Wer bereits „Die souveräne Leserin“ mit Genuss gelesen hat, wird auch diese Sammlung von sechs für die BBC geschriebenen Monologen des britischen Autors lieben, die auf tatsächlichen Begegnungen Bennetts beruhen: sechs britische Exzentriker sind in diesen Monologen versammelt. So etwa Graham, der mit seiner über 70jährigen, leicht tüdeligen Mutter Vera zusammenlebt und sich nicht daran gewohnen kann, dass Vera zu ihrer vor 52 Jahren verflossenen Jugendliebe, einem gewissen Mitster Turnbull, zurückfindet, der ihr Heirat und Hochzeitsreise verspricht. Auch die trinkfreudige Pfarrersfrau Susann neigt zum Extremen, und während ihr Ehemann auf der Kanzel Verbindungen zwischen Sex und Gott zieht, verliebt sie sich in den indischen Gemüsehändler um die Ecke. Die auf Recht und Ordnung bestehende Miss Ruddock, die man als notorische Querulantin bezeichnen könnte, bringen ihre Beschwerdebriefe schliesslich gar ins Gefängnis – und doch findet sie zum ersten Mal etwas wie Glück in ihrem Leben. Sehr schön auch die naive Lesley, die einem deutschen Filmemacher auf den Leim geht, sich den vermeintlichen kunstvollen Film schönredet, in dem sie die Hüllen fallen lassen muss. Und dann sind da noch Muriel, die über den Tod ihres Mannes nicht hinwegkommt und die schrullige, pflegebedürftige Greisin Doris, die permanent ihre Altenpflegwerin kritisiert und letztlich dem Kräcker unterm Kanapee zum Opfer fällt. Alan Bennetts Geschichten über schicksalsgebeutelte Exzentriker oszillieren perfekt zwischen Tragik und Komik, und gerade die Konstruktion jeder Geschichte als Monolog versetzt einen unmittelbar in den sich präsentierenden Charakter und seine skurille Geschichte. Bei aller Komik nimmt sich Bennett seiner Figuren aber mit tiefem Ernst an und setzt sie niemals billigem Witz aus. Er gewinnt ihrem alltäglich erscheinenden Schicksal komische Seite ab und zeigt zugleich ihr betrübliches Schicksal, ihre Einsamkeit und dadurch bedingte Verbohrheit auf. Ein wunderbares Buch aus dem Wagenbach-Verlag, komisch, tragisch, treffend.
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