten Bereich des Mosquitia vermutet wurde und etliche Forscher und Glücksritter angezogen hat. Nach dem Mythos, der sich aufgrund fehlender schriftlicher Zeugnisse nicht belegen lässt, ist diese bisher unbekannte Zivilisation plötzlich zwischen 1400-1500 untergegangen.
Douglas Preston, der mir bisher hauptsächlich als Autor von Thrillern bekannt war, erhielt die Gelegenheit, an Expeditionen zur Erforschung des Mythos teilzunehmen, die seit den 1990er Jahren vor allem vom Filmemacher Steve Elkins vorangetrieben wurden. Beflügelt durch die neuen technischen Möglichkeiten der Vermessung über LIDAR (light detection and ranging) organisiert Elkins eine Vermessung bestimmter Regionen der Mosquitia und entdeckt tatsächlich in den für Menschen nahezu unzugänglichen Dschungelbereichen mehrere Bereiche mit künstlichen Strukturen, die auf große Siedlungen schliessen lassen. Geschützt von einem Trupp honduranischer Soldaten brechen Elkins und sein aus Spezialisten verschiedener Professionen bestehendes Team mit zwei Hubschraubern zu der vielversprechendsten Zone auf und können innerhalb weniger Tage genug Belege dafür ausmachen, dass an dieser Stelle eine große Stadt gelegen haben muss, die von ihren Bewohnern ganz offensichtlich überstürzt aufgegeben wurde. Preston, der auch an dieser Expedition teilnimmt, beschreibt ausgesprochen spannend die Vorgehensweise, aber auch die Erlebnisse des Teams und macht so den mit neuesten technischen Möglichkeiten beförderten Entdeckungsprozess überaus anschaulich.
Er weist auch auf Probleme und Schwierigkeiten hin, die sich im Vorfeld der Expedition, aber auch in der ausgesprochen lebensfeindlichen Umwelt der gefundenen Stadt ergeben. Die Entdeckung machte damals weltweit Schlagzeilen, löste aber ach massive Kritik aus: dem Team um Elkins wurde vorgeworfen, nur auf Schlagzeilen aus zu sein und nicht sorgfältig genug vorzugehen: Vorwürfe, die Preston nicht verschweigt, aber größtenteils auch akribisch mit Recherchen und Interviews widerlegt. Spannend ist dabei auch der Exkurs am Ende: die Hälfte der Expeditionsmitglieder erkrankt zum Teil schwer an einer seltenen Form von Leishmaniose, einer Krankheit, die in mehreren Varianten vorkommt, vorwiegend arme Menschen trifft und nicht leicht heilbar ist. In Verbindung mit dem Untergang der Stadt vor 500 Jahren kommt dabei auch der Verdacht auf, dass der in diesem konkreten Fall offensichtlich über Jahrhunderte isolierte Erreger auch ursächlich für die Aufgabe der Stadt verantwortlich gewesen sein könnte: Belege dafür liessen sich gegebenenfalls mit gentechnischen Methoden ermitteln.
Preston kehrt ein paar Monate später wieder zurück zu der entdeckten Stadt, die mittlerweile von Soldaten beschützt wird: bisher wurden über 500 vorwiegend kultische Gegenstände geborgen, die offensichtlich alle zum gleichen Zeitpunkt in eine gro0e Opfergrube geworfen wurden, bevor man die Stadt sich selbst überliess. Preston lässt korrekterweise offen, ob es sich wirklich um die Stadt aus dem Mythos handelt. Fest steht aber, dass in diesem Bereich von Honduras über mehrere Jahrhunderte eine eigene, hochstehende Zivilisation bestand, die sich von derjenigen der Mayas in wesentlichen Teilen unterschied und vermutlich noch vor dem Auftauchen der Spanier unterging.
Darüber hinaus wirft Prestons Buch auch Fragen auf nach der Zukunft unserer Zivilisation: der Autor geht auch auf den raschen Niedergang der amerikanischen Völker während der spanischen Eroberung ein, der maßgeblich durch eingeschleppte Infektionskrankheiten befördert wurde. Der Blick auf die Leishmaniose offenbart aber auch, dass diese weltweit verbreitete Krankheit, ausgelöst durch einen äußerst geschickt mit dem infizierten Körper interagierenden Erregers nicht nur eine lange Vergangenheit hat, die bis zur Zeit der Dinosaurier zurückreicht, sondern uns aufgrund der modernen Zivilisation und des fortschreitenden, die Ausbreitung exotischer Erreger befördernden Klimawandels in diesem Jahrhundert Epidemien drohen könnten, die in ihren zahlenmäßigen Ausmaßen und wirtschaftlichen Folgen äußerst bedrohlich erscheinen. Preston schärft damit auch den Blick und stellt implizit die Forderung an die Pharmakonzerne, Impfstoffforschung nicht nur auf die sich wirtschaftlich rechnenden Einsatzgebiete zu beschränken: insofern ist dieses Buch auch eine Warnung vor der Hybris unserer Zeit, die uns den Blick auf mögliche Abgründe versperrt.
Preston ist ein überaus spannendes Buch gelungen, das über eine vom technischen Fortschritt in der Vermessungstechnik beförderten faszinierenden Entdeckung berichtet und sich spannender liest als so mancher hochlobte Thriller.
Ha! Habe mir das Buch letztens ausgeliehen und freue mich jetzt schon darauf^^
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Dann hoffe ich, dass es dir so geht wie mir: Ich mochte es kaum aus der Hand legen.
Sonnige Grüsse von
Jarg
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Das klingt echt sehr spannend und interessant! Ein Thema mit dem ich mich so auch noch nie beschäftigt habe.
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Eine anregende Lektüre wünscht dir Jarg
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Ich hab das Buch schon auf meinem Novemberstapel. Bin schon gespannt. 🙂
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Moin Andrea,
dann wünsche ich dir eine anregende Lektüre!
Einen feinen Tag eünscht dir
Jarg
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