Der Marsch zum Strand hinunter hatte sie fehlerfrei bis zum Gletscher geführt, wo sie die Moräne wiedergefunden hatte, doch jetzt brach Chaos aus. Der Rucksack war weg, sie war allein in einem Schneesturm und hatte keine Ahnung, was sie tun sollte. Das Bewusstsein der verstreichenden Sekunden war zu einer deutlichen, fast körperlichen Empfindung geworden.
Im Jahr 1913 geht das britische Schiff Kismet unter dem ehrgeizigen Kapitän Lawrence auf Forschungsreise in die Antarktis. Als eine schroffe, unbekannte Insel entdeckt und auf den Namen „Everland“ getauft wird, werden drei Männer ausgerüstet, um mehrere Wochen auf der Insel zu verbringen, darunter auch der junge Wissenschaftler Decker, der durch Protektion für die gefährliche Mission ausgewählt wurde. Doch der Aufenthalt mündet in einer Katastrophe, für den die Nachwelt im 1. Offizier Napps schnell einen Schuldigen ausgemacht zu haben glaubt. Fast einhundert Jahre später ist die gescheiterte Expedition von damals zur auch im Film verewigten Legende geworden. Ein dreiköpfiges Team, bestehend aus dem erfahreren Forscher Decker, der robusten Feldassistentin und der relativ unerfahrenen Wissenschaftlerin Brix landet auf Everland, um für zwei Monate auf den Spuren der Kismet-Expedition auf der Insel zu bleiben und die dort lebenden Robben und Pinguine zu erforschen.
Die Expedition von 2012 startet durch Missgeschicke und Wetterumbrüche mit Schwierigkeiten. Doch nachdem sich das Team doch noch zusammengerauft hat, verändern sich die Wetterbedingungen bedrohlich und die mit modernster Technik ausgestattete Expedition sieht sich plötzlich unerwarteten Gefahren ausgesetzt, die sich in einem Schneesturm dramatisch zuspitzen. Es scheint, als ob sich die Naturgewalten auf Everland gegen das Team verschworen haben und das Team ähnlich dramatisch scheitern wird wie ihre legendären Vorgänger …
Rebecca Hunt ist ein überaus dichter, intensiver Roman über die Ausgesetztheit des Menschen und seiner Bedeutungslosigkeit in einer als übermächtig erscheinenden, lebensfernen Natur gelungen. Geschickt verwebt die Autorin verschiedene Zeitebenen zu einem dichten, mit einem sauberen Spannungsbogen versehenen literarischen Gewebe, in dem die existentielle Bedrohung, der die Protagonistinnen und Protagonisten ausgesetzt sind, ebenso sichtbar wird wie ihre Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.
Menschliche Hybris begegnet dabei einer gleichgültig und abweisend erscheinenden Natur, in der psychologische Prozesse in lebensbedrohlichen Ausnahmesituationen ebenso sichtbar werden wie grundsätzliche Fragen zur menschlichen Existenz. Die karge Insel Everland schält dabei mit ihrer unbarmherzig erscheinenden Natur nach und nach die essentiellen Persönlichkeitsmerkmale der Hauptfiguren heraus, gelangt gewissermaßen zu deren Kern. Hunt überzeugt in ihrem auch sprachlich in seiner Klarheit und Stringenz hervorragenden Roman dabei sowohl mit den auf gut recherchierten Sachkenntnissen basierenden Naturbeschreibungen wie mit den empathisch und nachvollziehbar gestalteten Charakteren.
Ein fesselnder, intensiver Roman, den ich gerne all jenen empfehle, die sich von den extremen Landschaften unseres kleinen unbedeutenden Planeten faszinieren lassen und eine gute Abenteuergeschichte zu schätzen wissen, die Tiefe aufweist und über ihr Genre weit hinausreicht.
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