Vor über 170 Jahren scheiterte eine der für ihre Zeit hervorragend ausgestattete Expedition mit den beiden für das Eis verstärkten Schiffen Erebus und Terror zur Entdeckung der legendären Nordwest-Passage in der Arktis dramatisch: keiner der 129 Männer kehrte aus dem Eis zurück. Bis heute ist unklar, was im Detail zwischen 1845 und der Sichtung letzter ausgezehrter Überlebender durch die Inuit 1848 geschah und letztlich zum Tod aller Expeditionsteilnehmer führte. Auch war lange unklar, welche Route die Schiffe genommen haben, obwohl über die Jahrzehnte viele Relikte der um ihr Leben kämpfenden Männer gefunden wurden bis hin zu Schriftstücken und Leichen. Erst 2014 wurde südlich von Kind-William-Island endlich das gut erhaltene Wrack der Erebus in zehn Meter Tiefe gefunden und wenig später auch 50 Kilometer entfernt das Wrack der Terror.
Über die Franklin-Expedition sind viele Bücher geschrieben worden und immer wieder fasziniert das dramatische Schicksal der im Eis verschwundenen Männer. Michael Palin, legendäres Mitglied der Monty-Python-Truppe und drei Jahre lang Präsident der britischen Royal Geographical Society, zeichnet in seinem Buch die Reisen der Erebus und ihres Schwesterschiffs Terror nach: er beginnt mit dem Bau der Schiffe als Bombardieren, als besonders robusten Kanonenschiffen und ersten, unspektakulären Einsätzen, um sich dann eingehend mit ihrer erfolgreichen Fahrt ins Südpolarmeer unter James Clark Ross beschäftigen.
Überaus lebendig wird so die erste Expedition der beiden Schiffe, die so wit nach Süden fuhren wie nie ein Schiff zuvor, und Palin gelingt es, nicht nur die Fakten spannend darzustellen, sondern uns auch die unterschiedlichen Protagonisten an Bord nahezubringen und so die Reise plastisch und mit großer Einfühlung in die Verschiedenheit ihrer bekannteren Teilnehmer nachzuzeichnen. Die im Bewußtsein der späteren Katastrophe oft verblassende erste Expedition der beiden berühmten Schiffe bekommt hier den Raum, der ihr zusteht: deutlich wird, wieviel Erfahrung hier gesammelt wurde und welche Expertise letztlich zum Teil auch in personam an der zweiten Reise in die Arktis teilnahm.
Detailgenau erzählt Palin danach von den Vorbereitungen zur Expedition in die Arktis, die zwar in aller Eile vorangetreiben wurden, aber von den entsprechenden Stellen mit erheblichen finanziellen Mitteln, Logistik, modernster Technik und Fachwissen unterstützt wurden. Die meisten Zeitgenossen gingen davon aus, dass die Entdeckung der Nordwestpassage gelingen würde, auch wenn man frühestens nach zwei Jahren mit Lebenszeichen von Franklin und seinen Mannschaften rechnete. Doch John Franklin, der „Mann, der seine Stiefel ass“, der als erfahrener Arktisreisender galt, scheiterte spekatkulär. Seine Schiffe verschwanden ebenso wie die Besatzung zunächst spurlos, bis ab 1848 die umfangreichste Rettungsaktion des 19. Jahrunderts anlief und nach Jahren erste Relikte der Ausrüstung und die Erzählungen der Inuit langsam deutlich machten, dass niemand überlebt hatte.
Palin, der selbst ein unermüdlich Reisneden ist, besuchte für dieses Buch viele Originalschauplätze, recherchierte in Archiven udn Bibliotheken, sprach mit Forschern und Spezialisten. Ausführlich berichtet er von den ersten Suchexpeditionen, von dem wieder erwachten Interesse an FRanklins Exspedition und ihrem Schicksal im frühen 20. Jahrhundert, verschiednenen Theorien und Erkenntnissen neuerer Zeit bis hin zu Entdekcung der beiden Wracks. So kristallisieren sich am Ende von Palins Buch die wahrscheinlichsten Szenarien für die Katastrophe heraus, auch wenn viele Details über das Leid, den Überlebenskampf und den Tod der Expeditionsteilnehmer von 1845 wohl nie geklärt werden können.
Michael Palin ist ein überaus spannendes, faktenreiches und mit viel Empathie für die historischen Persönlichkeiten und Zusammenhänge verbundenes Buch gelungen, das ich jedem, der sich für die Polarregionen, für Expeditionen und Geschichte interessiert, wärmestens empfehlen kann. Die gute, sorgfältige Ausstattung des schön gestalteten Buches mit zahlreichen Fotos, Graphiken und Karten trägt ein Übriges dazu bei, dass man „Erebus“ nicht mehr aus der Hand legen mag, wenn man einmal mit dem Lesen begonnen hat.
Das ist aber interessant. Gerade lese ich das Buch „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“ von Christoph Ransmayr. https://www.buecher.de/shop/norwegen/die-schrecken-des-eises-und-der-finsternis/ransmayr-christoph/products_products/detail/prod_id/20851841/
sie handelt von der 1872 gestarteten k.u.k. Nordpolexpedition unter dem Kommando von Carl Weyprecht und Julius Payer.
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Ransmayr war komplett an mir vorbeigegangen. Danke für den Tipp und – sehr verspätet – herzliche Grüße von Jarg
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Ich bin damals durch „Terror“ von Dan Simmons aufmerksam geworden und guck seitdem auch immer mal wieder nach dieser spannenden Thematik. Das Buch ist mir dabei schon das eine oder andere Mal begegnet. Danke für die tolle Rezi, nun wird es wohl mal den Weg zu mir nach Hause finden 😉 falls ich dich auch überzeugen kann, hier der Link zu meiner Rezi (ist aber ein Horrorroman, kein Sachbuch, so als Vorwarnung): https://inkunabel.wordpress.com/2016/11/17/terror-dan-simmons/
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Gern geschehen und viel Freude bei der Lektüre! Bei mir waren es Jugendsachbücher über Expeditionen – und dann vor allem „Die Entdeckung der Langsamkeit“ von Sten Nadolny – die mich auf Franklin gestoßen haben. Simmons ist wahrscheinlich nichts für mich: ich habe beim Lesen eine recht bildhafte Vorstellung und bei zu viel Horror sind meine Spiegelneuronen dann auf Dauerfeuer 😉
Beste Grüße – etwas verspätet – von Jarg
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