„Es gibt viele Momente in einem Leben, die meisten davon bedeuten gar nichts. asie laufen spurlos an einem vorbei, durch einen hindurch, wie Wasser durch ein Sieb. Sie hinterlassen nichts. Verschwinden, als hätte es sie nie gegeben. Und dann ist man alt und hat zuwenig gelebt. Ich habe einmal irgendwo gelesen, dass wir im Schnitt 26000 Tage auf diesem Planeten haben. 26000. An die meisten mit David und Rosa werde ich mich erinnern.“ (S. 384)
Rosa hat gerade ihr Abitur hinter sich und die Trennung von Simon, als sie zu ihrer Reise aufbricht, um zu sich selbst zu finden. Frank, der so viel weiß und nie die Ruhe verliert, wollte eigentlich mit seinem besten Freund, der quirligen, lauten und weltgewandten David nach Australien und reist jetzt doch allein. Auch er scheint mit sich nicht im Feinen zu sein. Beide begegnen sich in Australien und beschließen, einen alten, etwas heruntergerockten Mitsubishi L 300 zu kaufen und mit ihm durch Australien zu fahren. Was sich wie die ganz normale Reise zweier Zufallsbekanntschaften anhört, ändert sich jedoch, als plötzlich David auftaucht, der vor seinem ehrgeizigen Vater und ungewollter Verantwortung flieht. Frank ist unschlüssig, ob ihm das gefällt. Zu dritt geht die Reise weiter und entwickelt eine Dynamik, mit der keiner der drei gerechnet hat …
Anne Freytag lässt im fernen Australien drei junge Menschen auf der Suche nach sich selbst auf eine weite Reise gehen, an deren Ende sich jeder von ihnen verändert haben wird. Ihre sorgfältig aufgebaute, aus wechselnden Perspektiven erzählte Dreiecksgeschichte baut auf drei emphatisch gezeichneten, authentisch agieren Protagonisten auf. Alle drei stehen vor der Frage, welchen weiteren Weg sie nach der Schule nehmen. Jeder von ihnen hat Stärken und Verletzungen, Geheimnisse, die im Laufe der Geschichte offen zutage treten und nicht selten für Sprengstoff, fast sogar für ein Zerwürfnis sorgen. Am Ende, nach vielen tausend Kilometern Fahrt durch die endlosen weiten Australiens, ist zwischen den Dreien eine unerwartet starke, kaum zu beschreibende Bindung entstanden, die sie verändert auf ihre weiteren Wege gehen lässt.
Freytag gelingt es dabei, die Entwicklung ihrer Protagonisten überzeugend aus der Geschichte wachsen zu lassen. Dabei verstärkt sie die Wirkung des Romans nicht nur durch sprachlich starke Landschafts- und Szenenbilde, sondern auch durch über dreißig in die Handlung eingebaute Musikstücke von Sufjan Stevens bis Delafaye, die – wenn man ihnen nachfolgt – überaus passend zur Stimmung in der jeweiligen Szene ausgesucht wurden: eine Liste der Songs ist im Buch abgedruckt. Ich bin Rosa, Frank und David gerne auf ihrer Reise gefolgt – und so war es am Ende eines jener Bücher, die man ungern beiseite legt, deren Protagonisten man gerne weiter begleitet hätte.
„Mein Leben basiert auf einer wahren Geschichte“ ist ein fein gezeichnetes, literarisches Roadmovie über Freundschaft, Liebe und Erwachsenwerden, zugleich ein Roman über die Kürze unseres Lebens, die Spuren, die wir hinterlassen und die Achtsamkeit für den Augenblick, der schnell vergeht. Ein Buch, das mit emotionaler Tiefe, einer schönen Sprache und einigen fein in Worte gefassten erotischen Szenen aufwartet und länger nachwirkt, wenn man sich auf die Geschichte einlässt und sich Zeit nimmt. Ab 15 Jahren und für alle gern empfohlen.